Amphibien sitzen auf dem Trockenen
THW rettet Tiere in Feuchtbiotopen im Primtal – Naturschützer fordern mehr dauerhafte Gewässer
KREIS TUTTLINGEN - Der Klimawandel und die damit einhergehende Trockenheit bedroht zusehends auch die Fauna im Landkreis Tuttlingen. Jüngst musste das Technische Hilfswerk im Primtal Amphibien retten, weil der Wasserstand in Feuchtbiotopen nach mehreren trockenen Wochen im April gefährlich niedrig war. Naturschützer fordern, mehr dauerhafte Gewässer anzulegen, um den Fortbestand von Fröschen, Kröten und Molchen in der Region dauerhaft zu sichern.
In der letzten Aprilwoche war der Wasserstand in Feuchtbiotopen in Gemeindewäldern im Raum Spaichingen/Tuttlingen derart niedrig, dass teilweise nur noch Schlick und Schlamm übrig geblieben waren. Und das genau zu dem Zeitpunkt, an dem sich Amphibien üblicherweise vermehren. Matthias Gerlach, Revierförster für Dürbheim und Balgheim, wurde aktiv, um die Zeit bis zum nächsten Regen zu überbrücken. Er ist Mitglied im Technischen Hilfswerk Tuttlingen. Knapp zehn Helfer füllten Wasser vom Hydranten in zwei 1000-Liter-Behälter, fuhren mit dem Laster zu verschiedenen Feuchtbiotopen, verlegten einen CSchlauch und füllten die Biotope auf. Bereits nach wenigen Minuten seien die ersten Molche aus dem Schlamm hervorgekommen.
Im Gemeindewald Dürbheim waren die Tierretter im Distrikt Buch im Einsatz, am Wanderparkplatz Richtung Rußberg hinter der ehemaligen Pflanzschulhütte; in Balgheim an zwei Biotopen, hinter dem Friedhof Richtung Glems und an der Verschwenderhütte. „Da der April ungewöhnlich trocken war, waren die Feuchtbiotope ausgetrocknet“, berichtet Gerlach. Dann bestehe die Gefahr, dass dort im Frühjahr, wenn Frösche und Molche laichen, Kaulquappen sterben, „wenn sie schlüpfen und kein Wasser da ist“. Im Wasser suchten sie Nahrung, bis sie erwachsen seien. Auch wenn sie das Wasser im Herbst verließen, bräuchten sie eine feuchte Witterung und Haut zum Laufen, da sie auch über die Haut atmen, erläutert Gerlach.
Zum Überwintern suchten sie einen Unterschlupf im Wald, im Frühjahr darauf fänden sie den Weg zurück zum Ort, an dem sie geschlüpft waren, suchen einen Partner und laichen. „Lange Trockenphasen vertragen Amphibien schlecht“, sagt Gerlach. „Eine Woche macht ihnen nichts aus, aber wenn es, wie im April, vier Wochen trocken ist, haben sie es schwer.“Immer wieder entstünden in der Natur Wasserlöcher, „manche sind nur zehn bis 15 Quadratmeter groß“. So auch im Raum Spaichingen/Primtal, auf dem Heuberg hingegen seien Feuchtbiotope seltener, weil es dort weniger Quellen gebe.
Dort gebe es weniger Feuchtflächen, weil der Heuberg verkarstet sei, ergänzt Berthold Laufer, Vorsitzender der Tuttlinger BUND-Gruppe und Amphibien-Experte. Mehr Tümpel, auch künstlich angelegte, bestünden im Raum Trossingen/Aldingen. Weitere Feuchtbiotope seien die Teiche in der Dörre in Spaichingen. Grasfrösche seien „Frühlaicher“, ihnen folgten zeitlich Erdkröten
und dann Bergmolche – die drei Amphibienarten, die im Landkreis Tuttlingen häufig vorkämen. Gelbbauchunken seien schon „deutlich seltener, und auch beim Laubfrosch sieht es schlecht aus“. Der sei etwa in Tuttlinger Gewässern „weitgehend verschwunden“. Grund: die Trockenlegung von Gewässern und das Verschwinden von Feuchtwiesen.
„Amphibien sind abhängig von der Wassersituation im Frühjahr“, sagt Laufer. „Wenn häufig Trockenheit herrscht, sieht es mit der Fortpflanzung schlecht aus.“Amphibien würden deshalb weniger oder gar nicht laufen, „die Paarung fällt dann im schlimmsten Fall aus“. Und wenn sich bei Grasfrosch oder Erdkröte doch Nachwuchs einstellt, bestehe die Gefahr, dass die Larven nicht überleben. „Diese winzigen Körper trocknen sehr schnell aus.“
Aus Sicht der Naturschützer sind deshalb Verbesserungen notwendig. Mehr beständige Gewässer müssten angelegt werden, sagt Laufer. Weil Amphibien oft in unbeständigen Gewässern wie Tümpeln laichen, „die auch mal austrocknen können“. Er regt an, als Ausgleich für Bauprojekte verstärkt Teiche anzulegen. Ein weiterer Ansatz sei es, ausgetrocknete Gewässer mit einer Lehmschicht zu versehen und „zu versuchen, diese so abzudichten, dass sie Regenwasser besser halten können.“Wobei Laufer betont, dass jeder, der ein Gewässer anlegen wolle, zuvor mit Experten sprechen solle, die sich mit dem betreffenden Areal auskennen würden.
„Entlang des Primtals gibt es immer wieder Überschwemmungsflächen, Bachläufe und Quellbereiche sowie Weiher und Tümpel, in denen und in deren Umgebung Amphibien vorkommen können“, erläutert Julia Hager, Pressesprecherin des Tuttlinger Landratsamts. „Hier wird es sowohl Bereiche geben, die periodisch austrocknen, als auch Bereiche, die ganzjährig Wasser führen.“Das periodische Austrocknen von Wasserstellen gehöre zur Natur und sei „auch wichtig, da dadurch eine Ansiedlung von Fischen und Großlibellen verhindert wird“. Diese zählten zu den größten Fressfeinden von Kaulquappen.
Amphibien kämen mit Trockenheit generell eher schlecht zurecht, da sie über die Haut Flüssigkeit aufnähmen, „das heißt, sie trinken quasi über die Haut“, so Hager. Zum Teil könnten Trockenperioden dadurch ausgeglichen werden, „dass nicht alle adulten Tiere einer Population am Laichgeschäft teilnehmen. Ein Teil überdauert im Winterquartier und kann so ein schlechtes Jahr kompensieren.“ In wie weit sich aber lang anhaltende Trockenperioden, auch infolge eines anthropogenen Klimawandels, auf den Bestand der Amphibien auswirken, werde erst seit kurzem untersucht. „Ergebnisse liegen uns noch nicht vor.“
Hager: „Wichtig im Hinblick darauf ist es, vor allem ursprünglich feuchte Lebensräume wieder herzustellen und miteinander zu vernetzen.“Das sei der Hintergedanke des sogenannten „Biotopverbunds“: Er umfasse eine Konzeptplanung, die zwischen den bereits vorhandenen Feuchtbiotopen sogenannte „Trittsteine“, beispielsweise in Form von Tümpeln oder der Renaturierung von Gräben, schaffe. „Dadurch wird erreicht, dass zwischen einzelnen, räumlich getrennten Teillebensräumen, ein Austausch entsteht.“Dieser ermögliche es Arten, besser auf Umweltereignisse wie Trockenheit zu reagieren.