Ein Anker der Stabilität
Im Nachkriegsdeutschland gab es zwei Aussagen, die sich als geflügelte Worte ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben. „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, sagte der frühere DDRStaatschef Walter Ulbricht 1961. Glatt gelogen, denn zwei Monate später stand sie. Der CDU-Sozialpolitiker Norbert Blüm prägte das zweite Bonmot. „Die Rente ist sicher“, versprach der damalige Sozialminister 1997 vor einer einschneidenden Reform der Alterssicherung. Das war nicht gelogen, wie sich in diesen Tagen wie schon in der Finanzkrise vor zehn Jahren zeigt. Für die Höhe des individuellen Anspruchs gilt der Leitsatz leider nicht.
Die aktuelle Entwicklung an den Börsen sollte all denen zu denken geben, die die gesetzliche Rente schon abgeschrieben haben und lieber auf eine kapitalgedeckte Alternative setzen würden. Ähnlich wie bei Unternehmen der Daseinsvorsorge wie der Bahn oder kommunalen Diensten erweist sich das staatliche Sozialsystem als systemrelevant. Es gibt fraglos bei diesen Einrichtungen viel zu meckern, ob es nun um die ungenügende Ausstattung der Krankenhäuser oder um die Höhe des Rentenniveaus in den kommenden Jahrzehnten geht. Doch beides sind tragende Säulen unserer Gesellschaft.
Der große Vorteil der gesetzlichen Rente ist das Umlagesystem. Da wird kein Geld an Märkten angelegt und auf eine anständige Verzinsung gesetzt. Das was an Beiträgen von den Jüngeren reinkommt, wird an die Älteren ausgezahlt. Das macht die Rente unabhängig von Kapitalmarktentwicklungen oder sogar einer möglichen Währungskrise. Dieses 1957 eingeführte Prinzip ist, wie sich zeigt, nicht nur krisensicher, sondern stabilisiert durch Kaufkraft auch die Wirtschaft. Das sollte nach der Krise niemand vergessen, sondern diese weiterentwickeln.
Derzeit ruht die Debatte um die Zukunft der Rente. Das ist eine Gelegenheit, sie danach mit dieser Erfahrung im Gedächtnis weiterzuführen, also weniger unter dem Aspekt von Wahlinteressen, sondern unter dem Blickwinkel der generationsübergreifenden Daseinsvorsorge.
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