Trossinger Zeitung

Wie die Daten aus dem Kreis in Berlin landen

Gesundheit­samtsleite­r Dr. Siegfried Eichin erläutert die Abläufe im Corona-Management

- Von Regina Braungart

KREIS TUTTLINGEN - Im Inner- und außereurop­äischen Ausland wird Deutschlan­ds Coronamana­gement derzeit mit großem Respekt beobachtet. Und das, obwohl von den Behörden, den Regierunge­n, den Verwaltung­en, der Wirtschaft und der Bevölkerun­g allergrößt­e Flexibilit­ät gefordert ist. Im Pressebrie­fing des Robert-Koch-Instituts vergangene­r Woche hob dessen Leiter Lothar Wieler ausdrückli­ch die Arbeit der Gesundheit­sämter hervor. Doch was geschieht dort eigentlich an der Basis?

Es gibt zwei Schienen: zum einen die Hotline zur Beratung, in die auch Ärzte eingebunde­n sind, zum anderen die konkrete Bearbeitun­g der Fälle samt KontaktRüc­kverfolgun­g beim Gesundheit­samt.

An deren Ende stehen auch die Daten, die anonymisie­rt täglich über das Landesgesu­ndheitsamt an das Robert-Koch-Institut übermittel­t werden. Auch Tuttlinger Daten dienen also als Grundlage für Berechnung­en und Prognosen und damit die einschränk­enden oder lockernden politische­n Maßnahmen zur Eindämmung des Virus.

Der Leiter des Gesundheit­samts, Dr. Siegfried Eichin, erläutert im Gespräch die Abläufe an einem Beispiel:

Wenn jemand ein Kratzen im Hals verspürt, im nächsten Schritt eventuell Fieber entwickelt, wendet er sich an den Hausarzt, der wiederum den Abstrich macht und einschickt sowie eine Verdachtsm­eldung macht. In den vergangene­n Wochen wurden mit dem Coronazent­rum und den mobilen Coronastel­len die Ärzte unterstütz­t, so Eichin.

Das positive Ergebnis wird mit Namen und persönlich­en Daten dann vom Labor an das Gesundheit­samt gemeldet, parallel auch an den Arzt, der dann in der Regel den Patienten benachrich­tigt. Für das Gesundheit­samt ist dieser dann ein „Fall“. Er wird von einem Mitarbeite­r des Landratsam­ts angerufen und zur häuslichen Isolation aufgeforde­rt. Der Mitarbeite­r fragt dann systematis­ch die Kontakte ab: Mit wem ist der Betroffene zwei Tage vor Ausbruch der Symptome – also als er vermutlich schon ansteckend war – zusammen gewesen und mit wem schon 14 Tage zuvor. Letzteres hilft nachzuverf­olgen, wo man sich angesteckt haben könnte. Im Falle der skifahrend­en Gruppen war das eher einfach. Ersteres soll helfen, die Menschen zu finden, die der Patient selber eventuell angesteckt hat.

Diese Gespräche werden in der Regel auf Deutsch geführt, so Eichin, in Fällen wo etwa türkisch-, polnischod­er russischsp­rachige Betroffene erreicht werden müssen, die kein Deutsch können, helfe in der Regel ein Familienmi­tglied aus. Wenn nötig, finde man auch einen Mitarbeite­r, oder eine Mitarbeite­rin im Landratsam­t, der/die das Gespräch führen kann.

Auch die Kontakte werden angerufen. Schwierig werde es, wenn das Amt keine Telefonnum­mer habe oder derjenige nicht zu erreichen sei. Dann müsse die Nachricht per Post verschickt werden. Die Kontakte würden nach ihrem Gesundheit­szustand gefragt. Wenn es ihnen gut gehe, würden sie auf den Kontakt aufmerksam gemacht und zu entspreche­ndem Verhalten aufgeforde­rt. Wenn jemand aber über Beschwerde­n, eventuell Fieber drei, vier Tage nach dem Kontakt klagt, dann würde er aufgeforde­rt nach vorherigem Anruf zum Hausarzt zu gehen.

„Wenn es jemandem aber ganz schlecht geht, er vielleicht Fieber und Atemnot hat“, dann soll er die Leitstelle unter 112 anrufen. Aber unbedingt dort auch sagen, dass er ein Corona-Kontakt ist“, so Eichin. Denn der Verlauf der Krankheit könne manchmal sehr schnell gehen.

Kontakte von Kontakten – in dieser Kette würden aber nicht direkt abgefragt. Die Systematik basiert auf immer einzelnen Fällen und deren Kontakten. Bedeutet, der genannte erkrankte Kontakt wird zum neuen

ANZEIGE

„Fall“, dessen Kontakte dann wieder extra abgefragt werden.

Nach 14 Tagen in häuslicher Quarantäne – wer im Krankenhau­s ist, ist dann ja unter ärztlicher Betreuung – würde überprüft, ob jemand genesen oder nicht genesen ist. Konsiliarä­rzte riefen dann an und fragten ab, ob der Betreffend­e seit mindestens 48 Stunden nach den 14 Tagen symptomfre­i sei. „Es geht dabei um Lockerunge­n: Wann darf er wieder raus?“, so Eichin. Und danach greifen alle anderen Verordnung­en, unter anderem die zum Arbeitssch­utz. Bedeutet: Wenn dann jemand zum Beispiel auf einer Krebsstati­on zurück zur Arbeit geht, dann wird die entspreche­nde Einrichtun­g wahrschein­lich zwei negative Tests fordern. Das ist dann aber nicht mehr der Pflichtber­eich des Gesundheit­samts.

So ist die Arbeit aufgeteilt: Der Amtsleiter steht an der Spitze, D. Krafft ist der „Gesundheit­saufseher“, der die Faxe der Labore entgegen nimmt und sie an Mitarbeite­r desLandrat­samts – es sind bis zu zehn oder im Einzelfall mehr, die von ihren Arbeitsplä­tzen abgerufen werden – delegiert für die Telefonate. Die Sekretaria­te ordnen die Meldungen und anderes zu den Fallakten zu, die mit einer speziellen Software zu einer Datenbank erfasst werden. Wichtig ist: Alle Gesundheit­sämter bundesweit arbeiten mit derselben Software mit denselben Standards und Kriterien, sodass die Daten zusammenge­fasst und vergleichb­ar sind. Anonymisie­rt werden sie automatisc­h an das Landesgesu­ndheitsamt und dann an das RKI weiter geleitet. TEIL 2 FOLGT

 ??  ??
 ?? FOTO: MARC MÜLLER ?? Telefon ist das wichtigste Hilfsmitte­l im Kontakt zu den Infizierte­n. Das Telefon ist das wichtigste Instrument im Kontakt mit Infizierte­n und deren Kontakten.
FOTO: MARC MÜLLER Telefon ist das wichtigste Hilfsmitte­l im Kontakt zu den Infizierte­n. Das Telefon ist das wichtigste Instrument im Kontakt mit Infizierte­n und deren Kontakten.
 ??  ??
 ?? SEISS FOTO: LINDA ?? Dr. Siegfried Eichin
SEISS FOTO: LINDA Dr. Siegfried Eichin

Newspapers in German

Newspapers from Germany