„Angst war noch nie ein guter Ratgeber“
Bezugnehmend auf das
vom 16. April stellt heute unsere Leserin Ingeborg Wenzler aus Spaichingen ihre Ansicht zum Nachdenken vor:
„Erst einmal: war noch nie ein guter Ratgeber. Im Gegenteil: Angst zieht den Menschen ’runter. Das beste Beispiel: Jeder kann sich mit dem Rücken auf das Wasser legen – es trägt Junge, Alte, Dünne und Dicke. Was einen untergehen lässt ist die Und das geschieht auf jeder Ebene.
Angst kann man nicht unterdrücken? Ich glaube schon, wenn man sich gezielt ablenkt und – oder – mal darüber nachdenkt, dass jeder im Grunde – auch wenn er die liebsten Menschen um sich hat – alleine ist mit seinen Gedanken, Erinnerungen und Gefühlen.
Warum nicht mal die alten Fotos hervorholen und sich erinnern an die frohen Momente, in denen sie entstanden sind? Erinnern auch an ungute Situationen, die überstanden wurden?
Ich – Jahrgang 1930 – kann mich noch lebhaft an die Kriegszeit erinnern. Besonders an die letzten Jahre, an Hunger und dumpfe Keller, in die wir vor den Bombern flüchteten – auch während der Schulstunden. Wurden wir nachts in die Keller gescheucht, durften wir eine Stunde später in die Schule gehen. Im Winter gab es überdies Kohleferien,
Angst Angst!
weil das Heizmaterial fehlte. Insgesamt ging unser Jahrgang ein Jahr länger in die Schule, weil zu viele Stunden versäumt worden waren.
Wir hatten löcherige Hemden an und „hungrige Schuhe“. Die waren vorne offen, weil die Füsse wuchsen, und es keine Schuhe zu kaufen gab. Das Ergebnis waren erfrorene Zehen.
Auf Spaziergängen über Wiesen und an Waldrändern sind wir oft in die Büsche geflitzt, um uns vor den Tieffliegern mit ihren Gewehrsalven zu schützen.
Und heute? Wie können wir froh und dankbar sein. Wir haben ein festes Dach über den Köpfen, werden alle Tage satt, können die Wohnung heizen, wenn es zu kalt wird.
Was macht da schon das bisschen Isolation? Die ist nötig und geht auch einmal vorüber.
Wir können immer noch hinaus in die Natur - Viren sind schließlich keine Tiefflieger und schwirren nicht wie Mücken herum. Wir können uns an der Natur erfreuen, an den bunten Blumen, können dem Gesang der Vögel lauschen und emsige Ameisen auf ihren Straßen beobachten. Wir haben auch noch das Telefon und die meisten von uns die Internetverbindung.
Ich empfehle auch froh machende Bücher wie zum Beispiel Eric Malpass: „Morgens um Sieben ist die Welt noch in Ordnung“– ein lustiges Buch über einen kleinen Jungen und wie er seine Umwelt erlebt. Und wenn uns Corona doch erwischt? Augen zu und durch … Das Leben ist immer gefährlich, auch ohne Corona. Und schließlich: Gibt es nicht noch eine höhere Macht, die uns trägt wie das Wasser unseren sterblichen Leib?“