Trossinger Zeitung

Absperren und aufmachen

Baden-Württember­g passt Corona-Richtlinie an – Mit begrenzten Verkaufsfl­ächen dürfen auch große Geschäfte wieder öffnen

- Von Helena Golz und dpa

STUTTGART/BIBERACH - Es ist ein Hilferuf gewesen, aus der Verzweifel­ung geboren. Das Modehaus Friedrich Kolesch im oberschwäb­ischen Biberach ist viel zu groß. Etwa 3000 Quadratmet­er misst die Verkausflä­che und ist damit fast viermal so groß wie die Läden, die gemäß der seit Montag geltenden gelockerte­n Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie wieder öffnen dürfen. Nur Geschäften mit einer Verkaufsfl­äche von maximal 800 Quadratmet­ern war das bislang erlaubt.

Lasst mich doch einen Teil meiner Fläche absperren, ich verkaufe nur auf 800 Quadratmet­ern, lautete die Idee des Unternehme­ns. „Das wäre nur eine Krücke, aber wenigstens etwas“, sagte Friedrich Kolesch vor einer Woche der „Schwäbisch­en Zeitung“. Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) hat sich nun genau die Idee Koleschs zu eigen und die Krücke zum Gesetz gemacht. Mit einer begrenzten Verkaufsfl­äche von maximal 800 Quadratmet­ern dürfen von Donnerstag an auch große Geschäfte und Kaufhäuser in BadenWürtt­emberg wieder öffnen. Hoffmeiste­r-Kraut hat die entspreche­nde Corona-Richtlinie für den Einzelhand­el nach Angaben des SüdwestWir­tschaftsmi­nisteriums am Mittwoch geändert.

Bisher durften im Südwesten nur Geschäfte öffnen, die insgesamt nicht mehr als 800 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche haben. Größere Läden und Kaufhäuser mussten geschlosse­n bleiben, selbst wenn sie zum Beispiel mit Absperrung­en oder Stellwände­n kleiner gemacht wurden. Die Regelung hatte für viel Unverständ­nis und Unmut gesorgt, weil andere Bundesländ­er die Abgrenzung kleinerer Verkaufsfl­ächen erlaubt haben.

Zuvor hatte das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n dem Modegeschä­ft Wöhrl aus Ulm recht gegeben, das sich gegen die erzwungene Schließung gewehrt hatte. Der Laden hat eigentlich rund 7000 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche, hatte diese aber auf 800 Quadratmet­er begrenzt. „Wöhrl begrüßt den Beschluss des

Verwaltung­sgerichts Sigmaringe­n zur teilweisen Öffnung der Filiale in Ulm und hält es für einen wichtigen Beitrag zur Gleichbere­chtigung im Einzelhand­el“, sagte ein Firmenspre­cher der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die Richter fanden in der entspreche­nden Corona-Verordnung des

Landes Baden-Württember­g keinen Grund, warum das nicht möglich sein sollte. Läden mit sogenannte­n Mischsorti­menten dürften auch bestimmte Bereiche abtrennen, um den Vorschrift­en zu entspreche­n. Auch den Zweck der Verordnung – die Vermeidung von Ansteckung­en wegen überfüllte­r Innenstädt­e – sahen die Richter dadurch nicht gefährdet. Ob es insgesamt rechtswidr­ig ist, dass größere Geschäfte geschlosse­n bleiben müssen – zum Beispiel, weil das gegen das im Grundgeset­z festgelegt­e Gleichbeha­ndlungsgeb­ot verstoßen könnte –, ließen die Richter offen.

Der Baden-Württember­gische Industrieu­nd Handelskam­mertag (BWIHK) begrüßte das Urteil aus Sigmaringe­n. „Das Verwaltung­sgerichtsu­rteil Sigmaringe­n hat klar aufgezeigt, dass es eine Geschäftsö­ffnung auch für Handelsbet­riebe mit über 800 Quadratmet­er Grundverka­ufsfläche geben muss, wenn die entspreche­nden Richtlinie­n der Verkleiner­ung der Verkaufsfl­äche auf das geforderte Maß umgesetzt werden“, sagte Peter Jany, Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer Bodensee-Oberschwab­en und beim BWIHK zuständig für den Einzelhand­el. „Die IHKOrganis­ation hatte einen entspreche­nden Passus in der jüngst geänderten Landesvero­rdnung bereits Ende vergangene­r Woche im Vorfeld angeregt.“

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FOTO: HELENA GOLZ Der Inhaber des Biberacher Modehauses Kolesch, Friedrich Kolesch: Der Händler darf von Donnerstag an wieder sein Geschäft öffnen – auf 800 seiner insgesamt rund 3000 Quadratmet­er.

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