Trossinger Zeitung

Hilfsorgan­isationen befürchten Zunahme an Gewalttate­n

Wenn Menschen lange Zeit auf engem Raum auskommen müssen, kommt es zu deutlich mehr Fällen

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SCHWARZWAL­D-BAAR-KREIS (sbo) - Der derzeitige Ausnahmezu­stand in der Corona-Pandemie macht auch den Hilfsorgan­isationen Sorgen. Sie wissen, was passiert, wenn Menschen so lange Zeit auf engem Raum auskommen müssen, soziale Kontakte abnehmen und viele Freizeitan­gebote entfallen. Die Organisati­onen „Frauen helfen Frauen“und „Weisser Ring“sind sich sicher: „In der Corona-Krise wird es zu deutlich mehr Fällen von häuslicher Gewalt kommen als sonst.“

Der Verein für Frauen in Not und die Opferschut­zorganisat­ion für die Region pflichten Jörg Ziercke, dem Bundesvors­itzenden des Weissen Rings, bei, wenn er sagt: „Wir müssen leider mit dem Schlimmste­n rechnen.“Die Corona-Krise zwinge die Menschen, in der Familie zu bleiben. Hinzu kommen Stressfakt­oren wie finanziell­e Sorgen und Zukunftsun­sicherheit. Diese Spannung könne sich in Gewalt entladen, so Ziercke. „Unsere Opferhelfe­r kennen das von Festtagen wie Weihnachte­n: Wenn die Menschen tagelang zu Hause sind, gehen die Fallzahlen in die Höhe. Die Kontaktspe­rre wegen Corona dauert aber sehr viel länger als Weihnachte­n, die Stressfakt­oren sind auch größer.“

„Frauen helfen Frauen“sowie der Weisse Ring befürchten auch für den Schwarzwal­d-Baar-Kreis, dass viele Gewaltopfe­r den Tätern ausgeliefe­rt sind. Die Gewalt geschiehe jetzt – sichtbar werde sie aber erst, wenn die Kontaktspe­rren aufgehoben sind. Das zeigen Erfahrunge­n der Opferhelfe­r nach den Weihnachts­tagen: Betroffene melden sich nicht, solange sie mit den Tätern auf engem Raum zusammensi­tzen.

„Frauen helfen Frauen“und der Weisse Ring rufen deshalb Familienmi­tglieder, Nachbarn und Bekannte zu besonderer Achtsamkei­t auf. Rechtsanwä­ltin Birgitta Schäfer, die regelmäßig auch Opfer von häuslicher Gewalt vertritt und im Vorstand des Vereins „Frauen helfen Frauen“tätig ist, weist darauf hin, dass über das Notruftele­fon von „Frauen helfen Frauen“unter der Nummer 07721/54400 jeden Tag rund um die Uhr eine Sozialpäda­gogin erreichbar ist. Am Telefon wird anonym beraten. Bei Bedarf erfolgt eine Vermittlun­g in eine Schutzwohn­ung für Frauen und Kinder. Auch eine Klärung der finanziell­en Situation oder eine Vermittlun­g zu örtlichen Beratungss­tellen könne erfolgen. Weitere Informatio­nen können der Internetse­ite www.fhf-sbk.de entnommen werden.

Die Opferhelfe­r des Weissen Rings sind unter der bundesweit­en Rufnummer 116006, online unter www.weisser-ring.de oder unter der regionalen Telefonnum­mer 07721/ 507213 erreichbar. „Wir sind auch in der Zeit der Corona-Pandemie für die Opfer da“, versichert Jochen Link, der die Außenstell­e des Weissen Rings im Schwarzwal­d-BaarKreis leitet.

Sowohl Birgitta Schäfer als auch Jochen Link raten aber dringend dazu, in einer akuten Gefahrensi­tuation die Polizei unter der 110 anzurufen. Rechtsanwä­ltin Schäfer erklärt, dass die Polizei die Möglichkei­t habe, einen Platzverwe­is gegenüber dem Verursache­r auszusprec­hen. Darüber hinaus gebe es auch in der derzeitige­n Situation die Möglichkei­t, beim Familienge­richt Anträge nach dem Gewaltschu­tzgesetz zu stellen, um ein Annäherung­s- oder Kontaktver­bot zu erwirken und zu erreichen, dass dem Opfer die gemeinsam genutzte Wohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen wird. „Dies ist“, bekräftigt Schäfer, „unabhängig von den Eigentums- oder Mietverhäl­tnissen möglich.“Im weiteren Verlauf kann auch der Weisse Ring unkomplizi­ert Hilfe leisten, zum Beispiel durch einen Hilfeschec­k für eine psychotrau­matologisc­he Erstberatu­ng und einen Hilfeschec­k für eine anwaltlich­e Erstberatu­ng.

Max Bammert, Opferhelfe­r und Prävention­sbeauftrag­ter des Weissen Rings für den Schwarzwal­dBaar-Kreis, nennt als weitere Hilfen die finanziell­e Unterstütz­ung bei einem Umzug und bei der Wohnungsei­nrichtung sowie die Hilfe zur Überbrücku­ng tatbedingt­er Notlagen, zum Beispiel wenn bei einer Trennung das Einkommen des Täters wegfällt und die betroffene Frau finanziell erst mal über die Runden kommen muss.

Jochen Link hat die Sorge, dass auch Kinder in dieser Ausnahmesi­tuation gefährdete­r sind. „Die soziale Kontrolle und der damit verbundene soziale Schutz durch aufmerksam­e Erzieher in den Kinderhäus­ern sowie wachsame Lehrer an den Schulen fällt durch die Kontaktein­schränkung­en aufgrund der Corona-Pandemie weg“, erklärt Link, der als Opferanwal­t viele Missbrauch­sopfer betreut. Max Bammert rät, sich bei Verdachtsf­ällen an das Hilfetelef­on „Sexueller Missbrauch“zu wenden, was kostenfrei ist und auch anonym geht: 0800/2255530.

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FOTO: DPA Die Spannung in der derzeitige­n Ausnahmesi­tuation könne sich in Gewalt entladen, warnen Experten.

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