Rückkehr zum Regelbetrieb
Tuttlinger Klinikum fährt OP-Betrieb wieder hoch und räumt mit falschen Gerüchten auf
TUTTLINGEN - Seit Montag kehrt das Klinikum des Landkreises Tuttlingen schrittweise zum Regelbetrieb zurück: Zuletzt waren für dringende Operationen nur zwei Operationssäle geöffnet, nun steht wieder ein dritter OP-Saal zur Verfügung – und damit Kapazitäten für planbare Operationen. Die Klinikleitung weist auf die strengen Hygieneregelungen hin, die im ganzen Haus zum Einsatz kommen. Denn in den vergangenen Tagen sind vermehrt Anfragen von besorgten Bürgern aufgelaufen, die Angst haben, das Krankenhaus zu betreten. Auch wenn sie dort einen Termin haben.
„Wir haben im März noch keinen Rückgang an Diagnosen wie Schlaganfall und Herzinfarkt festgestellt, dennoch möchten wir den Bürgern die Sorgen nehmen, sich bei Krankheitsanzeichen an das Klinikum zu wenden“, teilt das Klinikum Landkreis Tuttlingen mit. Offenbar kursieren abstruse Behauptungen in der Bevölkerung, dass man nach Betreten des Klinikums zwei Wochen in Quarantäne bleiben müsse. „Was natürlich nicht wahr ist“, wie Klinikum-Sprecherin Aline Riedmüller betont. Diese Gerüchte ernst zu nehmen, könnte tödliche Folgen haben. So erleben es die Ärzte im benachbarten Singener Krankenhaus seit Beginn der Corona-Pandemie derzeit täglich, dass Leute bei einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall zu spät eingeliefert werden, weil sie aus Angst vor einer Corona-Infektion zögern, den Notruf zu wählen. „Doch bei einem Herzinfarkt zählt jede Minute“, so Dr. Marc Kollum, Chefarzt der Singener Kardiologie.
„Wir haben im gesamten Haus einen sehr hohen Hygienestandard“, will Sascha Sartor, Geschäftsführer des Klinikums Landkreis Tuttlingen mögliche Ängste nehmen. Patienten, die für planbare Eingriffe vorgesehen sind, werden auf den Normalstationen betreut und sind von der Isolierstation mit Covid-19-Erkrankten strikt abgetrennt. Sowohl räumlich wie auch personell (siehe Blickkasten).
Derzeit liegt die Bettenbelegung im Kreisklinikum Tuttlingen bei nicht mehr als 55 Prozent. Sartor: „Da wir zu dieser Jahreszeit normalerweise bei rund 80 Prozent liegen sollten, fehlen uns gut 100 Patienten in der täglichen Versorgung.“Auch wenn die finanziellen Auswirkungen durch die Corona-Pandemie noch nicht exakt festgestellt wurden, „dürfte trotz der angekündigten Rettungspakete der Bundespolitik am Ende des Jahres aber sicherlich ein zusätzlicher siebenstelliger Verlust beim Landkreis als Träger hängenbleiben“. Kurzarbeit für Pfleger oder Ärzte gab es im Klinikum deshalb aber nicht.
In den vergangenen Wochen wurden nur Not-Operationen vorgenommen, wie zum Beispiel die Versorgung von Frakturen, Tumoroperationen oder medizinisch begründete Kaiserschnitte. Ganz abgesagt wurde die Endoprothetik, also der Gelenkersatz, der einen großen Teil der OP-Kapazitäten einnimmt. Im ambulanten OP-Zentrum in Spaichingen ist die operative Tätigkeit nahezu komplett eingestellt. Nun wird all das wieder hochgefahren. Das „Aufholen“der ausgesetzten Operationen wird aber wohl noch einige Zeit dauern, da die Kapazitäten an den beiden Standorten in der Regel gut ausgeschöpft sind. Es sei möglich, dass es in den kommenden Monaten zu längeren Wartezeiten bei OP-Terminen kommt. „Eine Prognose ist allerdings schwierig, da wir merken, dass die Verunsicherung bei unseren Patienten doch vergleichsweise groß ist“, erklärt der Geschäftsführer. Es ist also anzunehmen, dass einige Patienten die Eingriffe von sich aus absagen.
Stand Dienstag, 15 Uhr, befanden sich zwölf an Covid-19-Erkrankte im Klinikum Tuttlingen, zwei wurden auf der Intensivstation beatmet. Die aktuellen Fallzahlen sind damit deutlich geringer, als noch zu Anfang des Monats April, gibt die Klinikleitung bekannt. Deshalb ist nur eine der drei Isolierstationen sowie der Isolierteil der Intensivstation momentan teilweise belegt.
Und wenn die befürchtete zweite Welle kommen sollte? Bei steigenden Krankenzahlen könnte das Klinikum
die anderen Isolierstationen jederzeit wieder in Betrieb nehmen. Das Personal sei kurzfristig einsatzbereit. „Dafür ist ein Rufdienst eingesetzt und entsprechende Pläne sind ausgearbeitet“, teilt das Klinikum mit.
Seit Dienstag dieser Woche gilt nicht nur für alle ambulanten Patienten und Gäste des Klinikums eine Maskenpflicht, sondern auch für die stationär aufgenommenen. Diese werden dringend gebeten, im Klinikgebäude eine Maske zu tragen. Das konsequente Besuchsverbot bleibt auf unbestimmte Zeit bestehen.