„Situation ist insgesamt unbefriedigend“
Wie sich die Arbeit der Bürgermeister im Raum Trossingen in Corona-Zeiten ändert
KREIS TUTTLINGEN - Wie hat sich die Arbeit der Bürgermeister in Corona-Zeiten verändert? Öffentliche Termine fallen nahezu komplett aus – zu tun ist offenbar dennoch genug. Wir haben die Ortsoberhäupter von Trossingen, Gunningen, Talheim und Durchhausen befragt.
„Es ist ungewohnt, dass viele Sitzungen ausfallen und dadurch viele Abende frei bleiben. Das ist zwar eine gewisse Zeit lang nett, aber kein Dauerzustand“, sagt Trossingens Bürgermeister Clemens Maier. Dafür laufe die Arbeit viel stärker über E-Mail und Telefon ab. „Aber eine persönliche Gesprächssituation kann das auf Dauer nicht ersetzen.“
„Eine Aufgabe der vergangenen Wochen für uns war, die vom Land in der Corona-Verordnung vorgegebenen Regelungen in die Praxis umzusetzen und zu überwachen. Das ist Neuland und hat die Kollegen im Ordnungsamt durchaus beschäftigt.“Für diese Maßnahmen sei es „gut und wichtig“gewesen, dass sie Unterstützung aus den anderen Teilen der Verwaltung bekommen hätten. „Besonders die Unterstützung durch die Freiwillige Feuerwehr Trossingen bei Kontrollfahrten möchte ich hervorheben.“
In der Verwaltung gingen viele Aufgaben weiter wie bisher. Laufende Bauprojekte müssten betreut und weitergeplant werden, auf den Baustellen werde ja gearbeitet. „In der Finanzverwaltung schlagen nun vermehrt Anträge auf Steuerstundungen oder die Anpassung der Vorauszahlungen auf.“Das Bürgerbüro sei „eine wichtige Ansprechstation für viele Bürger, die gerade aufgrund der Corona-Krise Informationen und Hilfestellung brauchen“. Und dass viele Menschen aufgrund von Kurzarbeit Zeit für Bauarbeiten an ihren Häusern hätten, „ist im Baurechtsamt deutlich zu spüren. Die Arbeit wurde also durch die Krise insgesamt nicht weniger“, sagt Maier.
Was sich im Einzelfall verzögere, seien Projekte, „bei denen wir auf die Zusammenarbeit mit externen Büros und Planern angewiesen sind“. Vieles lasse sich virtuell einfach nicht so effektiv besprechen, wie in einer gemeinsamen Gesprächsrunde an einem Tisch. „Und auch dadurch, dass Sitzungen nicht stattfinden konnten, in denen Entscheidungen hätten getroffen werden sollen, zieht sich das ein oder andere in die Länge.“
Projekte, die vorangehen sollten, „liegen genügend bereit“, sagt der Trossinger Bürgermeister. Ein erster Schritt sei, dass die nächste geplante Gemeinderatssitzung am 27. April stattfinden werde, dies habe er am Mittwoch mit den Fraktionssprechern des Gemeinderats so vereinbart. „Wir werden in den kleinen Saal im Konzerthaus gehen, die Gemeinderäte
werden im nötigen Abstand an Einzeltischen Platz nehmen, und für alle liegt am Eingang ein Mundnaseschutz aus, sodass kein Risiko bestehen dürfte.“Dass kommunale Gremien weiter arbeiten dürften, sei ja in der Corona-Verordnung ausdrücklich so vorgesehen. „Die Tagesordnung enthält weitestgehend Entscheidungen, die aus verschiedensten Gründen nicht länger verschoben werden können.“
„Es ist sehr ruhig im Rathaus ohne Publikumsverkehr“, sagt Gunningens Bürgermeisterin Heike Ollech. Es sei über Telefon und E-Mail erreichbar, Besucher kämen allenfalls nach Absprache. Ollech und ihre beiden Mitarbeiterinnen achten darauf, „drei bis vier Meter Abstand zu halten“. Man arbeite teilweise zeitversetzt. „Wir haben Homeoffice versucht, aber das ist bei einer kleinen Verwaltung schwierig.“
Sie schaue, bei der Corona-Krise auf dem laufenden zu bleiben. „Es gibt jede Menge Informationen, von Ministerien, vom Städte- und Gemeindetag.“Dass müsse durchgearbeitet werden, „ich muss sehen, was auf Gunningen zutrifft, und was nicht“. Etwa beim Thema Wiederöffnung von Schulen und Kindergärten. Eine Schule habe Gunningen nicht, „aber ich schaue, was auf Kindergärten übertragbar ist, und überlege mit dessen Leiterin, wie wir den Neustart gestalten“.
Viel Zeit zum Abarbeiten liegen gebliebener Arbeit bleibe nicht, sagt Ollech, „weil wir mit Corona beschäftigt sind“. So überlege sie etwa, wo sich im Dorf, so es viele Infizierte gäbe, eine Quarantäne-Station aufbauen ließe. „Auch in den kleineren Gemeinden sind die Vorkehrungen die gleichen wie in großen Städten – aber man muss sich Gedanken machen im Vorfeld.“Der Austausch mit anderen Bürgermeistern, mit denen sonst regelmäßige Treffen anstehen, liefen derzeit komplett über E-Mail.
Talheims Bürgermeister Martin Hall weist auf die Informationsflut zu Corona-Verordnungen hin. „Es ist sehr viel, aber auch der Entwicklung geschuldet.“Beschlussfassungen des Gemeinderats seien schwierig: So sei eine für 20. März geplante Sitzung zunächst nicht-öffentlich vorgesehen gewesen, habe dann jedoch wegen der Versammlungseinschränkungen ganz abgesagt werden müssen. Deshalb habe er zu wichtigen Beschlüssen, etwa zu Leistungen für ein Baugebiet, eine Eilentscheidung getroffen. Keine Dauerlösung: „Man muss miteinander diskutieren, um vernünftige Entscheidungen zu treffen, und die Öffentlichkeit einbinden – das ist schwierig derzeit, deshalb ist die Situation insgesamt unbefriedigend.“
„Ich langweile mich noch nicht“, sagt der Talheimer Bürgermeister. Zwar sei sein Terminkalender „recht überschaubar“derzeit, „aber wir haben genug Projekte, die weiter anlaufen“. So die aktuelle Sanierung der Ortsdurchfahrt, wo er nach dem Rechten schaut. „Ab und zu muss man doch raus, um Dinge zu klären.“Das Rathaus sei zwar geschlossen, aber es kämen E-Mails und Anrufe. „Einiges kann ich am Telefon klären.“
„Der wichtigste Unterschied ist, dass derzeit keine Abend- und Wochenendsowie Geburtstags- und Ehejubiläums-Termine sind“, sagt Durchhausens Bürgermeister Simon Axt. „Derzeit ist es ein reiner Bürojob – aber es ist dennoch genug zu tun, weil wir die Zeit vorbereiten, wenn es wieder anläuft, zum Beispiel Entscheidungen für die derzeit ausfallenden Gemeinderatssitzungen – für wann auch immer“. Im Hintergrund werde die Abstimmung mit den örtlichen Vereinen zu ELR-Zuschüssen fürs Vereinshaus vorbereitet. Zudem gelte es zu prüfen, „was wir anders machen müssen wegen der Corona-Krise. Auch sei das ein oder andere Thema abzuarbeiten, „ich kann mir mehr Zeit nehmen für Dinge“.
Insgesamt könne er der Lage jedoch „nichts Positives abgewinnen, weil die Gesamtsituation schwierig ist“, sagt Axt. „Wenn das noch monatelang so weitergeht, müssen wir umdenken, etwa, was die Arbeit des Gemeinderats betrifft.“