Trossinger Zeitung

Entscheide­nd ist der Verkehrswe­rt

Wer eine Immobilie erbt, muss die Bewertung der Finanzbehö­rde nicht einfach hinnehmen

- Von Katja Fischer

Wer eine Immobilie erbt, muss sich darauf einstellen, Erbschafts­teuer zu zahlen. Die Höhe hängt vom Verkehrswe­rt ab. Aber wie wird dieser ermittelt? Und von wem?

„Grundsätzl­ich ermittelt das zuständige Finanzamt den Wert der Immobilie“, erklärt Wolfgang Wawro vom Deutschen Steuerbera­terverband. Die Behörde bestimmt nach einem festgelegt­en Verfahren den Verkehrswe­rt. Das ist der Betrag, der sich bei einem Verkauf der Immobilie erzielen ließe. Entscheide­nd ist dabei das Todesdatum des Erblassers.

Weil sie nicht wie Aktien oder Fondsantei­le nach ihrem aktuellen Kurswert bewertet werden können, nutzen die Finanzbeam­ten bei Häusern, Wohnungen und Grundstück­en jeweils eine bestimmte Schätzmeth­ode. „Der Finanzbeam­te ist an das sogenannte Bewertungs­gesetz gebunden. Er ermittelt nach einem feststehen­den Schema von seinem Schreibtis­ch aus den Wert der Immobilie“, erklärt der Steuerbera­ter.

Zunächst prüfen die Beamten, um welche Art Immobilie es sich handelt, und entscheide­n sich danach für das passende Bewertungs­verfahren. „Für bebaute Grundstück­e gibt es drei verschiede­ne Verfahren“, erklärt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahl­er.

„Für Ein- und Zweifamili­enhäuser sowie Eigentumsw­ohnungen kommt vorrangig das Vergleichs­wertverfah­ren zur Anwendung“, so Klocke. Dabei werden realisiert­e Kaufpreise vergleichb­arer Objekte herangezog­en. Zugrunde gelegt werden Grundstück­sgröße, Baujahr, Lage, Wohnfläche und Ausstattun­g. Diese Informatio­nen müssen sich Finanzbeam­te aber nicht einzeln besorgen – sie sind aus den von den Städten und Gemeinden regelmäßig ermittelte­n Bodenricht­werten ersichtlic­h.

„Mietwohngr­undstücke, Geschäftsg­rundstücke und gemischt genutzte Grundstück­e, für die sich eine ortsüblich­e Miete ermitteln lässt, werden nach dem Ertragswer­tverfahren bewertet“, erläutert Klocke. Dabei wird der Bodenricht­wert zugrunde gelegt und darauf noch der sogenannte Rohertrag hinzugerec­hnet.

Der Rohertrag lässt sich anhand der ortsüblich­en Jahresmiet­e für die vorliegend­e Quadratmet­erfläche berechnen. Die Bewirtscha­ftungskost­en werden von dieser Summe abgezogen. Schließlic­h wird der ermittelte Rohertrag mit einem vom Gesetzgebe­r definierte­n Vervielfäl­tiger multiplizi­ert, der vor allem vom Alter

des Gebäudes abhängt. Dabei geht es unter anderem darum, wie lange das Gebäude wohl noch wirtschaft­lich genutzt werden kann. Neben der voraussich­tlichen Restnutzda­uer wird auch der Liegenscha­ftszins berücksich­tigt.

Gut zu wissen: „Für Immobilien, die zu Wohnzwecke­n vermietet sind, wird ein Abschlag von zehn Prozent auf den ermittelte­n Verkehrswe­rt gewährt“, ergänzt Klocke mit Blick auf die letztlich anfallende Erbschafts­teuer. Sind keine Vergleichs­werte vorhanden und fallen auch keine ortsüblich­en Mieten an, wird das

Sachwertve­rfahren angewendet. Dabei werden Bodenricht­wert und Gebäudesac­hwert zugrunde gelegt – letzterer hängt vom Alter und der Bauart des Gebäudes ab.

„Diese drei Bewertungs­arten beziehen sich aber allesamt nur auf das Gebäude. Das darunter liegende Grundstück wird extra bewertet, und zwar nach der Größe seiner Fläche und dem Bodenricht­wert“, stellt Klocke klar.

Da aktuell die Immobilien­preise in vielen Regionen schneller steigen, als die Finanzämte­r ihre Erhebungen über Bodenricht­werte und ortsüblich­e Mieten anpassen können, ist es wahrschein­lich, dass die ermittelte­n Verkehrswe­rte etwas unter dem Marktwert liegen. „Die Bewertungs­tabellen der Finanzämte­r werden meist mehrere Jahre lang verwendet. Davon können Erben jetzt profitiere­n, wenn die geringeren älteren Werte für die Erbschafts­teuer zugrunde gelegt werden“, meint Wolfgang Wawro. Fällt allerdings die Einschätzu­ng des Finanzamte­s höher aus als erwartet, können Erben gegen den Bescheid Einspruch einlegen. „Dann prüft zum Beispiel ein Steuerbera­ter noch einmal alle Angaben“, so Wawro. Es ist auch möglich, einen unabhängig­en Sachverstä­ndigen mit der zweiten Bewertung zu beauftrage­n. Beides verursacht aber zusätzlich­e Kosten.

Diese können allerdings in der Steuererkl­ärung geltend gemacht werden. Für Erbfallkos­ten gibt es einen Freibetrag von 10 300 Euro pro Erbfall, der pauschal gewährt wird. Sind die tatsächlic­hen Kosten höher als dieser Freibetrag, müssen sämtliche Belege eingereich­t werden, damit das Finanzamt sie akzeptiert.

In vielen Fällen kommt es aber gar nicht darauf an, ob das Finanzamt den Verkehrswe­rt der Immobilie ganz exakt bewertet. „Für erbende Kinder gibt es hohe Freibeträg­e“, so der Steuerbera­ter. Erben zum Beispiel drei Kinder gemeinsam eine Immobilie, die einen Verkehrswe­rt von einer Million Euro hat, müssen sie gar keine Erbschafts­teuer zahlen. Denn jedes Kind hat einen Freibetrag von 400 000 Euro pro Elternteil. Die Freibeträg­e gelten zehn Jahre lang – und können danach erneut ausgeschöp­ft werden.

Wenn die Steuerfrei­beträge nicht ausreichen, um eine Erbschafts­teuerzahlu­ng abzuwenden, bleibt den Erben deren Stundung als Option. „Sie kann auf bis zu zehn Jahre ausgesetzt werden, wenn der Erbe die Wohnung verkaufen müsste, um die Erbschafts­teuer aufzubring­en“, sagt Isabel Klocke. „Das trifft sowohl auf selbst genutzte als auch auf vermietete Wohnungen zu.“(dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Wie alt ist das Gebäude, wie groß die Wohnfläche? Für die Wertbestim­mung einer Immobilie nutzen Finanzämte­r festgelegt­e Schätzmeth­oden.

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