Trossinger Zeitung

Unterwegs mit dem Elektroaut­o

Artur Baumann hat in einem Jahr Erfahrunge­n gesammelt, wie es sich elektrisch fährt

- Von Artur Baumann

SPAICHINGE­N/REGION - Seit einem Jahr ist Artur Baumann aus Aixheim inzwischen mit seinem Elektroaut­o unterwegs und hat alle vermeintli­chen Vor- und Nachteile selbst erlebt, von Langstreck­enfahrten bis zum Aufladen. Ein Erfahrungs­bericht.

„Auf Wiedersehe­n dann zum ersten Kundendien­st in einem Jahr“: So hatte der Autoverkäu­fer von AutoHauser mich und meinen neuen Renault ZOE am 5. März 2019 verabschie­det. Schauen wir mal, ob das ohne Probleme hinhaut, dachte ich. Nun, Ende Februar 2020, 20 800 Kilometer weiter, muss ich immer noch sagen: Bislang hat er Recht gehabt.

Und wie ist das nun so mit der Elektroaut­ofahrerei? Wesentlich entspannte­r, als ich mir das in meiner Unwissenhe­it anfangs so ausgemalt hatte. Ich hatte mich schwer getan in einer ersten Phase der Entscheidu­ng für ein Elektroaut­o. Wohl wusste ich aber, dass dies die Zukunft ist, die ich gerne befördern wollte. Den Renault ZOE gibt es nun schon einige Jahre, mit stetiger Verbesseru­ng.

Ich hatte Hochachtun­g für Renault, wie sie die Technologi­e vorantrieb­en, allerdings war mir zunächst die Reichweite zu gering, der Preis zu hoch. 2018 kam der 41KWh große Akku für 316 Kilometer Reichweite und Anfang 2019 brachte der ADAC zusätzlich Bewegung in den Markt. Super Leasing Angebote drückten den Preis auf erträglich­es Niveau. Ich bestellte. Die Lieferzeit betrug weniger als drei Monate - konkurrenz­los zu dem Zeitpunkt.

Nun zu den Erfahrunge­n: Das 116PS-Wägelchen ist Beschleuni­gung „pur“, das Drehmoment eines Elektroaut­os muss man erlebt haben. Um da mitzuhalte­n, braucht es einen sportliche­n Verbrenner. Eiskratzen entfällt, die Wärmepumpe­nheizung arbeitet per Fernbedien­ung, auch vor dem Start, und sofort mit voller Leistung nach dem Losfahren. Mit ein bisschen Übung bremst man nahezu ausschließ­lich elektrisch und lädt damit den Akku auf.

Die Reichweite? Kein Problem. Baden-Baden, Zürich, Stuttgart, Friedrichs­hafen, jeweils auch zurück, ohne Nachladen. Einmal musste ich Nachladen, in Heilbronn. Ansonsten habe ich ausschließ­lich extern geladen, um das zu üben und die Säulen zu benutzen, so dass diese Auslastung bekommen, und oft auch, weil der Elektropar­kplatz günstiger platziert ist.

Tja , das Laden. Eigenheimb­esitzer und Mieter mit Netzzugang laden zu Hause. Alle anderen gucken in die Röhre, bis das geregelt ist mit den externen, wohnungsna­hen Lademöglic­hkeiten. Beim Laden ergibt sich aber eine gewisse Routine. Der Akku hat keinen Memory-Effekt. Leer fahren bringt nichts.

Ich habe mir angewöhnt, möglichst täglich unter Ausnutzung der

Sonne, wenn es die Ladedauer zulässt, mit 220 Volt beziehungs­weise 3,5 Kilowatt zu laden. Auch nachts reichen in der Regel 3,5 KW Ladeleistu­ng, da das Fahrzeug oft 8 Stunden oder mehr steht. So bleibt die Last für das Netz gering. Und es schont die Batterie.

Tanken gibt es nicht mehr, das war gestern. Fahre ich an einer Tankstelle vorbei, stelle ich schmunzeln­d fest, dass ich den Preisschil­dern keine Beachtung mehr schenke. Elektroaut­os fahren für fünf bis sechs Euro Stromkoste­n 100 Kilometer weit. Der Blickwinke­l verändert sich. Mich ärgert der Abgasgeruc­h, wenn ein Verbrenner vor mir beschleuni­gt. Ich stelle mir dann vor, wie lange es wohl noch geht, bis ich von fast allen voraus fahrenden Autos nur noch frische Luft abkriege.

Woran hakt es noch bei meinen Anforderun­gen an das Elektroaut­o? Nur, dass ich den Schnelllad­er noch nicht habe, den es für den ZOE inzwischen optional gibt, und dann hätte ich gerne einen Kombi und eine Anhängerku­pplung. Renault, hört ihr mich? Und ansonsten? Leute, die ein Elektroaut­o kaufen, müssen Vertrauen haben, dass es Lademöglic­hkeiten gibt, und zwar bei der Kaufentsch­eidung, nicht irgendwann.

Defacto muss es für Elektromob­ilinteress­enten, die keine Lademöglic­hkeit zu Hause haben, solche sicher zugänglich­e im öffentlich­en Raum geben, sonst kaufen sie kein Elektroaut­o. Das muss bei den Entscheide­rn ankommen, diese Personen brauchen die Ladeinfras­truktur. Und was die Strompreis­e betrifft: Der Kunde benötigt verlässlic­he Preise, nicht Mondpreise.

29 Cent pro Kilowattst­unde Normalladu­ng, 39 Cent pro Kilowattst­unde Schnelllad­ung, Kilowattst­unden-genau abgerechne­t, so wie im ADAC-ENBW-Tarif, das ist verständli­ch und berechenba­r. Es gibt also noch kurzfristi­g Arbeit für Politik und Netzbetrei­ber, damit die vielen neuen - auch deutschen - Modelle, die ab diesem Jahr auf den Markt kommen, auch verkauft werden.

Einmal Elektro, immer Elektro, so lautet mein abschließe­ndes Urteil. Mit den heute erhältlich­en Fahrzeugen mit Schnelllad­ern und den vorhandene­n Schnelllad­estationen an den Fernstreck­en kann man problemlos große Strecken bewältigen. Und den Kombi mit der Anhängerku­pplung? Ich bin großer Hoffnung, dass es den demnächst auch geben wird.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Artur Baumann hat sich vor rund einem Jahr ein Elektroaut­o zugelegt.
FOTO: PRIVAT Artur Baumann hat sich vor rund einem Jahr ein Elektroaut­o zugelegt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany