IHK: Lokale und Hotels wieder öffnen
Große Sorge mit Blick auf kommende Wochen – Bürger haben Aufschwung in der Hand
TUTTLINGEN - Etliche Lokale und Geschäfte werden im Zuge der Corona-Krise insolvent gehen: Davon ist die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg überzeugt. Mit einem Appell richtet sich die Industrie- und Handelskammer an die Bevölkerung: Wie es für manch ein gebeuteltes Unternehmen künftig weitergeht, haben auch die Bürger durch ihr persönliches Verhalten in der Hand.
Mit großen Sorgen blickt Michael Steiger auf die nächsten Wochen. Der Gastronom, der neben dem Irish Pub in Tuttlingen zwei Lokale in Villingen und Schwenningen betreibt, überbrückt die Krise derzeit noch mit dem Geld seines Krisenkontos. Dieses hatte er wohlweislich vor mehr als zehn Jahren eingerichtet, als der Umsatz im Zuge der Wirtschaftskrise spürbar eingebrochen war und er kaum noch die teure Miete
für sein Tuttlinger Lokal aufbringen konnte. „Vier Wochen kann ich noch durchhalten“, sagt er mit Blick auf den Kontostand.
So wie Steiger geht es derzeit vielen Gastronomen und Hoteliers. Trotz der Soforthilfe und der KfWKredite, die beantragt werden können, geht es vielfach ans Ersparte. „Wir haben gerade einen sehr guten Kontakt zu unserer Bank“, spricht auch Helga Schlack, Seniorchefin des gleichnamigen Tuttlinger Hotels und Cafés, an, dass es ohne einen zusätzlichen Kredit nicht gehen würde. Das Hotel in der Tuttlinger Bahnhofstraße steht derzeit bis auf ein paar wenige Zimmer, die an Langzeitbewohner vermietet sind, leer. Besonders bitter: „Der Mai ist ansonsten ein sehr starker Monat, in dem wir oft ausgebucht sind“, sagt sie. Auch dieses Jahr hätten etliche Radlergruppen und Geschäftsreisende das Haus gefüllt.
Die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg befürchtet, dass 30 Prozent der regionalen Hotels und GastronomieBetriebe nach der Corona-Krise gar nicht mehr öffnen werden. Besonders auf dem Land gäbe es viele Betriebe, die von etwas älteren Betreibern geführt würden, sagt Michael Steiger, der zudem als Vorsitzender des IHK-Tourismusausschusses fungiert. Mit Ende 50, Anfang 60 würde jedoch kein Wirt mehr einen neuen Kredit aufnehmen, geschweige denn, seine Altersversorgung zur Überbrückung einsetzen. „Was wir brauchen, ist eine Lockerung“, spricht er das weiterhin bestehende Öffnungsverbot für Lokale und das Übernachtungsverbot für Touristen an. Natürlich stets vor dem Hintergrund von Hygiene- und Sicherheitsvorschriften, doch seine Forderung ist klar: „Wir brauchen einen Fahrplan für die gesamte Tourismuswirtschaft.“
Von Jahresumsatzeinbußen von bis zu 40 Prozent für Einzelhändler spricht Tanja Broghammer, stellvertretende Vorsitzende des Handelsausschusses der IHK SchwarzwaldBaar-Heuberg, während einer telefonischen Pressekonferenz. Zwar dürfen Einzelhändler seit Montag dieser Woche wieder öffnen, doch die mehrwöchige Zwangspause habe viele Händler „an ihre Grenzen gebracht“, sagt sie. Besonders in der Textilbranche zählen die Frühjahrsmonate mit zu den stärksten des Jahres. „Dieser Verlust ist in diesem Jahr nicht mehr aufzuholen“, sagt sie. Hinzu komme, dass viele Einzelhändler vor Liquiditäts-Problemen stünden: Die bereits bestellte Sommerund Herbstware muss in wenigen Wochen bezahlt werden, doch die Kassen sind leer.
Einen Aufruf richtet die IHK jedenfalls an die Bürger. „Wir appellieren an die Menschen, ihren Internetkonsum zu überdenken und ihr Geld dort auszugeben, wo sie auch leben“, sagt Philipp Hilsenbek, Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik. Mit Blick auf die prekäre Situation von Einzelhandel und Gastronomie zeige die Corona-Krise, aus welch fragilem Gebilde Innenstädte bestünden. „Es liegt nun auch mit an den Menschen, wie es mit den Geschäften und Lokalen in den kommenden Monaten weitergehen wird“, sagt er.
Selbiges betont auch IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Albiez. Er plädiert dafür, den diesjährigen Sommerurlaub in der Region zu verbringen. „Wir können unsere Region stärken, in dem wir unser Geld hier ausgeben und nicht anderswo hintragen“, sagt er.
Hoteliers wie Helga Schlack jedenfalls würde das freuen. „Wir wünschen uns von Herzen, dass es bald wieder losgeht“, formuliert sie einen Wunsch, mit dem sie wohl nicht alleine dasteht.