Trossinger Zeitung

Kommunion unter freiem Himmel

Ein deutscher Ordensmann kümmert sich um Roms Obdachlose – Corona zum Trotz

- Von Thomas Migge

ROM - Rund 8000 Menschen leben in Italiens Hauptstadt ohne Dach über dem Kopf. Sie sind besonders hart von den Folgen der Ausgangsbe­schränkung­en und Schließung­en infolge des Coronaviru­s betroffen. Der deutsche Ordensmann Stefan Tertünte kümmert sich trotz Ausgangsbe­schränkung­en und Infektions­gefahr um sie – und spendet, wenn es sein muss, die Kommunion auch unter freiem Himmel.

Es sind vor allem katholisch­e Organisati­onen, die sich zurzeit auf Straßen und Plätzen um Menschen kümmern, die kein Dach über dem Kopf haben. Unter den freiwillig­en Mitarbeite­rn findet sich auch ein Ordensmann aus Deutschlan­d. Der Herz-Jesu-Priester Stefan Tertünte lebt seit sieben Jahren in Rom. Der 54-Jährige stammt aus dem Ruhrgebiet und ist eigentlich Historiker des römischen Studienzen­trums der Dehonianer.

Vor fünf Jahren begann er damit, neben seiner Arbeit innerhalb seiner Gemeinscha­ft auch „auf der Straße zu dienen, sich um die zu kümmern, die hier in Rom absolut zu kurz kommen“. Gemeint sind die vielen Obdachlose­n, für die es nur einige wenige Hundert Unterkunft­smöglichke­iten in der Stadt gibt. Der Staat und die Stadt sind für diese Menschen nur wenig präsent.

„Ich habe nicht so sehr die Angst, selber infiziert zu werden, aber der Gedanke, das Virus hier in die Gemeinscha­ft der Mitbrüder hineinzutr­agen, ist ein Gedanke, der mich immer wieder, ehrlich gesagt, beunruhigt“, sagt Stefan Tertünte. Und doch geht der Ordensmann trotz Ausgangssp­erre auf die Straßen seiner Stadt, um dort als Freiwillig­er der katholisch­en Laiengemei­nschaft

Sant’ Egidio Obdachlose­n zur Seite zu stehen. Einmal pro Woche verteilt er an der Piazza Venezia, im Herzen der Altstadt, Getränke, Decken und Rucksäcke. Anschließe­nd macht er sich zu verschiede­nen Orten Roms auf, um dort mit Betroffene­n zu sprechen, ihnen zuzuhören und um ihnen die Möglichkei­t zu geben, Wünsche und Klagen vorzutrage­n.

Tertünte riskiert damit seine Gesundheit. Trotzdem will er jenen helfen, denen es mit der Ausgangssp­erre infolge von Covid-19 noch schlimmer geht als schon zuvor. „Für die Obdachlose­n ist Covid-19 eine Lebensbedr­ohung“, erklärt der Deutsche.

„Sie spüren hautnah, dass das Virus ihnen die Lebensgrun­dlagen wegnimmt.“Denn Roms Obdachlose haben es aufgrund der umfassende­n Schließung noch schwerer als sonst zu überleben. Ohne Menschen auf den Straßen gibt es keine Spenden mehr für sie. Roms Suppenküch­en sind geschlosse­n. Restaurant­s, die spätabends Essensrest­e verteilten, sind ebenfalls zu.

Bei seinen Treffen mit Obdachlose­n erlebt Stefan Tertünte erfüllende Geschichte­n. Wie etwa mit einer cirka 40-jährigen Frau, die erst seit wenigen Wochen kein Dach mehr über dem Kopf hat. Sie war anfangs nicht dazu bereit, mit dem Ordensmann zu sprechen. Erst nach einigen Wochen vertraute sie sich ihm an und bat ihn schließlic­h, die Kommunion zu erhalten. Das war aber nur unter freiem Himmel möglich, denn auch Roms Kirchen sind seit Wochen geschlosse­n.

„Einen Tag nach dieser Bitte“, berichtet Stefan Tertünte, „nahm ich die Kommunion aus dem Tabernakel unserer Gemeinscha­ft und bin zu Barbara, so heißt sie, gefahren, und wir haben dann an einem der so unnormal leeren Plätze von Rom gemeinsam die Kommunionf­eier gehalten.“

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FOTO: CECILIA FABIANO/DPA Das Coronaviru­s nimmt Obdachlose­n in Rom die Lebensgrun­dlage. Viele von ihnen sind noch mehr auf Hilfe angewiesen als vor der Krise.

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