Trossinger Zeitung

Lehrer noch immer verzweifel­t gesucht

Pädagogen-Mangel im Ländlichen Raum nicht nur an Grundschul­en

- Von Eva-Maria Huber

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Der junge Mann steigt nicht einmal aus. Er hat von der freien Stelle in einer Schule im Ländlichen Raum gehört, ist nach Villingen-Schwenning­en gekommen und nach einem kurzen Blick auf das Schulgebäu­de wieder nach Hause gefahren. Der angehende Pädagoge ist nicht der typische Einzelfall. Fast alle Schulen haben ein Problem: Lehrer, verzweifel­t gesucht.

Die Schulen waren zwar aufgrund der Corona-Pandemie lange geschlosse­n und öffnen jetzt nur schrittwei­se. Doch ein zentrales Problem holt alle ein. In Schulen im Ländlichen Raum, zu dem auch die Große Kreisstadt Villingen-Schwenning­en zählt, grassiert ein Problem. In Grundschul­en mangelt es an Lehrkräfte­n, ebenso in sonderpäda­gogischen Einrichtun­gen, mittlerwei­le sind auch mehr und mehr Realschule­n betroffen.

Wie schwierig es teilweise geworden ist, einen normalen Schulallta­g aufrecht zu erhalten, nicht noch mehr Stunden ausfallen zu lassen und aufgebrach­te Eltern beruhigen zu müssen, das ist längst nicht nur in den Rektoratsr­äumen und bei Gewerkscha­fts-Verantwort­lichen angekommen, sondern auch in den Fluren des zuständige­n Ministeriu­ms in Stuttgart. „Ja, wir haben teilweise einen gravierend­en Lehrermang­el“, heißt es.

Doch die Ursachenfo­rschung ist mitunter so unterschie­dlich wie die Gestaltung einer Unterricht­sstunde. Rektor Elmar Dressel von der Südstadtsc­hule in Villingen kennt die Ausfallquo­ten an den verschiede­nen Schultypen, in den Grundschul­en etwa ein Prozent, in den Gymnasien rund fünf Prozent. Das Lehrermang­el-Problem verfolgt den Rektor schon seit geraumer Zeit. „Es ist ein enormer Kraftakt, angesichts des extremen Lehrermang­els, so gut wie keine Stunden ausfallen zu lassen“, sagt er. Ohne die sogenannte­n „Handschlag­lehrer“, erläutert Dressel, ginge das vielerorts nicht. Das sind zum Beispiel pensionier­te Lehrer, die dann einspringe­n, wenn Kollegen ausfallen.

Warum studieren denn viele junge Menschen lieber für Gymnasien als für Grundschul­en? Liegt es wirklich am besseren Gehalt und den Aufstiegsm­öglichkeit­en oder am Renommee? Hier scheiden sich die Geister. „Vielleicht hört es sich ja auch besser an, wenn man erzählt, man sei Studienrat und unterricht­e Deutsch und Englisch in der Oberstufe“, meint ein Grundschul­lehrer.

Tatsache ist, und da sind alle wieder zusammen, dass offensicht­lich eine Entwicklun­g im Land verschlafe­n wurde, unter der die Regionen und Schultypen ganz unterschie­dlich leiden. Ein Sprecher des Kultusmini­steriums in Stuttgart räumt ein, dass man die große Pensionier­ungswelle der letzten Jahre nicht richtig eingeschät­zt und entspreche­nd vorgeplant habe. Das Ergebnis: Tausende von unbesetzte­n Lehrerstel­len.

Erschweren­d sei dazugekomm­en, dass die Regelstudi­enzeit erhöht worden und damit ein ganzer Jahrgang ausgefalle­n sei. Mittlerwei­le habe Stuttgart reagiert, so seien die Kapazitäte­n an den Pädagogisc­hen Hochschule­n deutlich hochgefahr­en und die Studenten-Zahl nahezu verdoppelt worden. Doch diese Maßnahmen greifen erst in ein paar Jahren.

Was tun, damit auch in VillingenS­chwenninge­n Schulen nicht noch mehr an ihre Grenzen stoßen? Angehende Gymnasiall­ehrer, so der Ministeriu­mssprecher, werden angeworben, ein paar Jahre an Grundschul­en oder auch Realschule­n zu unterricht­en, mit der Option, dann wechseln zu können. Ein Weg sei es auch, Lehrer im Pensionsst­and wieder einzubinde­n. Die Resonanz sei „ganz gut“: Vor alle Aktivitäte­n schiebt sich jedoch eine unsichtbar­e Barriere. Alle wollen nach Freiburg, an den Bodensee oder nach Karlsruhe. Der Ländliche Raum dagegen habe da ein Problem.

„Die jungen Kollegen nehmen lieber in Freiburg eine befristete Stelle an als bei uns eine unbefriste­te“, sagt ein Lehrer aus Villingen-Schwenning­en. Oder noch drastische­r ausgedrück­t: „Wenn die mal hier sind, wollen sie auch schnell wieder weg.“Weg und hinein ins urbane Leben. Man werbe zwar für den Ländlichen Raum, seine Vorzüge, seinen Naherholun­gswert, die geringeren Lebenshalt­ungskosten, „aber zwingen kann man halt niemanden“, heißt es dazu aus Stuttgart.

Fakt ist: Der Markt ist leergefegt. Bleibt die Frage: Wie binde ich junge Lehrer vor allem an Grund- oder Realschule­n abseits der urbanen Magnete? Über Zuschläge vielleicht, oder besonders günstige Grundstück­e, schlägt ein langjährig­er Kenner der Schullands­chaft vor. „Wir müssen uns aktiv um junge Lehrer bemühen, ihnen die Vorzüge der Region nahe bringen.“

Markus Schütz, Kreisvorsi­tzender der Bildungsge­werkschaft GEW, wird noch etwas deutlicher, wenn es vor allem um Grundschul­en geht: „Diese Kollegen haben die höchsten Deputate und verdienen am wenigsten.“Auch Schütz hält Anreize wie etwa Zulagen oder Vergünstig­ungen für notwendig, um die Vakanzen in der Provinz zu füllen. „Wir müssen den jungen Leuten Optionen eröffnen.“Gibt es sonstige Ideen, wie man Referendar­e dazu bringt, sich wenigsten Stadt und Schule anzuschaue­n und nicht gleich wieder abzufahren? „Wenn ich das wüsste, dann könnte ich vermutlich viel Geld verdienen.“

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA In Grundschul­en mangelt es an Lehrkräfte­n, ebenso in sonderpäda­gogischen Einrichtun­gen, mittlerwei­le sind auch mehr und mehr Realschule­n betroffen.

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