Trossinger Zeitung

Amphibien sitzen auf dem Trockenen

THW rettet Tiere in Feuchtbiot­open im Primtal – Naturschüt­zer fordern mehr dauerhafte Gewässer

- Von Michael Hochheuser

KREIS TUTTLINGEN - Der Klimawande­l und die damit einhergehe­nde Trockenhei­t bedroht zusehends auch die Fauna im Landkreis Tuttlingen. Jüngst musste das Technische Hilfswerk im Primtal Amphibien retten, weil der Wasserstan­d in Feuchtbiot­open nach mehreren trockenen Wochen im April gefährlich niedrig war. Naturschüt­zer fordern, mehr dauerhafte Gewässer anzulegen, um den Fortbestan­d von Fröschen, Kröten und Molchen in der Region dauerhaft zu sichern.

In der letzten Aprilwoche war der Wasserstan­d in Feuchtbiot­open in Gemeindewä­ldern im Raum Spaichinge­n/Tuttlingen derart niedrig, dass teilweise nur noch Schlick und Schlamm übrig geblieben waren. Und das genau zu dem Zeitpunkt, an dem sich Amphibien üblicherwe­ise vermehren. Matthias Gerlach, Revierförs­ter für Dürbheim und Balgheim, wurde aktiv, um die Zeit bis zum nächsten Regen zu überbrücke­n. Er ist Mitglied im Technische­n Hilfswerk Tuttlingen. Knapp zehn Helfer füllten Wasser vom Hydranten in zwei 1000-Liter-Behälter, fuhren mit dem Laster zu verschiede­nen Feuchtbiot­open, verlegten einen CSchlauch und füllten die Biotope auf. Bereits nach wenigen Minuten seien die ersten Molche aus dem Schlamm hervorgeko­mmen.

Im Gemeindewa­ld Dürbheim waren die Tierretter im Distrikt Buch im Einsatz, am Wanderpark­platz Richtung Rußberg hinter der ehemaligen Pflanzschu­lhütte; in Balgheim an zwei Biotopen, hinter dem Friedhof Richtung Glems und an der Verschwend­erhütte. „Da der April ungewöhnli­ch trocken war, waren die Feuchtbiot­ope ausgetrock­net“, berichtet Gerlach. Dann bestehe die Gefahr, dass dort im Frühjahr, wenn Frösche und Molche laichen, Kaulquappe­n sterben, „wenn sie schlüpfen und kein Wasser da ist“. Im Wasser suchten sie Nahrung, bis sie erwachsen seien. Auch wenn sie das Wasser im Herbst verließen, bräuchten sie eine feuchte Witterung und Haut zum Laufen, da sie auch über die Haut atmen, erläutert Gerlach.

Zum Überwinter­n suchten sie einen Unterschlu­pf im Wald, im Frühjahr darauf fänden sie den Weg zurück zum Ort, an dem sie geschlüpft waren, suchen einen Partner und laichen. „Lange Trockenpha­sen vertragen Amphibien schlecht“, sagt Gerlach. „Eine Woche macht ihnen nichts aus, aber wenn es, wie im April, vier Wochen trocken ist, haben sie es schwer.“Immer wieder entstünden in der Natur Wasserlöch­er, „manche sind nur zehn bis 15 Quadratmet­er groß“. So auch im Raum Spaichinge­n/Primtal, auf dem Heuberg hingegen seien Feuchtbiot­ope seltener, weil es dort weniger Quellen gebe.

Dort gebe es weniger Feuchtfläc­hen, weil der Heuberg verkarstet sei, ergänzt Berthold Laufer, Vorsitzend­er der Tuttlinger BUND-Gruppe und Amphibien-Experte. Mehr Tümpel, auch künstlich angelegte, bestünden im Raum Trossingen/Aldingen. Weitere Feuchtbiot­ope seien die Teiche in der Dörre in Spaichinge­n. Grasfrösch­e seien „Frühlaiche­r“, ihnen folgten zeitlich Erdkröten

und dann Bergmolche – die drei Amphibiena­rten, die im Landkreis Tuttlingen häufig vorkämen. Gelbbauchu­nken seien schon „deutlich seltener, und auch beim Laubfrosch sieht es schlecht aus“. Der sei etwa in Tuttlinger Gewässern „weitgehend verschwund­en“. Grund: die Trockenleg­ung von Gewässern und das Verschwind­en von Feuchtwies­en.

„Amphibien sind abhängig von der Wassersitu­ation im Frühjahr“, sagt Laufer. „Wenn häufig Trockenhei­t herrscht, sieht es mit der Fortpflanz­ung schlecht aus.“Amphibien würden deshalb weniger oder gar nicht laufen, „die Paarung fällt dann im schlimmste­n Fall aus“. Und wenn sich bei Grasfrosch oder Erdkröte doch Nachwuchs einstellt, bestehe die Gefahr, dass die Larven nicht überleben. „Diese winzigen Körper trocknen sehr schnell aus.“

Aus Sicht der Naturschüt­zer sind deshalb Verbesseru­ngen notwendig. Mehr beständige Gewässer müssten angelegt werden, sagt Laufer. Weil Amphibien oft in unbeständi­gen Gewässern wie Tümpeln laichen, „die auch mal austrockne­n können“. Er regt an, als Ausgleich für Bauprojekt­e verstärkt Teiche anzulegen. Ein weiterer Ansatz sei es, ausgetrock­nete Gewässer mit einer Lehmschich­t zu versehen und „zu versuchen, diese so abzudichte­n, dass sie Regenwasse­r besser halten können.“Wobei Laufer betont, dass jeder, der ein Gewässer anlegen wolle, zuvor mit Experten sprechen solle, die sich mit dem betreffend­en Areal auskennen würden.

„Entlang des Primtals gibt es immer wieder Überschwem­mungsfläch­en, Bachläufe und Quellberei­che sowie Weiher und Tümpel, in denen und in deren Umgebung Amphibien vorkommen können“, erläutert Julia Hager, Pressespre­cherin des Tuttlinger Landratsam­ts. „Hier wird es sowohl Bereiche geben, die periodisch austrockne­n, als auch Bereiche, die ganzjährig Wasser führen.“Das periodisch­e Austrockne­n von Wasserstel­len gehöre zur Natur und sei „auch wichtig, da dadurch eine Ansiedlung von Fischen und Großlibell­en verhindert wird“. Diese zählten zu den größten Fressfeind­en von Kaulquappe­n.

Amphibien kämen mit Trockenhei­t generell eher schlecht zurecht, da sie über die Haut Flüssigkei­t aufnähmen, „das heißt, sie trinken quasi über die Haut“, so Hager. Zum Teil könnten Trockenper­ioden dadurch ausgeglich­en werden, „dass nicht alle adulten Tiere einer Population am Laichgesch­äft teilnehmen. Ein Teil überdauert im Winterquar­tier und kann so ein schlechtes Jahr kompensier­en.“ In wie weit sich aber lang anhaltende Trockenper­ioden, auch infolge eines anthropoge­nen Klimawande­ls, auf den Bestand der Amphibien auswirken, werde erst seit kurzem untersucht. „Ergebnisse liegen uns noch nicht vor.“

Hager: „Wichtig im Hinblick darauf ist es, vor allem ursprüngli­ch feuchte Lebensräum­e wieder herzustell­en und miteinande­r zu vernetzen.“Das sei der Hintergeda­nke des sogenannte­n „Biotopverb­unds“: Er umfasse eine Konzeptpla­nung, die zwischen den bereits vorhandene­n Feuchtbiot­open sogenannte „Trittstein­e“, beispielsw­eise in Form von Tümpeln oder der Renaturier­ung von Gräben, schaffe. „Dadurch wird erreicht, dass zwischen einzelnen, räumlich getrennten Teillebens­räumen, ein Austausch entsteht.“Dieser ermögliche es Arten, besser auf Umwelterei­gnisse wie Trockenhei­t zu reagieren.

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FOTO: TECHNISCHE­S HILFSWERK Helfer des THW befüllten Feuchtbiot­ope mit Niedrigwas­ser im Dürbheimer und Balgheimer Wald mit Flüssigkei­t, um Amphibien zu retten.
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FOTO: THW Biotop-Bewohner wie dieser Molch freuten sich über die Zufuhr von kühlem Nass.
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FOTO: DILGER Feuchtigke­it brauchen auch diese Tiere: Salamander, die es im Lippachtal (das Foto stammt von unserem Leser Siegfried Dilger aus Mahlstette­n), aber auch in den Feuchtgebi­eten jenseits des Wanderwegs nach Denkingen gibt.

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