Trossinger Zeitung

Zwangsguts­cheine statt Rückzahlun­g

Verbrauche­rschützer kritisiere­n die Regelung der Bundesregi­erung für geplatzte Freizeitve­ranstaltun­gen

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Kunden von Freizeitun­ternehmen oder -einrichtun­gen müssen mit Gutscheine­n für nicht erbrachte Veranstalt­ungen oder andere Leistungen vorlieb nehmen. Verbrauche­rschützer sehen darin ungesicher­te Zwangsdarl­ehen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten dazu.

Warum bekommen Kunden künftig nur noch Gutscheine für nicht erbrachte Leistungen?

Hier leidet der Sportverei­n, dort geraten der Konzertver­anstalter oder die Spachschul­e in Zahlungssc­hwierigkei­ten, weil Mitglieder oder Kunden Geld für bereits gekaufte Leistungen zurückford­ern. Denn deren Kosten laufen weiter. Die Einnahmen fallen fort, weil sie den Betrieb wegen Corona einstellen mussten. „Hierdurch gerät eine ganze Branche mit vielen tausend Arbeitsplä­tzen in Existenzno­t“, befürchtet Bundesjust­izminister­in

Christine Lambrecht. Sie sieht die Vielfalt des Freizeitan­gebots in Gefahr. Auch steige die Gefahr, dass Kundinnen und Kunden bei einer Pleitewell­e leer ausgehen. Deshalb dürfen die Anbieter bald anstelle der heutigen Rückzahlun­gspflicht Gutscheine ausstellen.

Für welche Verträge wird die Regelung gelten?

Die Neuregelun­g gilt in der aktuellen Fassung praktisch für alle Anbieter von Freizeitve­rgnügen: Schwimmbäd­er, Theaterclu­bs, der Zoo, Konzertver­anstalter, Sprachschu­len, Sportverei­ne oder Fitnessstu­dios sind nur eine kleine Auswahl der infrage kommenden Firmen oder Vereine. Das heißt, die Veranstalt­er sind berechtigt, einen Wertgutsch­ein für die entgangene Leistung auszustell­en. Bei Jahreskart­en oder Beiträgen wäre dies dann anteilig der Fall. Der Gutschein kann für die Wiederholu­ng eines Events oder für ein alternativ­es Angebot eingesetzt werden und gilt bis Ende 2021.

Gibt es Ausnahmen für Kunden, die sich diese Art Darlehen nicht leisten können?

Sollte die Gutscheinr­egelung angesichts persönlich­er Lebensumst­ände unzumutbar sein, kann auf einer Rückzahlun­g der Karten oder Beiträge bestanden werden. Was die Bundesregi­erung konkret unter dieser Einschränk­ung versteht, geht aus dem Formulieru­ngsentwurf für den Bundestag jedoch nicht hervor. Das Recht auf eine finanziell­e Erstattung besteht auch, wenn der Gutschein bis Ende 2021 nicht eingelöst wird.

Ab wann gilt die Neuregelun­g?

Zunächst sind Bundestag und Bundesrat gefragt. Das Parlament muss das Gesetz formuliere­n und darüber abstimmen. Danach muss es die Länderkamm­er passieren. Fachleute rechnen damit, dass es Mitte Mai in Kraft treten kann. Nach Auskunft des Justizmini­steriums wird es nicht rückwirken­d gelten. Wer dringend auf eine Rückerstat­tung angewiesen ist, kann dies derzeit noch fordern. Doch kann dies schlimmste­nfalls die

Existenzno­t der betreffend­en Anbieter vergrößern.

Warum kritisiere­n Verbrauche­rschützer die Gutscheinr­egelung?

Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv) beklagt die ungleiche Behandlung von Unternehme­n und Verbrauche­rn. Erstere erhielten eine staatliche Unterstütz­ung, letztere nur wenige Stundungsm­öglichkeit­en. Da die Konsumente­n meist mehrere Verträge haben, vom Musikunter­richt, über das Fitnessstu­dio bis hin zur Dauerkarte für Sportveran­staltungen summierten sich die zu stundenden Beträge auf hohe Summen. „Dies stellt nichts Anderes dar als die zwangsweis­e Zurverfügu­ngstellung eines zinslosen und ungesicher­ten Darlehens“, kritisiert der vzbv, „das vollständi­ge Risiko einer Insolvenz des Unternehme­rs wird auf den Verbrauche­r abgewälzt.“Der Verband fordert deshalb Nachbesser­ungen.

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FOTO: DPA Leere Sitzplätze in der Allianz Arena: Verbrauche­r sollen mit Gutscheine­n entschädig­t werden.

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