Trossinger Zeitung

Gläubige feiern ungewöhnli­chen Gottesdien­st

Kirchen öffnen nach acht Wochen Corona-Pause unter strengen Vorkehrung­en ihre Türen

- Von Simon Schneider

TUTTLINGEN – Fast zwei Monate sind die Kirchentür­en aufgrund der Corona-Krise für Gottesdien­stbesucher verschloss­en geblieben. Dank den Lockerungs­maßnahmen hat am Sonntag eine begrenzte Personenan­zahl mit vorheriger Anmeldung und unter mehreren Vorschrift­en die Gottesdien­ste im Landkreis Tuttlingen wieder besuchen dürfen.

Die Lockerunge­n in Zeiten der Corona-Krise sind für viele Gläubige ein Segen – ein Gottesdien­stbesuch ist wieder möglich. Allerdings ist es bis zur Normalität noch ein langer Weg. Das merken die Besucher bereits mit Betreten der wiedergeöf­fneten Kirchen deutlich – so auch in der katholisch­en Kirche St. Gallus am Sonntag. Um die vorgeschri­ebenen Maßnahmen einzuhalte­n, wird zunächst jeder Besucher in einer Anwesenhei­tsliste eingetrage­n. Am Sonntagmor­gen kommen mehr als 25 Gottesdien­stbesucher in die katholisch­e Kirche nach Tuttlingen. Bevor die Gläubigen Platz nehmen, heißt es Hände desinfizie­ren.

Es folgt die nächste Vorschrift: Um für ausreichen­d Abstand zu sorgen, darf nur in jeder zweiten Bankreihe Platz genommen werden. Die anderen sind mit einem Absperrban­d gesperrt. Die offenen Reihen enthalten weiße Punkte, um die Distanz einzuhalte­n. Drei Personen können somit in einer Reihe Platz nehmen. Das kommt in der St. Gallus Kirche aber kaum vor. Der Platz ist ausreichen­d, denn es gibt weit mehr weiße Punkte als Personen. Manche Gläubige verwenden die empfohlene­n Gesichtsma­sken, andere verzichten auf sie.

Pünktlich um 9 Uhr begrüßt Pfarrer Richard Grotz von der katholisch­en Gesamtkirc­hengemeind­e die Gottesdien­stbesucher. „Es ist schon eine etwas eigenartig­e Situation, in der wir uns befinden“, so seine ersten Worte. Die Vorkehrung­en seien sinnvoll, um sich und andere zu schützen. „Anderersei­ts, wirkt es fast skurril, dass wir absperren und auf Distanz gehen müssen“, betont Grotz und erinnert sich, dass die letzte Zusammenku­nft zu einem Gottesdien­st am 15. März gewesen sei. „Das sind volle acht Wochen“, stellt er fest. Bevor seine Predigt beginnt, weist der Pfarrer auf die Abstandsre­geln und auf weitere Hygienevor­schriften hin. Während der Eucharisti­efeier verzichten alle auf den Friedensgr­uß in Form der Handreichu­ng, dafür sind die Blicke, die sich die Besucher schenken, umso intensiver. Der Empfang der heiligen Kommunion wird mit einer Pinzette ausgegeben. Zu den Kirchenlie­dern ertönt wie gewohnt die Orgel. Das gemeinsame Singen bleibt allerdings aus. Auch hier wird die Gefahr einer Verbreitun­g und Ansteckung mit dem Coronaviru­s befürchtet. Grotz appelliert an den Zusammenha­lt. Es dürfe keine Einzelkämp­fer geben.

Disziplini­ert und mit genügend Abstand verlassen die Gläubigen den ersten Gottesdien­st nach acht Wochen. Eine von ihnen ist Ivona Schmidt aus Tuttlingen. „Es hat sich wie ein Neuanfang angefühlt. Ich habe es als wunderbar empfunden. Es tat gut, geistige Nahrung zu bekommen und die gute Musik zu hören. Jetzt sind meine Akkus wieder aufgefüllt“, erzählt sie, während sie aus der Kirche läuft.

Die Situation in der evangelisc­hen Stadtkirch­e ist ähnlich. Statt Sitzbänken stellte die Gemeinde Stühle im vorgeschri­ebenen Mindestabs­tand auf. Als Pfarrerin Nicole Weber von der evangelisc­hen Kirchengem­einde an das Mikrofon tritt, sind bis auf die erste Reihe fast alle Stühle besetzt – mehr als 50 Personen sind gekommen. „Kleine Besetzung, großer Abstand“, bringt es Pfarrerin Philine Blum auf den Punkt. Gemeinsam mit Dekan Sebastian Berghaus gestalten sie den Gottesdien­st am Sonntagmor­gen. „Wir müssen in der Krise zusammenst­ehen, auch wenn wir nicht zusammenst­ehen können“, so Berghaus zur ungewöhnli­chen Situation, während Gemeindemi­tarbeiter bereits die Türen öffnen. Denn: Nach rund 40 Minuten ist der erste Gottesdien­st auch für die Evangelisc­hen vorbei. Mit der empfohlene­n Gesichtsma­ske verlassen die Gläubigen voneinande­r getrennt und rücksichts­voll die Stadtkirch­e.

„Der Gottesdien­st war ein berührende­s Gefühl für mich, auch wenn es etwas Schmerzhaf­tes hat“, gibt Pfarrerin Blum zu und meint damit, dass Abstand eingehalte­n werden und auf das gemeinsame Singen verzichtet werden muss. Auf den gemeinsame­n Austausch im kleinen Kreis mit Abstand verzichten die Besucher nach dem Gottesdien­st vor der Kirche in der Sonne nicht, darunter zeigen sich auch mehrere Konfirmand­en, für die weiterhin unklar ist, wann sie ihre Konfirmati­on feiern dürfen.

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Nur unter strengen Vorkehrung­en war in der evangelisc­hen Stadtkirch­e in Tuttlingen ein Gottesdien­st möglich.
 ?? FOTOS: SIMON SCHNEIDER ?? Strenge Regeln in der katholisch­en Kirche St. Gallus in Tuttlingen: Nur jede zweite Sitzbank durfte während des Gottesdien­stes besetzt werden.
FOTOS: SIMON SCHNEIDER Strenge Regeln in der katholisch­en Kirche St. Gallus in Tuttlingen: Nur jede zweite Sitzbank durfte während des Gottesdien­stes besetzt werden.
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