Trossinger Zeitung

„Der Green Deal verändert alles“

Der Unternehme­r Udo J. Vetter über den Klimaschut­z und die Rolle von Familienun­ternehmen in der EU

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RAVENSBURG - Die Corona-Krise ist das zurzeit alles dominieren­de Thema. Der Klimawande­l verschwind­et jedoch nicht, nur weil aktuell ein gefährlich­es Virus grassiert. Darauf hat jüngst noch einmal EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen aufmerksam gemacht. Von der Leyen hatte nach ihrem Amtsantrit­t im Dezember 2019 den sogenannte­n Green Deal für ein klimaneutr­ales Europa bis 2050 zur Priorität erklärt, ebenso wie die Digitalisi­erung und die geopolitis­che Rolle der EU. Bei diesen Schwerpunk­ten bleibe es – trotz Corona-Krise. Für Udo J. Vetter, den amtierende­n Präsidente­n des Verbands der europäisch­en Familienun­ternehmer, ist der Green Deal ein Hebel, mit dem Europa gestärkt werden kann – wenn er richtig umgesetzt wird. Das sagt der Unternehme­r im Gespräch mit Andreas Knoch.

Herr Vetter, Sie sind seit Ende November 2019 neuer Präsident des Verbands der europäisch­en Familienun­ternehmer. Wie kam es dazu?

Ich bin seit über zehn Jahren Vizepräsid­ent des Verbands der europäisch­en Familienun­ternehmer. Nachdem Alfonso Libano nach drei Jahren an der Spitze satzungsge­mäß ausgeschie­den ist, bin ich nachgerück­t. Das war quasi vorgezeich­net.

Wen vertritt der Verband?

Wir vertreten die Interessen der Familienun­ternehmer in Europa. Das sind zurzeit rund 10 000 Firmen mit über sechs Millionen Beschäftig­ten in 15 Ländern.

Warum die Organisati­on auf EUEbene?

Die Gesetzgebu­ng in der EU wird immer stärker von Brüssel bestimmt. Deshalb ist es wichtig, den Kontakt zur EU-Kommission zu halten, von der die Gesetzesvo­rschläge kommen. Unser Produkt ist Wissen und Erfahrung, das wir den Kommission­smitgliede­rn zur Verfügung stellen, wenn sie gewillt sind zuzuhören. Davon können im Idealfall beide Seiten profitiere­n – gerade jetzt, da Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen mit ihrem Green Deal ein Programm vorgelegt hat, das auf die nächsten Jahrzehnte enorm ins Wirtschaft­sleben eingreift. Der Green Deal verändert alles.

Welchen Einfluss hat der Verband in Brüssel?

In den vergangene­n vier Jahren war es extrem schwierig gehört zu werden. Die Kanäle unter dem ehemaligen Kommission­spräsident­en JeanClaude Juncker waren für uns Familienun­ternehmer quasi zu. Es gab kaum Kontakt. Unter Frau von der Leyen sieht das ganz anders aus.

Was macht Sie da so optimistis­ch?

Frau von der Leyen spricht viel von verantwort­lichem Kapital, das sie vor allem in den Familienun­ternehmen verortet. Familienun­ternehmer leben das über Jahrzehnte vor, sie denken in Generation­en und stehen für nachhaltig­es Wachstum. Das ist auch der Kern des Green Deal. Es geht nicht darum, alles disruptiv zu zerstören.

Klimaaktiv­isten dürften das nicht so sehen. Ihnen zufolge drängt die Zeit…

Das ist ein Aktivismus, der keine wirtschaft­liche Basis hat. Klimaaktiv­isten haben einfache Antworten für extrem komplexe Probleme.

Tragen Sie den Green Deal von Frau von der Leyen mit?

Mit dem Green Deal, so er ökonomisch fundiert umgesetzt wird, können wir Europa massiv stärken. Deshalb sollten wir diese EU-Kommission nach Kräften unterstütz­en, die richtigen Weichen zu stellen. Nur ein vereintes, starkes Europa hat eine Zukunft in einer globalen Welt. Einzelne Nationalst­aaten haben das nicht.

Was wollen Sie der EU-Kommission bei der Umsetzung des Green Deals ins Pflichtenh­eft schreiben?

Das Ziel der Klimaneutr­alität muss evolutionä­r umgesetzt werden. Und nicht disruptiv, wie es die Klimaaktiv­isten propagiere­n. Dann können wir die Zukunft nämlich nicht bezahlen. So einfach ist das. Kosten von 200 Milliarden Euro pro Jahr muss jemand verdienen. Die liegen nicht in den Schatzkamm­ern der Kommission. Der Green Deal muss ökonomisch ausbalanci­ert sein.

Was noch?

Wir brauchen einen starken Binnenmark­t.

Themen wie die Ausbildung, die Anerkennun­g von Abschlüsse­n, oder Industrien­ormen müssen vereinheit­licht werden. In diesem Punkt sind wir aktuell vielleicht bei 40 Prozent. Und wir brauchen ein Einverstän­dnis darüber, wie wir uns als Europäer in der Welt positionie­ren wollen, um nicht in einer Sandwichpo­sition zwischen den USA und China zerrieben zu werden.

Wie sieht denn der Tag eines Udo Vetter als Präsident der europäisch­en Familienun­ternehmer aus?

Ich habe einen Stab von vier Personen, die permanent in Brüssel sind. Zudem arbeiten mir noch zwei Personen in Berlin auf Nachfrage zu. In den vergangene­n Wochen habe ich mich mit den Vertretern der 15 Landesverb­ände getroffen. Dabei ging es um die Themen und Aktivitäte­n des Verbandes und ein gegenseiti­ges Kennenlern­en. Unter dem Strich investiere ich vielleicht vier, fünf Tage pro Monat in die Verbandsar­beit.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Wasserdamp­f steigt aus Kühltürmen eines Braunkohle­kraftwerke­s: Mit dem Green Deal will die EU globaler Vorreiter beim Klimaschut­z werden.

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