Trossinger Zeitung

„Plötzliche Verschlech­terungen sind möglich“

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RAVENSBURG - Wie wichtig ist es, dass Menschen mit der Lungenkran­kheit Covid-19 schnell behandelt werden? Wie scbädlich kann künstliche Beatmung sein? Daniel Hadrys spricht darüber mit Virologe Thomas Mertens.

Wie entscheide­nd ist der Faktor Zeit bei einer Covid-19-Erkrankung?

Covid-19 zeigt im Gegensatz zu anderen Virusinfek­tionen der Atemwege offenbar häufig einen etwas langsamere­n Krankheits­verlauf. In der Gruppe der ersten 50 Patienten aus Heinsberg, die in der Universitä­tsklinik Aachen behandelt wurden, betrug die Zeit zwischen dem Auftreten erster Symptome und der Krankenhau­saufnahme im Mittel vier Tage, in verschiede­nen Untersuchu­ngen aus China war der Zeitraum mit im Mittel vier bis acht Tage etwas länger. Die Dauer vom Symptombeg­inn bis zum Lungenvers­agen betrug im Mittel acht bis neun Tage. Spätestens bei Auftreten von Atemnot sollte eine sofortige stationäre Aufnahme dringend erwogen werden, vor allem bei Patienten mit Vorerkrank­ungen der Atmungsorg­ane, des Herzens, mit Übergewich­t und Diabetes. Es wurde mehrfach beschriebe­n, dass plötzliche Verschlech­terungen aus einer scheinbar stabilen Krankheits­situation möglich sind und auch erst später im Verlauf auftreten können.

Wie ist die Prognose bei Patienten, die künstlich beatmet werden?

In einer Serie aus New York war der Prozentsat­z Verstorben­er bei den Patienten mit mechanisch­er Beatmung mit 14,6 Prozent höher als in der Gruppe ohne mechanisch­e Beatmung (acht Prozent). Bei den Patienten, die in Aachen behandelt worden sind, ist der Unterschie­d zum Zeitpunkt der Veröffentl­ichung der Daten – noch – nicht zu erkennen. In den Veröffentl­ichungen aus China ist die Unterschei­dung häufig nicht erfolgt. Dabei muss man bedenken, dass die Notwendigk­eit einer mechanisch­en Beatmung immer Ausdruck einer schwereren Erkrankung, meist mit akutem Lungenvers­agen ist, bei der mechanisch­e Beatmung eine unumgängli­che, lebensrett­ende Maßnahme ist.

Kann eine künstliche Beatmung Schäden hervorrufe­n?

Unter dem Begriff „künstliche Beatmung“werden im allgemeine­n Sprachgebr­auch ganz unterschie­dliche Dinge zusammenge­fasst: vom selbst (spontan) atmenden Patienten, dem Sauerstoff zur Atemluft zugegeben wird, über eine Maskenbeat­mung mit erhöhter Sauerstoff­zufuhr, bis zur vollständi­g mechanisch­en Beatmung nach Intubation. Die Wahl des notwendige­n Verfahrens und die Entscheidu­ng über Eskalation­sschritte sind Aufgabe der entspreche­nd ausgebilde­ten Ärzte. Es gibt offenbar Unterschie­de bei COVID-19 im Vergleich zu anderen schweren Lungenentz­ündungen. Folgeschäd­en bei Beatmung können auftreten durch längerfris­tig zu hohe Sauerstoff­konzentrat­ionen, durch einen nötigen hohen Beatmungsd­ruck und auch durch die zusätzlich­e Kreislaufb­elastung bei mechanisch­er Beatmung. Weiter können Probleme bei der erforderli­chen „Entwöhnung“der Patienten von der mechanisch­en Beatmung auftreten. Zuletzt muss erwähnt werden, dass einige der Beatmungsm­aßnahmen mit einer vermehrten Aerosolbil­dung und damit größeren Gefährdung des Medizinisc­hen Personals einhergehe­n.

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