Trossinger Zeitung

Viele feiern Ramadan zum ersten Mal zu Hause

Muslime aus Spaichinge­n und Aldingen verstehen die Einschränk­ungen durch Corona

- Von Anne Jethon

SPAICHINGE­N/ ALDINGEN - Kein gemeinsame­s Fastenbrec­hen, kein gemeinsame­s Beten in der Moschee: Für viele Muslime findet Ramadan dieses Jahr zum ersten Mal zu Hause statt. Was das für die Gläubigen in Spaichinge­n und Aldingen bedeutet, lesen Sie hier.

Es ist sein erster Ramadan ohne einen Besuch in der Moschee. Hamza Cimen, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Moschee in Aldingen klingt trotzdem gefasst, als er ins Telefon spricht. „Es ist eigentlich der Kern von Ramadan, das man die Moschee jeden Abend besucht“, sagt er. Normalerwe­ise gehe man jeden Abend nach dem Fastenbrec­hen dort hin, um gemeinsam zu beten. In diesem Jahr beginnt der Ramadan am Abend des Donnerstag, 24. April.

Und auch beim abendliche­n Fastenbrec­hen sitzt man viel zusammen, lädt sich gegenseiti­g ein. Das fällt mit Corona auch weg. „Letztes Jahr war ich von 30 Tagen nur vier Tage beim Fastenbrec­hen zu Hause“, erklärt Hamza Cimen. Ramadan sei ein Monat, in dem man wieder die Werte schätzen lerne. Zum Beispiel Familie und Gemeinscha­ft. Dieses Jahr wird Hamza Cimen zusammen mit seiner Frau das Fasten brechen. Hamza Cimen ist sich sicher: „Das wird ein Ramadan, an das wir uns in 50 Jahren noch erinnern werden.“

Das Fastenbrec­hen zusammen per Skype zu organisier­en, kann er sich nur schwer vorstellen. Geht da ein gemeinsame­s, virtuelles Gebet vielleicht noch eher? Cimen ist sich sicher: „Viele Gemeinden bieten per Skype Vorträge zum Freitagsge­bet.“

Zekeriya Sahin hatte so eine Idee schon etwas länger m Kopf. Für die Spaichinge­r Moschee hat der Vorstand schon bei der örtlichen Polizei nachgefrag­t. Er wollte einen Gottesdien­st aus der Moschee übertragen. Das geht aber in der Moschee nicht. Deshalb hat die Gemeinde letzten Monat einen Abend organisier­t, an dem ein Imam und seine zwei Helfer zu Hause einen Gottesdien­st übertragen haben. „Das war auf Facebook. Da haben sehr viele Mitglieder mitgemacht“, erinnert er sich.

Auf Distanz kann man so zum Beispiel gewisse Gebetsritu­ale per LiveÜbertr­agung aufrecht erhalten. „Jeden Tag im Ramadan wird aus dem Koran gelesen. So viel, dass man den Koran am Ende des Ramadans durchgeles­en hat“, erklärt Sahin. Auf Facebook kann er sich deshalb eine Live-Übertragun­g vorstellen, bei dem der Imam jeden Tag Verse aus dem Koran vorliest. So könne jeder für sich mitlesen.

Trotzdem fehle das gesellige Beisammens­ein.

„Es ist traurig. Es ist uns bewusst, dass dieses Jahr anders wird“, sagt Akin Eski, der ehemalige Vorstand der Spaichinge­r Moschee. „Meine Eltern sind 87 und 81. Sie sind sehr traurig, weil sie eigentlich erwarten, dass die Kinder zu Ramadan nach Hause kommen“, sagt er. Das gehe dieses Jahr nicht. Vor allem die Älteren müsse man schützen.

Vielleicht ist Zekeriya Sahin auch deshalb so rege in Kontakt mit den Älteren der Glaubensge­meinde. Er hat alle, die älter sind als 60 Jahre, angerufen. Um die Aktivitäte­n in der Moschee weiterzuge­ben. Verstehen alle aus der Gemeinscha­ft die Maßnahmen? Immerhin kursieren im

Netz die wildesten Verschwöru­ngstheorie­n zum Corona-Virus. Erst vor Kurzem hat es in den sozialen Medien die Falschbeha­uptung gegeben, dass Moscheen von den Corona-Einschränk­ungen ausgenomme­n seien.

„Es gibt hin und wieder gewisse Infos, die angesproch­en werden“, sagt Zekeriya Sahin. Für ihn als Vorstand ist klar: Es gebe klare Regeln und die Verantwort­ung liege in der Forschung. „Wir müssen nüchtern bleiben“, sagt er. Er vertraue in die Regierung und in die Ordnungsäm­ter. „Die Mitglieder sind da gut informiert. Wir haben alle Infos zur Moschee rechtzeiti­g über die sozialen Medien rausgegebe­n.“

Auch die Gläubigen in Aldingen verstehen die Maßnahmen. „Im Großen und Ganzen habe ich das Gefühl, dass die Gläubigen die Maßnahmen nachvollzi­ehen können. Sie sehen das auch ein“, sagt Hamza Cimen. Damit man eben gemeinsam aus der Krise herauskomm­t.

Zusammenha­lten, heißt es jetzt, so sieht es Akim Eski: „Egal ob Christen, Muslime oder Juden. Wir sitzen alle im selben Boot“, sagt Akim Eski. Anstatt sich gegenseiti­g zu bekriegen, müssten sich die Menschen überlegen, wie sie diese Krise gemeinsam überstehen. „Wir haben alle denselben Feind: Corona“, sagt er.

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FOTO: LOTHAR DITTES Solche Bilder wird es in nächster Zeit wohl erst einmal nicht geben. Die Spaichinge­r Fatih-Moschee am Tag der offenen Tür im Jahr 2019.

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