„Leute haben Angst, sich beim Einkaufen anzustecken“
Zahl der Kunden in Trossinger Geschäften sinkt nach Einführung der Maskenpflicht – „Trossingen-Mall“soll kommen
TROSSINGEN - Die Krise ist für die Trossinger Geschäfte offenbar noch lange nicht vorbei: Nachdem die Umsätze nach der Wiederöffnung zunächst wieder anzogen, stellen die Händler nun fest, dass die Kundenzahl seit Einführung der Maskenpflicht wieder zurückgeht. Der Gewerbeverein will nun verstärkt auf die digitale Schiene setzen und plant eine „Trossingen-Mall“zum OnlineShoppen.
„Wir stellen fest, dass die Kundenfrequenz noch sehr zurückhaltend ist. In der ersten Woche nach der Öffnung waren ordentlich Umsätze vorhanden, die jedoch nach der Einführung der Maskenpflicht wieder abgeflacht sind“, sagt Alexander Keller vom Modehaus Weinmann, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Trossingenactiv. „Sollten sich die momentanen Umsätze in den nächsten Wochen/Monaten etablieren, wird dies sicherlich den einen oder anderen Händler in Schwierigkeiten bringen.“
Deshalb mache sich die Werbegemeinschaft gerade Gedanken über eine Aktion zur Unterstützung. „Wir hatten vor, den verkaufsoffenen Pfingstmontag (ohne Markt und Rummel) zu nutzen, der jedoch leider nicht genehmigt wurde. Jetzt planen wir eine Aktion, welche den Umständen entsprechend angepasst/ möglich ist.“Zum veränderten Kaufverhalten meint Keller: „Unsere Kunden und Mitarbeiter gehen mit gutem Beispiel voran, auch wenn viele Kunden die Maske nicht gerne tragen.“
Der Trossinger Gewerbeverein will nun in die Offensive gehen: Laut Vorstandsmitglied Stefan Kern fand kürzlich ein Online-Workshop mit 14 Trossinger Einzelhändlern statt unter dem Arbeitstitel „TrossingenMall“. Der Gewerbeverein wolle den Bereich Online-Shopping verstärken und schauen, „wie wir in den virtuellen Verkauf einsteigen – bei der digitalen Vermarktung hängt Deutschland im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften hinterher“. In der „Trossingen-Mall“könnten sich Kunden Produkte virtuell anschauen und erwerben. Derzeit würden Trossinger
Unternehmen befragt, ob sie mitmachen – bis 22. Mai hätten sie Zeit für eine Antwort.
Stefan Kern zur Startvoraussetzung: „Insgesamt bräuchten wir zehn Unternehmen, die sich zum Mitmachen bereit erklären.“Die Software stehe weitgehend, bei der Kampagne wirkt der Gewerbeverein mit der Trossinger Firma Matoma zusammen. Zur Trägerschaft sagt Kern, dass diese eventuell über eine Genossenschaft gesteuert werden könne. Wenn alles gut laufe, könne die „Trossingen-Mall“in den Sommerferien starten.
Der Gewerbeverein zählt laut Kern rund hundert Mitglieder. Kein Unternehmen sei durch die CoronaPandemie
bislang in eine „akute existenzielle Krise“geraten, „mir ist jedenfalls keines bekannt“. Er habe den Eindruck, dass die Einzelhändler „sehr kreativ“mit der Zwangspause umgegangen seien und nun „nahtlos wieder im Flow“seien. Nach der Wiederöffnung sei es gut angelaufen. Davon unterscheiden müsse man die Gewerbebetriebe: So herrsche bei Trossinger Maschinenbaubetrieben „die grundsätzliche Sorge, wie es weitergeht – aber auch sie fahren langsam wieder hoch“.
Und was sagen die Händler selbst? „Die Kundenresonanz ist nicht wie vor der Krise – die Leute haben Angst, sich beim Einkaufen anzustecken“, befindet Dirk Messmer
vom Schuhhaus Dufner. Auch wegen der Maskenpflicht habe „keiner Lust einzukaufen – die Schutzmasken sind dem Einkaufserlebnis nicht förderlich“. Getätigt würden lediglich „Bedarfskäufe – aber es kommen keine bummelnden Kunden, die sich inspirieren lassen wollen“. Die Maskenpflicht sei eingehalten worden, „wir mussten niemand ermahnen“.
„Das Shopping-Erlebnis mit Maske ist nicht wie ohne – es wird warm und ist lästig“, sagt auch Annette Drössler vom Bilger Modehaus Exklusiv. Es kämen „eindeutig weniger Kunden als vor der Krise“– wie hoch der Schwund prozentual in etwa ist, kann sie nicht sagen. Dabei sei es im
Modehaus „überhaupt kein Problem, die Abstandsregeln einzuhalten“. Gut angenommen werde das Angebot von „Personal Shopping“allein in einem eigenen Bereich, für das Kunden einen Termin ausmachen müssten. Für den Fall, dass ein Kunde keine Schutzmaske habe, hätte das Geschäft selber einige angefertigt.
Für manche Läden hat die Krise auch positive Auswirkungen – etwa für das Biofachgeschäft Brummer, das als systemrelevantes Geschäft während der Zwangspause offen blieb. Während der Schließung anderer Geschäfte seien in den Bioladen „auch Kunden gekommen, die zuvor nicht da waren“, sagt Gerhard Brummer. Und einige kämen nun weiterhin. Er habe „gute Umsatzzuwächse“verzeichnet, inzwischen sei es nach Öffnung der anderen Läden „wieder ruhiger, aber immer noch besser als vor Corona“. Die Kunden würden sich an die auf dem Boden angebrachten rot-weißen Abstandsstreifen halten und ebenso an die Maskenpflicht.
Auch in den Baumärkten war in den vergangenen Wochen wenig zu spüren von der Krise: „Wir hatten immer auf und es war mehr als gut gefüllt“, berichtet Claudio Morano vom Efinger Baumarkt. Weil Kunden die Baumärkte „gestürmt“hätten, hätten diese eher das Problem verlängerter Lieferzeiten in den Griff bekommen müssen. Seit der allgemeinen Wiederöffnung habe der Andrang ein wenig nachgelassen, „es hat sich fast normalisiert, knapp über dem normalen Niveau“.
Leere Kirchen, volle Baumärkte – auch der Einhaltung der Abstandsregeln muss der Efinger Baumarkt Herr werden: „Als es noch keine Maskenpflicht gab, haben wir keine Kunden mehr reingelassen, wenn es zu voll war im Markt“, berichtet Morano. Zehn Quadratmeter pro Kunde habe man angesetzt, an den Kassen Abstandsmarkierungen angebracht. „Die Kunden haben sich an die Vorgaben gehalten.“
Manche hätten jedoch trotz Pflicht keine Schutzmaske angehabt. „Wir haben sie darauf hingewiesen – und ein oder zwei, die sie nicht tragen wollten, haben wir rauskomplimentiert.“