So koordiniert der Kreis Schutzausrüstung
Der Kreis verwaltet Masken, Schutzkittel oder Desinfektionsmittel – alles streng verteilt
LANDKREIS TUTTLINGEN - 50 Euro für sechs Schutzmasken hat Margit Knaus bezahlt. Alles andere als günstig, aber was soll’s? Gerade sind Masken Mangelware, für ihren Pflegedienst in Tuttlingen aber unverzichtbar. Seit zwei Monaten wartet Knaus jetzt schon auf die Lieferung, vermutlich ist sie auf Betrüger herein gefallen. Um Knaus und andere Akteure im Gesundheitsbereich zu unterstützen, kümmert sich der Landkreis in der Coronakrise um die Beschaffung und Verteilung von Schutzausrüstung. Für die einen eine entlastende, für die anderen eine komplizierte Rechnung – mit stets offenem Ergebnis.
„Zu Beginn der Krise habe ich jeden Tag bis zu sechs Stunden im Internet nach Angeboten gesucht und geschaut, wo ich vielleicht noch etwas ergattern kann“, erinnert sich Knaus. Dass der Landkreis ein Verteilzentrum aufgebaut habe, sei ein riesiger Zeitgewinn für sie. Zumal sie in einem kleinen Team arbeitet. Sie seien zu zwölft, sagt Knaus. Die Belastung durch das Coronavirus sei groß, vor allem auch mental.
Im ganzen Kreis arbeiten knapp 2900 Menschen im Pflegebereich. Zusammen kümmern sie sich um mehr als 5300 Pflegebedürftige. Marianne Thoma hat die Zahlen aktuell ganz genau im Blick. Sie arbeitet in der Fachstelle für Pflege und Senioren am Landratsamt. „Wir haben mit den Zahlen einen Verteilschlüssel aufgestellt, damit die Schutzkleidung möglichst fair verteilt wird.“Dazu habe man Prozentsätze für die Leistungsträger bestimmt. Wer wie viel bekommt, richtet sich nicht nur nach der Größe einer Einrichtung, sondern auch nach ihrer Priorität.
Jeder, der im Gesundheitsbereich tätig ist, kann beim Verteilzentrum Bedarf anmelden. Mit oberster Priorität werden das Klinikum und Pflegedienste bedacht, in zweiter und dritter Reihe stehen Apotheken, Bestatter oder Zahnärzte. Freitagmittags muss jeder durchgeben, wie viel er wovon benötigt. Dann werden Kartons gepackt. Mit Desinfektionsmittel, einfachen OP- oder weniger durchlässigen FFP2-Masken, Schutzkitteln, Schutzschilden oder Handschuhen.
Die Verteilung sei eine mordsmäßige Herausforderung, erklärt Andreas Narr, der als Kreisbrandmeister vom Landkreis beauftragt wurde, das Verteilzentrum aufzubauen. „Meldet ein Pflegedienst an, dass er 100 Masken oder Kittel benötigt, kann es sein, dass er nur zehn bekommt.“Wie sich das Lager im Verteilzentrum füllt, sei unvorhersehbar, jede Lieferung eine Überraschung.
Das liegt daran, dass der Landkreis zum Teil nur Vermittler ist. Der Bund schickt immer mal wieder Pakete mit Schutzausstattung. „Da bekommen wir am Vortag aber nur eine Info von der Spedition, dass etwas kommt.“Wie viel, wovon, bleibt jedes Mal offen, bis Narr die Lieferung entgegennimmt.
Das, was aus Berlin in Tuttlingen ankommt, ist nur der kleinere Teil des Bestands im Verteilzentrum. Der Kreis bestellt seit Wochen selbst. Auch wenn die Hauptlieferanten in China sitzen: „Wo es geht, bestellen wir im Landkreis um die Unternehmen aus der Region zu unterstützen“, sagt Marianne Thoma. Teils helfen Unternehmer auch mit ihren Kontakten in die ausländischen Märkte weiter, um Angebote aufzutreiben. Für mehrere hunderttausend Euro hat der Kreis bereits Ware bestellt. Ein Grund, warum Narr den Ort des Verteilzentrums nicht näher benennen möchte.
Ware, die der Kreis selbst auftreibt, gibt er zum Selbstkostenpreis ab. Jeanette Hipp ist durch dieses Angebot wieder an Schutzkittel gekommen. Gut ein Drittel ihres Bedarfs an Schutzkleidung kann sie über das Verteilzentrum beziehen. Außerdem hilft noch der Berufsverband aus. Wie das Verteilzentrum hilft der in Zeiten der Pandemie freiwillig aus. Denn eigentlich sind die Dienste selbst in der Pflicht, ihr Material zu beschaffen. „Handschuhe und Desinfektionsmittel können wir immer mal wieder von unserem Lieferanten bekommen. Bei FFP2-Masken hilft mir das Verteilzentrum.“
Zwar sei es teils wieder leichter als zu Krisenbeginn, an Material zu kommen, aber: „Wenn sich die Lage entspannt, ist es noch lange nicht der Normalzustand“, sagt Hipp. Daher hoffe sie, dass die Unterstützung auch in den kommenden Monaten fortbestehe. Zustimmung kommt von ihrer Kollegin Knaus. „Wir sind noch meilenweit von Normalität entfernt.“
Bis auf Weiteres werde man sich weiter kümmern, verspricht Kreisbrandmeister Narr, auch wenn das Verteilzentrum keine ständige Einrichtung wird. „Wenn wir als Landkreis bestellen, können wir größere Stückzahlen abnehmen als ein kleiner Pflegedienst. Außerdem wird es dann günstiger.“Auch beim Schutz vor Betrügern ist der Landkreis im Vorteil gegenüber einem einzelnen Akteur wie Margit Knaus: Ein Berater aus dem Regierungspräsidium prüft Angebote aus dem Netz auf Seriosität. Noch sei man in keine Falle getappt.