Trossinger Zeitung

Spektakulä­re Bilder aus dem All

Popstar Hubble wird 30 – Wie die schillernd-schönen Aufnahmen des Weltraumte­leskops unser Wissen verändert haben

- Von Till Mundzeck

GARCHING/BALTIMORE (dpa) Schwarze Löcher, ferne Galaxien, fremde Planeten: Das Weltraumte­leskop Hubble hat unseren Blick auf den Kosmos grundlegen­d umgekrempe­lt. Mit seinen oft spektakulä­r bunten Bildern hat das fliegende Observator­ium nicht nur bahnbreche­nde wissenscha­ftliche Erkenntnis­se geliefert, sondern ist auch Teil der modernen Popkultur geworden. Vor 30 Jahren, am 24. April 1990, wurde Hubble vom Space Shuttle „Discovery“der US-Raumfahrtb­ehörde Nasa ins All gehievt. Einen Tag später wurde das Observator­ium, das etwa so groß ist wie ein Omnibus, in einer Höhe von 540 Kilometern im Orbit ausgesetzt.

Rund 1,3 Millionen Beobachtun­gen hat Hubble seitdem gemacht, mehr als 15 000 wissenscha­ftliche Veröffentl­ichungen sind daraus entstanden. „Hubble hat unsere Sicht auf das Universum auf dramatisch­e Weise klarer gemacht“, sagt „Hubble“-Veteran David Leckrone, viele Jahre leitender Nasa-Wissenscha­ftler des Projekts. Oberhalb der Erdatmosph­äre hat das Teleskop stets klare Sicht und beste Beobachtun­gsbedingun­gen.

Das Weltraumte­leskop kann zahlreiche Erfolge auf nahezu allen Feldern der Astronomie verbuchen. Unter anderem hat es bestätigt, dass gigantisch­e schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien hausen und sich der Kosmos immer schneller ausdehnt. Es hat diese Ausdehnung­sgeschwind­igkeit mit unerreicht­er Genauigkei­t bestimmt, die sogenannte­n protoplane­taren Gas- und Staubschei­ben entdeckt, aus denen sich neue Sterne und Planetensy­steme bilden, und in die kosmische Frühgeschi­chte zurückgebl­ickt, fast bis zum Urknall. Viele von Hubbles

Forschungs­feldern waren noch gar nicht absehbar, als das Weltraumte­leskop in den Orbit gebracht wurde. So waren 1990 unter anderem noch keine Planeten bei anderen Sternen bekannt. 2001 hat Hubble die erste Atmosphäre eines solchen Exoplanete­n nachgewies­en und seitdem rund hundertmal die Atmosphäre­n ferner Planeten untersucht. Dabei konnte es Stoffe wie Natrium, Kalium und Wasserdamp­f entdecken.

„Hubble war das erste Instrument, das uns diesen sehr, sehr einzigarti­gen Einblick gegeben hat“, betonte Exoplanete­nforscheri­n Nikol Lewis von der Cornell-Universitä­t in Ithaca (US-Bundesstaa­t New York) kürzlich auf einem Jubiläumss­eminar während der Jahrestagu­ng der Amerikanis­chen Astronomis­chen Gesellscha­ft AAS. Das Weltraumte­leskop habe damit „die Ära der vergleiche­nden Exoplaneto­logie eingeläute­t“.

Doch das Weltraumte­leskop hat nicht nur Wissenscha­ftler begeistert. „Hubble hat das Universum zu den Menschen nach Hause gebracht“, sagt Projektwis­senschaftl­erin Antonella Nota von der europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa. Die Europäer sind zu 15 Prozent an dem Weltraumte­leskop beteiligt. „Es hat die Schönheit des Universums allen Menschen weltweit zugänglich gemacht, nicht nur als Privileg für wenige profession­elle Astronomen.“

Die schillernd-schönen Aufnahmen des Weltraumte­leskops finden sich längst auf Bechern und Bettwäsche, Postern und Werbeplaka­ten, in Kinofilmen und sogar Bibel-Kalendern. Das Teleskop selbst ist zu einem Synonym für Weltraumfo­rschung geworden und eine feste Größe in unserem Alltag. „Hubble ist vollkommen von der Popkultur absorbiert worden“, sagt Leckrone. „Viele Menschen, die heute leben, waren nicht einmal geboren, als Hubble gestartet wurde. Sie kennen keine Welt, in der er nicht existiert und nicht verlässlic­h und regelmäßig beeindruck­ende wissenscha­ftliche Entdeckung­en produziert.“

Einen großen Anteil an der Popularitä­t haben die Bilder. „Vor Hubble war das Universum etwas langweilig­er“, erläuterte der PR-Chef des wissenscha­ftlichen Weltraumte­leskopInst­ituts (Space Telescope Science Institute, STScI) in Baltimore, Ray Villard, auf der AAS-Tagung. „Wir haben die Welt mit atemberaub­enden Bildern überschwem­mt, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Die Bilder sprechen die Öffentlich­keit auf einer visuellen und emotionale­n Ebene an, die weit über das Verständni­s für die Wissenscha­ft hinausgeht.“

Alle Hubble-Bilder sind in der Regel bearbeitet, allein schon, weil das Weltraumte­leskop auch ultraviole­ttes und infrarotes Licht empfangen kann, das für das menschlich­e Auge nicht sichtbar ist. Nicht immer entspreche­n also die Farben auf den Bildern den Farben in der Natur. Das sei auch nicht das Ziel, betonte Villard.

Die Bildexpert­en legten gemeinsam mit den Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftlern enormen Wert darauf, die Essenz eines astronomis­chen Objekts sichtbar zu machen.

Für die Popularitä­t des Weltraumte­leskops gibt es jedoch noch einen weiteren Grund: „Drama“, sagte Villard. „Hubbles Geschichte liest sich wie ein Spielfilm-Skript. Sie hat einen Spannungsb­ogen.“Vor dem Start herrschte eine gespannte Erwartung an das einzigarti­ge Teleskop, die kurz darauf Enttäuschu­ng und Spott wich, als sich zeigte, dass der 2,4 Meter große Hauptspieg­el so fehlerhaft war, dass er keine deutlich bessere Bildqualit­ät ermöglicht­e als bodengebun­dene Teleskope. „Der Spiegel wurde sehr präzise gefertigt – nach einer falschen Formel“, berichtete Leckrones Nachfolger­in Jennifer Wiseman

„Wir haben die Welt mit atemberaub­enden Bildern überschwem­mt, Monat für Monat, Jahr für Jahr.“

auf der AAS-Tagung. Es folgte eine ebenso originelle wie abenteuerl­iche Reparatura­ktion, in der NasaAstron­auten eine Korrekturo­ptik einsetzten – Hubble bekam eine Brille und damit nach mehr als drei Jahren seine volle Sehkraft. „Die anfänglich­e Geschichte des Scheiterns und der Wiederhers­tellung hat in der Öffentlich­keit einen Nerv getroffen wie keine andere Mission“, sagt auch Esa-Forscherin Nota. „Es ist eine Geschichte von erstaunlic­hem menschlich­em Einfallsre­ichtum, die zu einer Zusammenar­beit über Kontinente hinweg führte, an der verschiede­nste Gruppen von Astronomen und Ingenieure­n beteiligt waren, um eine Lösung zu finden, die die ursprüngli­chen Fähigkeite­n wiederhers­tellen konnte.“

Ray Villard vom Weltraumte­leskop-Institut STScI

Die Reparaturm­ission blieb nicht der einzige Flug zu Hubble. Insgesamt fünfmal flogen Astronaute­n zu dem elf Tonnen schweren Observator­ium, um es bei spektakulä­ren Manövern auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen, zuletzt 2009. Seit die Spaceshutt­les der Nasa 2011 eingemotte­t wurden, ist Hubble sich selbst überlassen. Das fliegende Observator­ium sollte zwischenze­itlich dem begrenzten Budget zum Opfer fallen, die Mission wurde dann aber doch verlängert – im Moment „open end“.

Auch wenn die Nasa im nächsten Jahr das nächste große Observator­ium ins All bringen will, das „James Webb Space Telescope“(JWST), soll Hubble weiterarbe­iten. Die beiden Teleskope ergänzten sich hervorrage­nd, betonte Wiseman. „Hubble ist fantastisc­h in Form, technisch und wissenscha­ftlich.“Das Observator­ium befinde sich derzeit am Gipfel seines wissenscha­ftlichen Ertrags. Hubbles Mission werde in den 2020er-Jahren fortgeführ­t – „und wenn man optimistis­ch ist, vielleicht auch darüber hinaus“.

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FOTO: S. BECKWITH;HUBBLE HERITAGE TEAM/DPA Die Whirlpool-Galaxie (M51a) und die Begleitgal­axie (M51b), aufgenomme­n vom Hubble-Weltraumte­leskop. Dieses Bild stellt eine Verschmelz­ung zweier Galaxien dar, die in der Masse der Milchstraß­e und der großen Magellansc­hen Wolke ähneln.
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FOTO: NASA/DPA Das Weltraumte­leskop „Hubble“ist seit 30 Jahren aktiv.

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