„Ostern ist eine Frage der Körperhaltung“
Das Fest in den Spaichinger Kirchengemeinden – Pfarrer Johannes Thiemann: „Das neue Leben liegt vor uns“
SPAICHINGEN (sz) - Auch ohne öffentliche Gottesdienste haben die katholischen und evangelischen Christen in Spaichingen in den vergangenen Tagen das Osterfest begangen. Die Pfarrer der Gemeinden haben sich wieder Gedanken zu diesem Fest gemacht und sich im Kirchenblatt oder über Youtube an die Gläubigen gewandt.
Ostern war die Karwoche vorausgegangen, in der sich Christen besonders an die letzten Tage im Leben Jesu erinnern. „Nachdem er beim Einzug in Jerusalem wie ein König gefeiert wurde“, so fasst der katholische Pfarrer Robert Aubele zusammen, „trifft er sich mit dem engsten Kreis seiner Jünger, feiert mit ihnen Abendmahl, wird verraten, verurteilt und ans Kreuz geschlagen. Er stirbt, doch er bleibt nicht im Tod und ersteht zu neuem Leben.“
Die katholische Seelsorgeeinheit am Dreifaltigkeitsberg hat, wie zu jedem Osterfest, aber auch zu Weihnachten und im Herbst, ihren Gemeindebrief „Kirche aktuell“in Vollverteilung an alle Gemeindemitglieder verschickt – diesmal erstmals nicht nur in Spaichingen, sondern auch in den andere beiden Gemeinden der Seelsorgeeinheit, Balgheim und Dürbheim. Darin sind nicht nur die üblichen Informationen und die Ergebnisse der Kirchengemeinderatswahl enthalten, sondern auch Evangeliumstexte für die Feiertage sowie Liedbetrachtungen und Anregungen für zuhause. Auch in der Kirche lagen Hefte für das Feiern daheim aus. Auch Anregungen für einen privaten Emmausgang am Ostermontag sind dort zusammengefasst.
„Es scheint in diesem Jahr“, so Pfarrer Robert Aubele, „dass wir angesichts der gesellschaftlichen Einschränkungen der Corona-Krise in der Karwoche stecken bleiben.“In ganz vielen Bereichen des Lebens seien wir eingeschränkt, hätten nicht mehr die Freiheit, die wir noch vor wenigen Wochen hatten.
Hinzu komme, dass gerade diese wichtigen Tage und ihre besonderen Gottesdienste in den Kirchen nicht gefeiert werden konnten. „Es scheint, als falle Ostern aus“, so Pfarrer
Aubele. Es sei wie bei den beiden Jüngern, die nach Emmaus unterwegs sind, voller Enttäuschung und Resignation, weil sie in Jesus so viel Hoffnung gesteckt hatten. Mehr als ein „wir aber hatten gehofft“brächten sie nicht mehr raus.
„Doch Ostern fällt nicht aus“, betont Pfarrer Aubele. „Ostern fällt nie aus, weil sich in allen Karfreitagen unseres Lebens die österliche Botschaft vom Sieg des Lebens, der Freude und Hoffnung stärker erweist als Trauer, Angst und Resignation.“
„Ostern ist eine Frage der Körperhaltung“, so der evangelische Pfarrer Johannes Thiemann in seiner Osterpredigt zum Text 1. Korintherbrief 15,19-2. Er hat seine Gottesdienste am Ostersonntag und -montag wieder auf Youtube online gestellt .
Die Bibel, so macht Johannes Thiemann aufmerksam, verwendet für den Vorgang der Auferstehung die gleichen Begriffe wie für das tägliche Aufstehen. „Der Mensch wird erweckt oder wach, er steht auf. (...)
Neu aufstehen und sich neu entscheiden.“
„Die Auferstehung bestimmt mein Leben im Hier und Jetzt, verändert mein Auftreten, Handeln und Reden.“Dies wolle Paulus im Korintherbrief deutlich machen. „Denn ich erwarte jeden Tag von Neuem etwas von einem mir geschenkten Tag. Auch und vor allem in diesen so bedrückenden Zeiten“, betont Thiemann. Ostern, so Thiemann, „ist der Sieg des Lebens über den Tod. Ostern, die Auferstehung zu neuem Leben, nicht immer zu erklären, schon gar nicht zu beweisen. Aber zu spüren, zu fühlen, Leben verändernd. Neumachend. Ostern möchte uns aufwecken, herausrufen, aus unseren so kuschelig eingerichteten Sicherheiten, in erwartungsvoller Hoffnung auf ein neues Leben. Was mit Jesus geschehen ist, wird auch mit uns geschehen.“
Und damit sei eben nicht gemeint, dass unsere Verstorbenen im Weltall als Sterne weiterleben, zu denen wir in der Nacht hinaufschauen können. Ebenso wenig sei an Wiedergeburt gedacht oder ein Weiterleben der Verstorbenen in der Erinnerung. „Mit dem von Gott Auferweckten hat etwas bahnbrechend Neues begonnen. (...) Die neue Schöpfung Gottes hat begonnen, auch wenn dies von unserem Denken nicht erfasst werden kann und schon gar nicht in unser geschlossenes Weltbild passt.“
„Jesus Christus ging in den Tod und zeigt: Da kommt noch mehr“, fasst Pfarrer Thiemann zusammen. Und: „Da, wo Menschen aufstehen und aufbrechen auf der Suche nach neuem, befreitem Leben, da geschieht Auferstehung mitten im Leben. Lassen wir uns wecken, gerade in dieser bedrückenden Zeit. Stehen wir auf, für das Leben. Gegen Resignation, gegen Angst, gegen Hoffnungslosigkeit. Gegen Einsamkeit und Egoismus: Aufwachen! Aufstehen! Ostern, das neue Leben liegt vor uns.“