Im Duo auf CD
Christian Zielinski, gebürtiger Tuttlinger, und seine Frau Julia erobern die Klassik-Welt
TUTTLINGEN - In Zeiten von Spotify und anderen Streamingdiensten einen Plattenvertrag zu bekommen, ist ein Glücksfall. Wenn einem das als klassischem Gitarristen gelingt, fast schon eine Sensation. Christian Zielinski, in Tuttlingen geboren und aufgewachsen, und seine Frau Julia haben einen Vertrag mit Naxos abgeschlossen, einem der weltweit größten Anbieter für klassische Musik. Ihre CD „Baroque Masterpieces“ist bereits im Handel.
Um bei Steigerungen zu bleiben: In Zeiten der Corona-Krise könnte sich dieser Plattenvertrag als Volltreffer herausstellen. Denn das Ehepaar Zielinski, das zusammen das Gitarren-Duo „Artis“bildet, bestreitet fast die Hälfte seines Lebensunterhalts mit Konzertreisen. Weltweit: In Brasilien und China sind sie bereits aufgetreten, ebenso in Spanien, Italien, Polen, Litauen, Kroatien, im Kosovo und in Schottland – die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Nun zum Ist-Zustand: „Durch die Absage der Konzerte wegen des Coronavirus’ sind uns allein bis Ende April ein paar tausend Euro flöten gegangen“, sagt Christian Zielinski. Nach Kroatien und Polen hätten die Reisen geführt – diese sind nun auf unbestimmte Zeit verschoben. Zielinskis wissen aber auch, dass sie sich glücklich schätzen können, feste Einkünfte durch ihre Lehrtätigkeit an Musikschule und Musikhochschule zu haben. „Ich kenne viele Kollegen, die alleine von Auftritten und Konzerten leben“, so der 32-Jährige. Für sie sei es schlichtweg verheerend.
Geboren und aufgewachsen ist Christian Zielinski in Tuttlingen. Am Otto-Hahn-Gymnasium hat er sein Abitur gemacht. Über die musikalische Früherziehung kam er an der hiesigen Musikschule zur Gitarre. Zielinski schwärmt noch heute von seinem Tuttlinger Gitarrenlehrer Peter Woelke, der ihn bis zum Abitur begleitet hat. „Er gehört zu den besten Gitarrenlehrern, die wir in Deutschland haben.“Der Lehrer wiederum hat das Beste aus dem begabten Schüler herausgekitzelt. Bereits im jugendlichen Alter erreichte Christian Zielinski bei nationalen und internationalen Wettbewerben mehr als 20 erste und zweite Preise.
Nach dem Schulabschluss studierte er solistisch in Stuttgart bei
Professor Johannes Monno und danach in Frankfurt bei Professor Michael Teuchert. Seine spätere Frau Julia hat er in Stuttgart kennengelernt. Das ergab nicht nur eine Liebesbeziehung. „Unsere musikalischen Schritte sind wir von da an gemeinsam gegangen.“In Hamburg (bei Prof. Olaf van Gonnissen) legten sie 2016 das Konzertexamen, den höchsten künstlerischen Abschluss in Deutschland, als erstes Duo in der Geschichte der Hamburger Musikhochschule mit Bestnote und Auszeichnung ab.
Im Schnitt absolvieren die beiden 20 Auftritte im Jahr, manchmal bis zu acht in einem Monat. Wie ist es, nicht nur gemeinsam zu leben, sondern auch gemeinsam zu arbeiten? Zielinskis sehen das entspannt. „Im Alltag verbringen wir gar nicht so viel Zeit miteinander“, erklärt der männliche Part des Duos. Nur in den Konzertphasen werde gemeinsam geübt. Ansonsten nehme das alleine proben viel Zeit in Anspruch, ebenso die Konzert-Akquise und das Management der Reisen. Christian Zielinski lehrt an der Musikakademie Wiesbaden angehende Musiklehrer im Bachelor-Studiengang. Seine Frau ist an der Musikschule und zusätzlich im methodischen Bereich an der Akademie tätig“lieber.
Auch hier schlägt Corona zu: „Wir unterrichten momentan online und per Skype“, erklärt Zielinski. Der direkte Kontakt soll vermieden werden. Bislang sei damit in erster Linie der Einzelunterricht abgedeckt gewesen. Mittlerweile experimentieren der Lehrer und seine Studenten auch mit telefonischen Gruppenkonferenzen.
In diesen besonderen Zeiten freut sich das Gitarren-Duo über den Erfolg ihrer CD. Das Demo-Tape haben sie bei einigen Labels eingesandt, die sie interessant fanden. Es gab einige Absagen, aber auch so viele Zusagen, dass sich Zielinskis schließlich aussuchen konnten, mit wem sie den Vertrag unterschreiben wollten. Und zu Naxos wollten sie von Anfang an. „Es war natürlich wahnsinniges Glück, dass wir das dann auch bekommen haben.“
Ihre CD „Baroque Masterpieces“ist weltweit im Handel erhältlich – nix mit Books-on-demand oder so was. Zu hören ist darauf „ein Repertoire, das es so noch nicht gibt“, wie der ehemalige Tuttlinger sagt: Nur Barock-Musik, hauptsächlich in der Urfassung für Cemballo geschrieben. „Durch die Umsetzung mit den Gitarren konnten wir mehr Farbe herausholen und den Dialog-Charakter herausstreichen“, findet Zielinski. Bach, Vibaldo, Weiss (ein barocker Lautenspieler), Haendel und Couparin, ein französischer Komponist (1668 bis 1733) sind verewigt.
Zielinski: „Obwohl die Musik nur aus der Barockzeit stammt, ist das
Ergebnis sehr abwechslungsreich, da alle unterschiedlich komponiert haben.“
Mit den Verkaufszahlen ist das Paar „überraschend zufrieden“– und noch mehr über das überwiegend positive Feedback der Kritiken. So attestiert „Klassik heute“: „Julia und Christian Zielinski sind Meister ihres Fachs, daran besteht nach dem Hören dieser CD kein Zweifel. Den Gitarrenklang nutzen sie facettenreich aus und enthalten sich stilfremder Extravaganzen. Ihr Spiel ist ebenso feinsinnig wie schwungvoll und lässt keine Wünsche offen.“
Und „Gitarre und Laute“findet: „Überhaupt: Dem Artis Gitarren Duo fehlt hie und da noch das, was jedes Musizieren beflügeln und beleben kann – aber auch völlig zerstören. Gemeint ist Routine!“
Kurzum: Läuft bei Zielinskis!