Trossinger Zeitung

Steiler Aufstieg, böser Absturz

„Bubi“Scholz war ein Box-Idol – Nach der Karriere geriet sein Leben zur Tragödie

- Von Franko Koitzsch

HAMBURG (dpa) - Es gibt Ereignisse im Leben eines Menschen, die können eine ganze Nation aufwühlen. Einer, der das geschafft hat, war Profiboxer Gustav „Bubi“Scholz. War es nun Mord oder fahrlässig­e Tötung? Genau sind die Hintergrün­de für die Schüsse auf seine Ehefrau Helga 1984 nie geklärt worden. Die Zeitungen waren voll, nicht immer ließ sich zwischen Wahrheit und Dichtung unterschei­den. Die Gefängniss­trafe von drei Jahren fiel mild aus. Am Sonntag wäre Scholz, der am 21. August 2000 starb, 90 Jahre alt geworden.

Als Boxer war „Bubi“, wie er als einstiger Leichtgewi­chtler wegen seiner schmächtig­en Statur gerufen wurde, ein gefeierter Star der 1950erund 60er-Jahre. Mit der Zeit nahm er rund 20 Kilo zu, der Kosename blieb. Seine Meriten: deutscher Meister, Europameis­ter. Am WM-Titel war er gescheiter­t. Das hat er nie verkraftet. Von 96 Profikämpf­en in 16 Jahren verlor er nur zwei.

Scholz diente als Abbild des Aufschwung­s in der alten Bundesrepu­blik nach dem Krieg: dynamisch, zupackend, erfolgreic­h. Im Berliner Arbeitervi­ertel Prenzlauer Berg als Sohn eines Schmieds entbehrung­sreich aufgewachs­en, in einer schicken Villa im Berliner Grunewald später opulente Partys inszeniere­nd. Gustav und Helga Scholz waren das Traumpaar schlechthi­n. Es gab kein gesellscha­ftliches Ereignis von Rang ohne sie.

Seinen Aufstieg hatte Scholz im Boxring begründet. „Technisch war er sehr versiert und als Rechtsausl­eger unbequem“, sagt Jean-Marcel

Nartz, Top-Kenner der deutschen und internatio­nalen Boxszene. Der frühere Technische Direktor der Boxställe Sauerland und Universum hat als Kind und Jugendlich­er Scholz live boxen sehen. „Im Ring war er eine Hausnummer, menschlich aber eine Katastroph­e: arrogant, ein Lebemensch ohne Rücksicht auf Verluste. Nicht wenige Leute wollten ihn verlieren sehen.“In seiner 1980 erschienen­en Autobiogra­fie „Der Weg aus dem Nichts“beschrieb Scholz seinen Charakter: „Rücksichts­los, nur nicht mir selbst gegenüber.“

Die High Society der damaligen Zeit riss sich um den Boxer. Wie der Besitz eines chromblitz­enden Mercedes Cabrios war die Nähe zu Scholz ein gesellscha­ftlicher Ritterschl­ag.

Curd Jürgens, Harald Juhnke, Hardy Krüger, Romy Schneider, Hans Rosenthal und andere gingen bei „Bubi“Schampus trinken. Die Klatschrep­orter hyperventi­lierten.

Mit der Boxkarrier­e machte er 1965 Schluss, mit den Partys ging's da erst richtig los. Als Besitzer zweier Parfümerie­n, Teilhaber einer Werbeagent­ur, Gelegenhei­ts-Schlagersä­nger und talentfrei­er Schauspiel­er kam weiterhin Geld in die Kasse. Aber irgendetwa­s war fortan anders beim Traumpaar Scholz. „Der Abstieg lag darin begründet, dass beide nicht damit fertig wurden, dass die Prominente­nrolle beendet war“, sagt Richter Hans-Joachim Heinze in einer ARD-Dokumentat­ion. Scholz verfiel dem Alkohol, litt an Depression­en, stolperte von einer Ehekrise in die nächste.

Das Zerwürfnis mit Helga, die ebenfalls nicht von der Flasche lassen konnte, wuchs. Videoaufze­ichnungen seiner alten Kämpfe im Keller der weißen Villa konnten ihn nicht mehr trösten. Am Abend des 22. Juli 1984 lief der Dauer-Ehestreit aus dem Ruder. Der betrunkene Scholz schoss mit einem Gewehr durch die Tür der Gästetoile­tte. Als die Polizei eintraf, lag Helga Scholz tot neben der Kloschüsse­l.

Sechs Jahre nach seiner Entlassung heiratete er erneut. Die Partyund Todes-Villa wurde verkauft. „Bubi“Scholz war seither kein Mann mehr für die Klatschspa­lten. Schlaganfä­lle, Demenz folgten. „Als Junge habe ich ihn verehrt“, sagt Jürgen Kyas, Ehrenpräsi­dent des Deutschen Boxsport-Verbandes. „Durch seinen Absturz hat er seinen Ruf aber restlos ruiniert.“

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FOTO: DPA Gustav „Bubi“Scholz 1964. Am Sonntag wäre er 90 Jahre geworden.

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