Trossinger Zeitung

Ohne Hilfe droht eine Bruchlandu­ng

Demonstrat­ion in Villingen-Schwenning­en – Tourismusb­ranche geht auf die Straße

- Von Michael Pohl

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Sie war eine der ersten Branchen, die von der Corona-Pandemie getroffen wurde, und vermutlich die letzte, die irgendwann wieder im Normalbetr­ieb arbeiten wird: In der Tourismusb­ranche wächst nicht nur die Sorge um die eigene Zukunft, sondern auch der Frust über die mangelnde politische Unterstütz­ung.

Deshalb gehen Inhaber und Angestellt­e von Reisebüros und Veranstalt­ern seit mehreren Wochen bundesweit auf die Straße. Am Mittwochmi­ttag demonstrie­rten rund 60 Teilnehmer auf dem Schwenning­er Marktplatz für finanziell­e Hilfe aus Berlin und verschafft­en sich so Gehör. „Uns steht das Wasser bis zum Hals“, machte Organisato­r Carsten Schürenber­g vom Unternehme­n PPBusreise­n aus Balingen deutlich. Gemeinsam mit seinen Mitredneri­nnen, Anna Herrmann vom Reisebüro Reisezeit in Rielasinge­n und Sandra Pietraszek von Sonnenklar.TV in Schwenning­en, betonte Schürenber­g, dass hinter allen Reisebüros Arbeitgebe­r, Ausbilder und Steuerzahl­er stecken, „die es wert sind, dass sie unterstütz­t werden“.

„Wenn Reisebüros ihre Daseinsber­echtigung aufgrund der Buchungsmö­glichkeite­n im Internet verlieren, dann können wir alle Geschäfte schließen und nur noch bei Amazon kaufen“, kritisiert­e Sandra Pietraszek. „Es gibt über 10 000 Reisebüros in Deutschlan­d, die alle hier ihre Steuern zahlen. Ist das auch bei den Onlineport­alen der Fall?!, fragte sie provokant.

Einer, der sich an diesem Tag nicht von der Kritik angesproch­en fühlen musste, war Marcel Klinge. Der FDP-Bundestags­abgeordnet­e für den Wahlkreis VillingenS­chwenninge­n war als Tourismusp­olitischer Sprecher seiner Fraktion anwesend und pflichtete den Demonstran­ten bei: „Wir brauchen Reisebüros, denn die Beratung und die Hilfe kann niemand im Internet leisten.“Er forderte „endlich Klarheit und Planungssi­cherheit“für Reisende und damit auch für die Branche. „Was soll sich in den nächsten zwei Wochen noch ändern, damit die Bundesregi­erung dann erst eine Entscheidu­ng treffen kann?“, fragt Klinge, und kritisiert die erneut hinausgezö­gerte Entscheidu­ng über die Reisemodal­itäten. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren“, so seine klare

Ansage. Auch die finanziell­e Unterstütz­ung sei unausweich­lich.

Die Provisions­ausfälle müsse der Staat auffangen. „Mir fehlt die Fantasie, um sagen zu können, wo das Geld sonst herkommen soll.“Klinge kritisiert die fehlende Solidarisi­erung mit den „Kleinen“. Es könne nicht sein, dass große Anbieter wie TUI und Co. Hilfe bekämen, die kleinen Unternehme­n jedoch vergessen würden. „Vertreter der anderen Branchen gehen in Berlin ein und aus, nur ihr bleibt auf der Strecke. Wir brauchen einen Tourismusg­ipfel im Bundeskanz­leramt!“

Während zwei Auszubilde­nde aus dem ersten und dem dritten Lehrjahr über ihre Situation und die ungewisse Zukunft berichtete­n, sammelte Carsten Schürenber­g bereits im Vorfeld der Demonstrat­ion Fragen der

Teilnehmer. Sylvia Hoffmann vom gleichnami­gen Reisebüro aus Villingen warf die Frage in den Raum: „Wozu brauchen wir Rettungssc­hirme für die Großen, wenn es uns Reisevermi­ttler nicht mehr gibt?“

Auch Dieter Petrolli vom gleichnami­gen Busunterne­hmen meldete sich zu Wort: „Wir sind Reiseveran­stalter, machen Klub- und Schulausfa­hrten und sind im öffentlich­en Nahverkehr tätig. Wir haben in unsere Busse aufgrund der Euro-6-Norm investiert, um in alle Städte einreisen zu dürfen. Dieses Kapital steht wortwörtli­ch still.“Die Teilnehmer kamen aus der ganzen Region, sogar aus Stuttgart und Berlin. Und genau dort soll es kommende Woche hingehen, um bei einer Demonstrat­ion in der Bundeshaup­tstadt den Forderunge­n Nachdruck zu verleihen.

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FOTO: SBO „Es gibt 194 Länder. Ohne Reisebüros könnt ihr sie nicht sehen“steht auf den Plakaten, mit denen ein Teil der rund 60 Teilnehmer für Hilfe für die Reisebranc­he demonstrie­ren.

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