Waldtiere werden vom Menschen unnötig gestresst
Vor allem unnachsichtige Hundehalter und Mountainbiker können trächtige Rehe gefährden
SPAICHINGEN/ HEUBERG – Raus an die frische Luft, den Vögeln beim Singen zuhören, den Duft von Erde oder frischem Gras in der Nase: gerade in Zeiten von Corona gehen viele Menschen in den Wald, um dem Alltag zu entfliehen. Doch wer sich falsch verhält, kann damit der Tierwelt schaden. Vor allem weil viele Rehe momentan trächtig sind. Jäger und Förster aus der Region berichten.
Auf den Wanderwegen im Donautal war am vergangenen Wochenende besonders viel los. Es gab einige Familien, die respektvoll mit der Natur umgegangen sind. An anderen Stellen gab es aber auch Mountainbiker, die mitten durch den Wald geprescht sind. Solche Szenarien beobachten auch die Jäger und Förster aus der Region. „Ein Fußgänger kommt langsam an. Die Radfahrer sind dagegen plötzlich da“, sagt Förster Joachim Reger aus Spaichingen. Förster Stefan Schrode hat auf dem Heuberg sogar schon illegale Strecken-Schanzen gesehen. Für die Tiere seien die Mountainbiker purer Stress. „Die Tiere können sich da nicht gut drauf einstellen“, sagt er.
Vor allem jetzt brauchen die Tiere eigentlich ihre Ruhe. Denn viele Geißen, also die weiblichen Rehe, seien hochträchtig. Bald gebären sie. Auch die Feldhasen haben bald Babys. Jägerin Sonja Sauter vom Jagd- und Hundezentrum Denkingen ist deshalb momentan deutlich weniger im Wald unterwegs. Auf den Wildkameras entdeckt sie in letzter Zeit immer wieder Menschen, die auch nachts quer durch den Wald spazierten oder mit Kopflampe joggen gehen. „Das ist so, als würde bei uns jemand direkt durchs Schlafzimmer gehen“, sagt sie.
Als Fußgänger sollte man deshalb gerade in den Setz- und Legezeiten auf den Waldwegen bleiben. Das können alle befragten Jäger und Förster aus der Region nur bestätigen. „Man sollte nicht durchs Unterholz laufen“, sagt Förster Joachim Reger aus Spaichingen. „Die Rehe wissen wo die Menschen normalerweise laufen. Sie wissen, dass die dort nicht gefährlich sind“, erklärt Sonja Sauter.
Sollte man ein junges Wildtier alleine auffinden, sollte man es auf keinen Fall anfassen. Selbst wenn das Tier verletzt ist. „In so einem Fall sollte man den Förster benachrichtigen“, erklärt Sauter. Denn eine Rehgeis würde ihr Kitz nicht mehr annehmen, wenn es nach Mensch riecht. „Menschenwitterung hält sehr lange“, sagt Sonja Sauter.
Eine weitere, wichtige Regel: selbst den gut erzogenen Hund bis zum Sommer an der Leine führen. Jedenfalls dann, wenn man im Wald und auf dem Feld unterwegs ist. Wenn ein Hund zum Beispiel ein hochschwangeres Reh verfolgt, gerät das Tier in Panik. „Die Folgen können gesundheitliche Probleme sein. Bis hin zur Fehlgeburt“, erklärt Sauter. Außerdem könnten Rehe vor lauter Panik in einen Zaun rennen und sich verfangen. Auch das sei schon vorgekommen.
Vor allem Jungtiere sind eine leichte Beute für Hunde. Laut dem Landesjagdverband Baden-Württemberg fliehen die Tierbabys noch nicht vor einer Gefahr. Sie blieben geduckt liegen und hofften, nicht entdeckt zu werden. Selbst bei gut erzogenen Hunden könne da der Jagdtrieb durchbrechen. Die Aufzucht der Jungtiere dauere noch bis
Mitte Juli. Wer seinen Hund nicht verlässlich in seinem Einwirkungsbereich behält, der könne sogar laut dem Wildtiermanagementgesetz angezeigt werden.
„Die meisten Hundehalter halten sich da auch dran“, sagt Jäger Werner Hermann aus Königsheim. Er erinnert sich aber an einen Fall vor drei Jahren, bei dem ein Reh von einem Hund gerissen wurde. Auch der Heuberger Bote berichtete damals. Das Tier muss damals besonders qualvoll gestorben sein. Es sei angefressen worden, als es noch am Leben war.
Wegen der akuten Waldbrandgefahr tut sich noch ein weiteres Problem auf: liegen gebliebener Müll. Glasflaschen können beispielsweise wie eine Lupe wirken und die Sonneneinstrahlung verstärken. Sonja Sauter hat schon einige Glasflaschen eingesammelt.