„Räumt alles auf, was mit Hitler zu tun hat“
In Aufzeichnungen hält der Emminger Horst Leiber Eindrücke aus seiner Kindheit fest – Ein Requisit noch heute in Gebrauch
EMMINGEN-LIPTINGEN - Erinnert sich Horst Leiber an seine Kindheit, dann werden auch immer Erinnerungen an Szenen vom Einmarsch der Franzosen und des Zweiten Weltkriegs wach. Weil der heute 81-jährige Emminger zum Kriegsende 1945 keine Aufzeichnungen aus dem Ort finden konnte, schrieb er die Eindrücke, die er damals sammelte, nieder. An eine für ihn ganz besondere Begegnung denkt er noch heute.
Die Aufzeichnungen von Horst Leiber, der 1939 zur Welt kam, beginnen im Jahr 1943. Sein Vater Valentin betrieb in Emmingen eine mechanische Werkstatt zur Reparatur von Landmaschinen. Zwar wurde der Vater 1943 von der Wehrmacht eingezogen. „Er hatte aber das Glück, dass er in Villingen untergebracht war und als Fahrer der Offiziere des Rüstungskommandos diente“, erinnert sich der heute 81-Jährige. Leiber vermutet den Hintergrund darin, dass die Bauern in Emmingen auf die Hilfe seines Vaters angewiesen waren, sollte etwas an den landwirtschaftlichen Maschinen kaputt gehen, erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung. So sei er abrufbereit gewesen. „Damals hatte Emmingen um die 900 Einwohner und war ausschließlich landwirtschaftlich geprägt.“
Auch wenn die Älteren auf dem Land laut Leiber das NS-Regime damals überwiegend positiv gesehen hätten, könne er sich nicht daran erinnern, dass es in der Umgebung Unterstützer oder gar Hitlerfans gegeben habe, so Leiber. „Insbesondere zum Schluss hatten viele Bedenken.“Auch sein Vater habe eingesehen, „dass es nichts mehr wird“. Kurz vor dem Einmarsch der Franzosen habe er dann gesagt: „Räumt alles auf, was mit Hitler zu tun hat“, erinnert sich Leiber. Im Kanonenofen, der die Werkstatt beheizte, habe er mit seinen Brüdern und der Mutter Bücher und Schriften und was sonst Hinweise auf das Dritte Reich gab, verbrannt. „Natürlich hatten die Älteren Angst, dass sie belangt werden.“
Als am Tag des Einmarsches am 21. April französische Panzer gesichtet wurden, versteckten sich Horst Leiber und seine Familie mit ein paar Vorräten in einem Bunker. „Unser Bunker war etwa 200 Meter vom Wohnhaus entfernt in unserem Gartengrundstück, das zwischen Unterdorfstraße (heute Hauptstraße) und Schulstraße liegt, eingegraben“, schreibt Leiber. „Wir hatten wahrlich Angst, ganz klar“, sagt er.
Die Einrichtung der Werkstatt der Familie sei von der französischen Besatzung ausgeräumt worden. Bis heute kann er sich an eine Begegnung noch ganz genau erinnern. Der damals sechsjährige Horst Leiber stand am Fenster des elterlichen Schlafzimmers, als ein Panzer daran vorbeifuhr. „Ich bin ganz erschrocken, als ich den Soldaten sah“, erinnert sich Leiber. Denn: Der Panzer sei so hoch gewesen, dass er den Soldaten vom Fenster aus direkt sehen konnte.
„Der Soldat hat mich gesehen und mir eine olivfarbige Blechdose hochgereicht. Für mich war er in dem Moment der Größte. Das stelle ich mir heute noch vor.“Kekse, Bonbons und Schokolade habe der junge Horst Leiber darin gefunden. Weniger begeistert als Horst Leiber sei dessen
Vater Valentin gewesen. „Ich habe meinem Vater mit Stolz erzählt, dass ich beschenkt wurde. Er meinte zu mir: Und mir haben sie die Werkstatt ausgeräumt.“
Eine weitere Erinnerung Leibers: „Es war immer etwas los.“Gemeinsam mit seinen älteren Brüdern und Freunden sei er durch die „Gässle“gezogen. „Bei den Streifzügen haben wir immer etwas gefunden. Benzin, Geschosse, meistens von Maschinengewehren, aber auch Handgranaten.“Ein solcher Fund endete für einen Jungen im Dorf tödlich, wie Leiber in seinen Aufzeichnungen berichtet: „Adolf Heller, er war etwas älter als ich, hat hinter dem Rathaus eine Handgranate gefunden. Er nahm sie mit und setzte sich auf die Bank, die vor dem elterlichen Haus im Hotterloch (heute Rosenstraße) stand. Er wollte den eiförmigen Fund aufschrauben und nahm ihn zwischen die Beine. Eine schreckliche Explosion beendete sein noch junges Leben“, ist dort zu lesen.
Ein Relikt aus der Nachkriegszeit sei bis heute in der Gemeinde im Einsatz, berichtet Leiber. „Eine Schelle, die noch heute jeweils zur Fasnachtszeit vom Narrenpolizist genutzt und wegen des guten Klangs wohl behütet wird.“Leiber erzählt: „Dort, wo heute der Bauhof Störk ist, sind damals Geschütze gestanden, die die SS-Soldaten befeuerten, die sich im Wald in Richtung Mauenheim versteckten.“Aus einer der Kartuschen habe Leibers Bruder Erich die Glocke gedreht. Doch nicht nur das. „Die Kartuschen waren etwa 40 bis 50 Zentimeter lang und hatten einen Durchmesser von zehn Zentimetern. Mein Vater hat Schulterklappen daraus gemacht. Sie haben geglänzt und waren eine Aufwertung für die Uniform der Soldaten.“Und noch eine Erinnerung kann er damit verbinden: Ausgangssperren. „Untertags durfte man dann nicht raus. An Tagen, an denen der Beschuss war, saßen wir immer in der Küche und haben Spiele, wie Mensch ärgere dich nicht, gespielt.“