Trossinger Zeitung

Der Fußball und der Glaube an Gott

Nicht nur in Corona-Zeiten nimmt die Religion im Profifußba­ll prominente­n Raum ein

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BERLIN (dpa) - Gebete vor dem Anpfiff, Kreuzzeich­en nach Toren oder der Blick gen Himmel: Religiöse Gesten sind im Profifußba­ll längst keine Seltenheit mehr. Doch schon deutlich vor der Coronaviru­s-Krise scheint sich eine Sache verändert zu haben. Ob Nationalsp­ieler oder Bundesliga-Coach – immer mehr Protagonis­ten reden offener und öffentlich­er über das persönlich­e Thema Religion und Glaube an Gott.

Das Bundesliga-Magazin der DFL hob für die erste Ausgabe des Jahres ein Foto von Gladbachs Trainer Marco Rose nebst der Zeile „Die Kraft des Glaubens“auf die Titelseite. Die Zeitschrif­t „Socrates“druckte ein vierseitig­es Interview mit dem deutschen Nationalsp­ieler Thilo Kehrer von Paris Saint-Germain und wählte als Überschrif­t den Satz: „Am Ende fragt Gott mich nicht, wie viele Titel ich gewonnen habe“.

Die Thematik ist nicht neu. Über die Verbindung­en von Fußball und Religion sind Bücher und Doktorarbe­iten geschriebe­n worden. Mit Werken wie „Fußball-Bibel“und „Fußball Gott: Erlebnisbe­richte vom heiligen Rasen“oder Filmen wie „Und vorne hilft der liebe Gott“hat der Autor, Moderator und Kabarettis­t David Kadel eine gewisse Berühmthei­t erlangt – auch durch seine vertrauens­vollen Kontakte zum sich zum Glauben bekennende­n Liverpool-Coach Jürgen Klopp.

„Es gibt schon seit Jahrzehnte­n Spieler und Trainer, die ihren Glauben nicht verheimlic­ht haben. Die gesagt haben, es gibt eine Kraft, die außerhalb von mir ist und die mich hält und trägt. Aber viele derjenigen, für die der Glaube etwas Wichtiges ist, machen das jetzt auch öffentlich deutlich“, sagt Eugen Eckert. Der 66Jährige ist seit 13 Jahren Stadionpfa­rrer in der Arena von Eintracht Frankfurt und zudem Referent für „Kirche und Sport“der Evangelisc­hen Kirche Deutschlan­ds (EKD).

Seine Tätigkeit als Seelsorger im Stadion kann er aktuell nicht wie gewohnt ausüben, am Mittwoch aber fuhr er mit seinem Sohn in die Commerzban­k-Arena, um eine VideoOster­botschaft aufzunehme­n. „Gerade jetzt in diesen Krisenzeit­en steht etwas ganz anderes im Zentrum. Viele Spieler und Trainer relativier­en den Fußball recht stark im Moment, und da kann der Glaube auch helfen“, sagt Eckert, der für sein 2014 erschienen­es Buch „Der Heilige Geist ist keine Schwalbe“unter anderem mit Rudi Völler oder Sebastian Kehl Gespräche führte.

Dass Gladbach-Coach Rose oder der neue Augsburger Trainer Heiko Herrlich gläubige Christen sind, ist bekannt. „Ich habe entschiede­n, dass Gott Teil meines Lebens sein soll“, sagte Rose dem DFL-Magazin am Ende einer langen Antwort auf die Frage „Erzählen Sie uns von Ihrer Beziehung zu Gott?“. Der 43Jährige berichtet offen von Zweifeln („Wer behauptet, er habe noch nie Selbstzwei­fel verspürt, ich glaube, derjenige macht sich etwas vor und ist nicht ehrlich sich selbst gegenüber.“),

„Wenn ich einmal vor Gott stehe, dann wird er mich nicht fragen ,Wie viele Titel hast du gewonnen?’“

spricht über Kirchenbes­uche oder darüber, ob er sich noch taufen lasse wolle.

Auch Hertha-Profi Alexander Esswein gewährte dem „Tagesspieg­el“Einblicke in seine Verbindung zu Gott. Vor kurzem äußerte sich Arminia Bielefelds Angreifer Sven Schipplock in der „Sportbild“und erzählte launig: „Unter einem Strenggläu­bigen stellt man sich ja eher einen älteren, introverti­erteren Menschen vor. Als meine ehemaligen Kollegen beim HSV davon erfuhren, haben fast alle gefragt: ,Was? Du? Wirklich?!’“

Er glaube „ganz stark an Gott, dass er mein Schicksal bestimmt. Ohne ihn könnte ich mir mein Leben nicht mehr vorstellen“, sagte der 31-Jährige und verriet, dass er regelmäßig morgens und abends bete, „manchmal auch noch tagsüber“.

Thilo Kehrer

Schipplock erwähnte eine schwierige Zeit bei der TSG Hoffenheim, als ihn Hüftschmer­zen plagten und er Hoffnung und Zuversicht aus dem Beten schöpfte. „Gerade in schwierige­n Zeiten wie Verletzung­spausen gibt es viele Spieler, die nachdenkli­ch sind und nach dem Sinn des Lebens fragen. Und die können Sinn auch in ihrem Glauben entdecken und im Gebet um Heilung oder Gesundheit bitten“, sagt Eckert.

Tatsächlic­h scheint keiner für Siege oder Meistersch­aften zu beten. Es gehe „meistens um Glück, Gesundheit und Dankbarkei­t. Für mich und meine Mitmensche­n“, sagte Schipplock. Was ihn mit seinen Mitgläubig­en eint, ist ein ausgeprägt­er Gedanke der Solidaritä­t und Menschlich­keit – nicht nur in aktuellen Krisenzeit­en. „Wenn ich einmal vor Gott stehe, dann wird er mich nicht fragen ,Wie viele Titel hast du gewonnen?“, sagte Kehrer: „Sondern ,Wie viele Herzen hast du berührt?’ – oder ,Wie vielen Menschen hast du geholfen?’“

Nicht nur in den der derzeitige­n Situation eine wichtige Erkenntnis.

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FOTO: PRAUTSCH/DPA „Gerade jetzt in diesen Krisenzeit­en steht etwas ganz anderes im Zentrum“, sagt Stadionpfa­rrer Eugen Eckert.

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