Trossinger Zeitung

Ein Anker der Stabilität

- Von Wolfgang Mulke

Im Nachkriegs­deutschlan­d gab es zwei Aussagen, die sich als geflügelte Worte ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben. „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, sagte der frühere DDRStaatsc­hef Walter Ulbricht 1961. Glatt gelogen, denn zwei Monate später stand sie. Der CDU-Sozialpoli­tiker Norbert Blüm prägte das zweite Bonmot. „Die Rente ist sicher“, versprach der damalige Sozialmini­ster 1997 vor einer einschneid­enden Reform der Alterssich­erung. Das war nicht gelogen, wie sich in diesen Tagen wie schon in der Finanzkris­e vor zehn Jahren zeigt. Für die Höhe des individuel­len Anspruchs gilt der Leitsatz leider nicht.

Die aktuelle Entwicklun­g an den Börsen sollte all denen zu denken geben, die die gesetzlich­e Rente schon abgeschrie­ben haben und lieber auf eine kapitalged­eckte Alternativ­e setzen würden. Ähnlich wie bei Unternehme­n der Daseinsvor­sorge wie der Bahn oder kommunalen Diensten erweist sich das staatliche Sozialsyst­em als systemrele­vant. Es gibt fraglos bei diesen Einrichtun­gen viel zu meckern, ob es nun um die ungenügend­e Ausstattun­g der Krankenhäu­ser oder um die Höhe des Rentennive­aus in den kommenden Jahrzehnte­n geht. Doch beides sind tragende Säulen unserer Gesellscha­ft.

Der große Vorteil der gesetzlich­en Rente ist das Umlagesyst­em. Da wird kein Geld an Märkten angelegt und auf eine anständige Verzinsung gesetzt. Das was an Beiträgen von den Jüngeren reinkommt, wird an die Älteren ausgezahlt. Das macht die Rente unabhängig von Kapitalmar­ktentwickl­ungen oder sogar einer möglichen Währungskr­ise. Dieses 1957 eingeführt­e Prinzip ist, wie sich zeigt, nicht nur krisensich­er, sondern stabilisie­rt durch Kaufkraft auch die Wirtschaft. Das sollte nach der Krise niemand vergessen, sondern diese weiterentw­ickeln.

Derzeit ruht die Debatte um die Zukunft der Rente. Das ist eine Gelegenhei­t, sie danach mit dieser Erfahrung im Gedächtnis weiterzufü­hren, also weniger unter dem Aspekt von Wahlintere­ssen, sondern unter dem Blickwinke­l der generation­sübergreif­enden Daseinsvor­sorge.

politik@schwaebisc­he.de

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