Schwerbehinderter Bankkunde wehrt sich gegen Kündigung
Ende der Geschäftsbeziehungen nach 50 Jahren – Kunde rätselt über die Gründe
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (sbo) - Ein halbes Jahrhundert war er Kunde bei einer Bank und dann verändert sich alles von einer Minute zur anderen: Ein schwerbehinderter Rentner erhält nicht nur die Kündigung seiner Bankkonten, seine Bemühungen um eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen scheitern. „Und das trotz der Corona-Krise und meiner Schwerbehinderung“, sagt der Rentner.
Für den 76-jährigen Doppelstädter kam die Nachricht mehr als überraschend. „Seit den 1960-er Jahren bin ich Kunde“, erklärt er im Gespäch mit unserer Zeitung die für ihn „schlimme Botschaft“.
Unverständlich sei ihm die Kündigung nicht nur, weil „die Bank keinerlei Angaben zu den Gründen“gemacht habe. Unverständlich sei der Schritt auch, weil er nicht nur ein Girokonto bei dem renommierten Geldinstitut habe, sondern auch ein „ordentliches Depot“. Was er unter ordentlich versteht? „Na ja, im sechsstelligen Bereich.“
Die aus seiner Sicht mehr als schmähliche Kündigung, die bereits kurz vor Weihnachten mit Wirkung zum Frühjahr 2020 erfolgte, ließ der gebürtige Danziger nicht auf sich sitzen. Per E-Mail und auch am Telefon habe er sich bei diversen Bankmitarbeitern gemeldet, doch die Gründe für die Kündigung habe er nicht erfahren. Was ihn noch mehr wurmt: „Auch auf meine telefonischen Anfragen bei leitenden Mitarbeitern wurden mir keine Gründe genannt“, meint er und teilte dies auch in einem seiner E-Mails an die Bank mit.
Noch kurioser erscheint ihm der Vorgang, habe man ihn doch erst vor kurzem als einen „ganz besonderen Kunden“eingestuft. Nicht nur sein Gerechtigkeitsempfinden lässt ihn auf die Barrikaden gehen. Es sei auch die derzeitige Ausnahmesituation. „Aufgrund der Corona-Krise bitte ich, die Kündigung vom 18. Dezember 2019 für den 29. Februar 2020 zurückzunehmen. Ich bin schwerbehindert und Diabetiker und gehöre damit zu einer besonderen Risikogruppe für eine Ansteckung.“Daher sei es ihm nicht zuzumuten, eine Bankfiliale zu betreten, um eine neue Bankverbindung einzugehen.
Die Bank reagierte dann zwar, aber nicht so, wie es sich der ältere Herr erhoffte: Die Kündigung bleibe erhalten, lediglich die Frist wird verlängert, auf Mitte April. Der betroffene Bankkunde empfindet dies als einen „unmenschlichen Akt“. Schwerbehindert, wie er sei (zu 80 Prozent) und durch einen Schlaganfall stark eingeschränkt, „macht mir das Schreiben einer Mail unendlich Mühe“.
Der Mann ist ehemaliger stellvertretender Pressesprecher eines großen Unternehmens. Er beruft sich auch auf entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen: Darin heiße es unter anderem, dass die Bank bei einer Kündigung die Belange des Kunden berücksichtige, argumentiert der 76-Jährige. Davon könne hier nicht die Rede sein. „Allein für diese Mail brauche ich mit nur einer
Hand fast eine Stunde“, beschreibt der alleinstehende Mann seine persönliche Lage.
Über die Gründe der Kündigung rätselt der 76-Jährige noch immer. Hat er sich vielleicht doch mal im Ton vergriffen? Na ja, sein Ton könne schon mal rau werden, räumt er ein, vor allem, wenn er sich wie in diesem Fall mehr als schofel behandelt fühle. In einer E-Mail, so gibt er zu, habe er in seinem großen Ärger einen seiner Gesprächspartner als „Armleuchter“bezeichnet und Bankmitarbeiterinnen in seinem Verdruss als „Weiber“betitelt.
Und was sagt die Pressesprecherin der betroffenen Bank zu dem Vorgang, der seit Dezember 2019 diverse Mitarbeiter beschäftigt? „Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu unseren Kundenbeziehungen. Unabhängig von einer Entbindung vom Bankgeheimnis bitten wir um Verständnis, dass wir uns auch zu diesem Einzelfall nicht äußern werden. Die Filiale hat sich vollkommen korrekt verhalten.“Die Kündigung sei form- und fristgerecht ausgesprochen worden.
„Auf Rückfrage des Kunden haben wir entgegenkommenderweise die Kündigungsfrist bereits um sechs Wochen verlängert.“Zudem wird dem Langzeit-Kunden dargelegt, dass er genügend Zeit gehabt habe, ein neues Konto bei einer anderen Bank zu eröffnen. Dies sei bei vielen Banken auch online möglich. Häufig sei es alternativ machbar, Kontoeröffnungsunterlagen zu Hause auszudrucken oder zusenden zu lassen, wovon der Rentner auch Gebrauch machte.
Die Vorwürfe des Mannes seien jedoch haltlos, heißt es abschließend in der E-Mail. Gleichzeitig wird der Doppelstädter auch dazu aufgefordert, Anrufe auf Privatanschlüssen von Mitarbeitern zu unterlassen. Doch mit diesem Schriftverkehr dürfte es damit vorbei sein.
Der Kündigungstermin nahte zwar, doch dann tauchte ein Licht am Horizont in Form einer neuen Bank auf, „die mich nur zu gerne nahm“, berichtet der ältere Herr. Unterlagen für ein neues Konto seien ihm zugestellt worden, erzählt er. Und ein netter Nachbar hätte die ausgefüllten Formulare für ihn bei der Bank eingeworfen. „Jetzt muss ich mir auch keine Sorgen mehr darüber machen, wie ich ohne Konto dagestanden wäre.“
Könnte es theoretisch jedem Bankkunden so ergehen, dass ihm ohne Angaben von Gründen die Konten gekündigt werden? Ein Rundruf in der Branche zeigt die generelle Richtung auf: Ohne Angaben von Gründen könne man einem Kunden eigentlich nicht kündigen. Vermutlich, mutmaßt eine andere Bank, hätten „Vorfälle“zu diesem Schritt geführt, sonst würde keine Bank „aus heiterem Himmel“solch einen Schritt einleiten. „Vielleicht unangemessenes Verhalten gegenüber Mitarbeitern?“
Und selbst wenn es Vorfälle gegeben hätte, sei doch eines selbstverständlich: „Eigentlich hätte man dem Kunden die Gründe für die Kündigung darstellen müssen.“