In Trippelschritten aus der Krise
Abstimmung der Produktion auf globale Lieferketten laut LBBW wichtig für Neustart
STUTTGART - Nur langsam wird es der deutschen Wirtschaft gelingen, sich aus dem Stillstand der CoronaKrise wieder herauszuarbeiten. Rückschläge sind dabei immer möglich – insbesondere, wenn es nicht gelingen sollte, die globalisierte Produktion entlang der Lieferketten genau abzustimmen. Dies ist das Fazit einer Analyse, die die Research-Abteilung der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) am Mittwoch vorgestellt hat. „Es darf kein Unternehmen auf Halde produzieren oder seine Produkte eine Zeit lang nur halb fertig bauen“, warnte Analyst Gerhard Wolf mit Blick auf einen industriellen Neustart.
Sobald die Produktion wieder läuft, wird nach seiner Überzeugung die Frage entscheidend sein, wie schnell die Nachfrage Fahrt aufnimmt. „Hierzu braucht es Zuversicht bei den Konsumenten und eine deutliche Belebung der Wirtschaftsaktivitäten, im Zweifel auch mit staatlicher Hilfe“, sagte Wolf. Um insbesondere die Automobilindustrie anzukurbeln, fordert er daher Kaufprämien, wie sie bereits während der Finanzkrise 2009 praktiziert wurden. Allerdings sollte eine zu hohe Förderung der Verbrennungsmotoren vermieden werden. Vielmehr könne die Krise auch als eine Chance genutzt werden, den Wandel zu alternativen Antrieben technologisch voranzutreiben. Wolf schlägt hier unter anderem eine schnelle Umsetzung einer Strategie für den Wasserstoffantrieb sowie den Ausbau der Ladeinfrastruktur vor.
Schließlich hängt in den Augen der Analysten alles davon ab, ob die Lockerungsmaßnahmen nicht wieder zu einem Anstieg der Neuinfizierten führen und ob die Wirtschaftstätigkeit weitgehend hochgefahren werden kann. Sofern dies gelingt, rechnen die Analysten im laufenden Jahr für Deutschland wie für das gesamte Euroland dennoch mit einem Einbruch der Konjunktur um kräftige sieben Prozent, bevor es im kommenden Jahr wieder um vier beziehungsweise fünf Prozent aufwärts gehen soll – und das alles bei einer gestiegenen Staatsverschuldung.
Auch am Aktienmarkt steht nach Einschätzung der Experten eine weitere Durststrecke bevor. Nachdem die internationalen Börsen mehr als die Hälfte ihrer Corona-bedingten Verluste wieder aufgeholt haben, sieht die LBBW ein hohes Rückschlagpotenzial. „Krisen brauchen ihre Zeit, daher sehen wir wieder mehr Ernüchterung auf uns zukommen,“sagte Analyst Rolf Schäffer. Dazu hat auch der weggebrochene Ölpreis beigetragen, der insbesondere Aktien des Energiesektors in die Tiefe gezogen hat. Langfristig erscheinen dem Experten dennoch Aktien als attraktiv. Mit Blick auf die kommenden sechs Monate aber überwiegen nach Überzeugung des Analysten die Risiken. Nicht von Ungefähr sieht LBBW Research den Deutschen Aktienindex per 30. Juni bei 8500 und erst wieder zum Jahresende bei 10 000 Punkten.