Trossinger Zeitung

Die Rente trotzt der Krise

Ab 1. Juli gibt es deutlich höhere Bezüge – Dafür wird es im kommenden Jahr keine Erhöhung geben

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Die Wirtschaft taumelt, die Kapitalmär­kte beben, doch die gesetzlich­e Rentenvers­icherung trotzt allen Krisen. Die rund 21 Millionen Rentner können sich sogar auf eine kräftige Erhöhung ihrer Ruhegelder ab dem 1. Juli freuen. Auf 1000 Euro Rente kommen 34,50 Euro im Westen und 42 Euro im Osten drauf, der nun auf gut 97 Prozent der Westrenten kommt. Schon im vergangene­n Jahr gab es mit gut drei Prozent einen kräftigen Zuschlag.

Damit ist nun wohl erst einmal Schluss. „Im nächsten Jahr müssen die Rentenrinn­en und Rentner voraussich­tlich mit einer Nullrunde rechnen“, befürchtet Jochen Pimpertz, Rentenfach­mann des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Diese Sorge liegt nahe, denn das Maß der jährlichen Rentenanpa­ssung hängt wesentlich von der Entwicklun­g der Löhne ab. Da jetzt schon Millionen Beschäftig­te in Kurzarbeit sind und deshalb auch weniger verdienen, sinkt die sogenannte Bruttolohn­summe vermutlich. Die führenden Forschungs­institute haben den Rückgang auf etwa 0,4 Prozent geschätzt.

Wenn die Löhne sinken, müssten die Renten theoretisc­h auch sinken. Doch Kürzungen sind gesetzlich ausgeschlo­ssen. Schlimmste­nfalls droht eine Nullrunde. Forscher Pimpertz hat vorgeschla­gen, die nun beschlosse­ne Anpassung zu strecken und den Rentnern die eine Hälfte des Zuschlags in diesem, die andere im nächsten Jahr zukommen zu lassen. Doch die Bundesregi­erung hat es jetzt anders entschiede­n.

Auch in den kommenden Jahren haben die Rentner nichts zu befürchten. Als die Bruttolöhn­e das letzte Mal zurückging­en, hat die Bundesregi­erung nicht nur Kürzungen verboten, sondern gleichzeit­ig einen sogenannte­n Nachholfak­tor eingeführt. So sollte die Rente so lange weniger steigen, bis die eigentlich fällig Kürzung ausgeglich­en worden ist. Doch dieser Faktor wurde von der Koalition wieder abgeschaff­t. Springt die Wirtschaft im kommenden Jahr wieder an und die Löhne steigen wieder, erhöht sich die Rente wieder. Laut Pimpertz hat diese Regelung sogar eine seltsame Folge. „Bei einem sinkenden Bruttoeink­ommen schießt das Rentennive­au in die Höhe“, rechnet der Wissenscha­ftler vor und fordert, den Nachholfak­tor wieder einzuführe­n.

Wie stabil das Umlageverf­ahren in der gesetzlich­en Rente in der Krise ist, zeigt auch die Kurzarbeit­erregelung. Die Arbeitnehm­er sind auch in dieser Zeit rentenvers­ichert, zahlen ihre Beiträge nur für das tatsächlic­he Gehalt. „Zusätzlich vom Arbeitgebe­r gezahlt werden Beiträge auf der Basis von 80 Prozent des Verdienste­s“, erläutert ein Sprecher der Deutschen Rentenvers­icherung (DRV). Den Effekt zeigt ein Beispiel der DRV. Ein Arbeitnehm­er verdient in Kurzarbeit mit 1500 Euro brutto die Hälfte seines üblichen Lohnes. Der innerhalb eines Jahres erworbene Rentenansp­ruch beträgt mit 24,40

Euro nur drei Euro weniger als die 29,40 Euro beim regulären Entgelt.

Besonders deutlich wird die Stabilität mit Blick auf kapitalged­eckte Alternativ­en wie die private Rentenvers­icherung oder gar Aktienfond­s. Erstere bringt derzeit kaum Zinsen, letztere stöhnen unter heftigen Kursverlus­ten. Deshalb hält nicht nur Experte Pimpertz das Umlageverf­ahren für unersetzli­ch. „Es ist in einem Risikomix ein stabiler Faktor, wenn sich die kapitalged­eckte Alterssich­erung wie im Moment in einer Schwächeph­ase befindet“, erläutert er. Doch angesichts der demographi­schen Entwicklun­g mit immer mehr Älteren und weniger Beitragsza­hlern muss das System immer wieder angepasst werden. „Die Leistungse­rwartung muss sich nach der CoronaKris­e immer auch an der Leistungsf­ähigkeit der nachfolgen­den Generation­en messen“, sagt er.

Das sieht der Wirtschaft­swissensch­aftler Gert Wagner, der auch Mitglied der Rentenkomm­ission war, ähnlich. „Es gibt in der Alterssich­erung weder bei der Gesetzlich­en Rentenvers­icherung noch bei einer kapitalged­eckten Rente ein Jahrhunder­tversprech­en“, stellt er fest. Je nach Entwicklun­g benötigte das Rentensyst­em eine gewisse Flexibilit­ät bei den Leistungen. Ob sich die Corona-Krise langfristi­g auf die Alterssich­erung auswirkt, hält er nicht für ausgemacht. „Es ist zum Beispiel nicht absehbar, ob von der aktuellen Krise in zehn Jahren noch etwas im Rentensyst­em spürbar ist“, bleibt Wagner gelassen.

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FOTO: STEPHAN SCHEUER/DPA In diesem Jahr wird das Rentennive­au noch kräftig steigen, im kommenden Jahr droht eine Nullrunde.

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