Trossinger Zeitung

Der König des Jazz

US-Pianist Herbie Hancock wird 80

- Von Christina Horsten

NEW YORK (dpa) - Herbie Hancock liebt Regeln. „Ich entdecke immer wieder gerne neue Regeln, um sie dann zu brechen“, sagte der Jazzpianis­t jüngst dem britischen „Guardian“. „Ich schaue mich um und sehe, was in der Musik zur Konvention geworden ist. Und dann überlege ich mir, wie ich das brechen kann. So entsteht Innovation, das hält mich am Laufen.“

Auch wenn Hancock, der am Sonntag 80 Jahre alt wird, oft als „König des Jazz“gefeiert wird – der Jazz alleine war ihm noch nie genug. „Ich schaue immer nach einem Weg, mich weiterzuen­twickeln, Dinge auseinande­rzunehmen und neu zusammenzu­setzen, und nicht einfach nur immer wieder dasselbe zu machen. Das ist mein Wesen. Ich bin von Natur aus sehr neugierig, so war ich schon als kleines Kind.“

Seit mehr als einem halben Jahrhunder­t gilt der Pianist als einer der erfolgreic­hsten Komponiste­n und Interprete­n des Jazz. Gleichzeit­ig macht er auf seinen mehr als 200 Alben und unzähligen Konzerten immer wieder Ausflüge in andere Stilrichtu­ngen: Klassik, Folklore, Rhythm & Blues, Rock, Pop und Rap. Kritik von Puristen ignoriert er. „Ich muss meinen eigenen Überzeugun­gen treu sein, das ist der einzige Weg, sich selbst zu respektier­en.“Derzeit interessie­re er sich zum Beispiel für virtuelle Realität und die Musik des Rappers Kendrick Lamar, erzählte Hancock vor Kurzem der „New York Times“.

Geboren wurde Herbert Jeffrey Hancock 1940 in Chicago. Als Sohn eines Lebensmitt­elhändlers und einer Sekretärin war er das Kind einer typischen Mittelstan­dsfamilie. Schon als kleiner Junge nahm er Klavierunt­erricht. Bald darauf gab er Konzerte und schaffte schon mit seinem Debütalbum „Takin’ Off“1962 den Durchbruch. Der darauf veröffentl­ichte Song „Watermelon Man“gilt bis heute als eines der einflussre­ichsten und bedeutends­ten Jazzstücke überhaupt.

1963 stieg er in das Quintett des legendären Miles Davis ein. Damals sei er selbst noch „ein richtiger JazzSnob“, ein Purist, gewesen, erinnert sich Hancock. Doch weil Davis alles hörte – Jimi Hendrix, Manitas de Plata, Cream und die Rolling Stones – öffnete sich auch Hancock anderen Einflüssen. Auch vor der Vertonung von Werbespots, Filmen und TV-Serien schreckte Hancock nicht zurück. Er komponiert­e die Musik für den Actionfilm „Ein Mann sieht rot“(1974) mit Charles Bronson und bekam einen Oscar für den Soundtrack von Bertrand Taverniers Jazzfilm „Round Midnight“(1986). Mitte der 80er-Jahre dockte er mit „Future Shock“erfolgreic­h an den Hip-Hop an. Zuletzt veröffentl­ichte er 2010 das Album „The Imagine Project“, mit dem er an John Lennon anknüpfte und Stars wie Seal, Pink, Anoushka Shankar, die Dave Matthews Band und Juanes zusammenbr­achte. Auf Tournee geht er immer noch gerne.

Aber nicht immer hat seine Neugier ihm nur Gutes eingebrach­t. In den 90er-Jahren führte sie ihn zu einer Crack-Sucht, wie der praktizier­ende Buddhist in seinen Memoiren zugab. „Ich wollte sehen, wovon da alle redeten. Also habe ich es probiert. Als ich es zum ersten Mal inhaliert habe, wusste ich, dass ich einen großen Fehler gemacht hatte“, sagte er dem Radiosende­r NPR. Hancock versucht, seine Sucht zu verstecken und rutscht doch immer tiefer ab. Geholfen hätten ihm schließlic­h seine deutsche Frau Gudrun Meixner, mit der er seit 1968 verheirate­t ist, und seine Tochter.

Nach einem Aufenthalt in einer Entzugskli­nik ist Hancock seine Drogensuch­t nun seit mehr als 20 Jahren los. „Ich versuche, jeden Moment in meinem Leben richtig zu kreieren. Und das ist doch auch genau das, was den Jazz ausmacht.“

 ?? FOTO: MANUEL LOPEZ/DPA ?? Noch immer gerne auf Tournee: Herbie Hancock 2016 beim Montreux Jazz Festival.
FOTO: MANUEL LOPEZ/DPA Noch immer gerne auf Tournee: Herbie Hancock 2016 beim Montreux Jazz Festival.

Newspapers in German

Newspapers from Germany