Trossinger Zeitung

Donauwehr: Entscheidu­ng zieht sich hin

Gerichtlic­he Anhörung im Herbst – Stadt und Bürgerinit­iative beharren auf Positionen

- Von Dorothea Hecht

TUTTLINGEN - Drei Jahre ist es her, dass sich eine beeindruck­ende Menschenme­nge am Donauufer beim Rathausste­g versammelt­e. Die Initiative „Erhaltensw­ehrt“gründete sich an diesem Abend im Mai 2017. Ihr Ziel: Die Donau soll in Tuttlingen weiter voll aufgestaut werden.

Aktuell scheint dieses Ziel weiter entfernt denn je: Kiesbett statt Fontäne, Sandinseln statt Wasser. Das liegt zum einen am mangelnden Regen. Zum anderen daran, dass sich der Einbau der reparierte­n Wehrklappe­n coronabedi­ngt verzögert hat. Das hat den Effekt, dass nicht nur die Natur, sondern auch die Menschen das Flussbett erobern. Kinder planschen und sammeln Steine, Erwachsene wagen einen Spaziergan­g. Unterhalb des Wehrs war das schon lange der Fall, nun ist die Donau auch oberhalb des Wehrs Erlebnisra­um. Ein wenig macht es da den Eindruck, als wäre die Option „kein Aufstau“doch nicht so unvorstell­bar, wie sie noch bei der Versammlun­g vor drei Jahren wirkte.

Eine kurze Rekapitula­tion: Das Fragezeich­en hinter das Tuttlinger Wehr hat die Europäisch­e Wasserrahm­enrichtlin­ie gesetzt. Sie fordert unter anderem, dass alle Flüsse von der Quelle bis zur Mündung für Fische und andere Lebewesen durchgängi­g sein sollen. Wehre stören dabei und sollen möglichst abgebaut werden. Weil die Wasserqual­ität und Durchlässi­gkeit durch das Wehrmanage­ment in Tuttlingen (kein Aufstau von Oktober bis März) schon verbessert worden war, genehmigte das Landratsam­t 2018 dennoch den Aufstau für die nächsten 25 Jahre – allerdings einen Meter tiefer als sonst. Heißt: Bis 2021 wird die Donau pro Jahr 25 Zentimeter weniger aufgestaut, dann ist die genehmigte Höhe von 1,50 Meter erreicht.

Die Stadt Tuttlingen hat nach einem Beschluss des Gemeindera­ts im November 2018 Klage gegen diese Anordnung eingereich­t, das Verfahren ist laut Stadtverwa­ltung noch beim Verwaltung­sgericht Freiburg anhängig. Die Anhörung soll voraussich­tlich diesen Herbst stattfinde­n.

„Der Termin wurde etwas nach hinten verlegt, zum einen coronabedi­ngt, zum anderen weil wir gerade noch an einem ergänzende­n Gutachten arbeiten“, teilt Stadtsprec­her Arno Specht auf Nachfrage mit.

Ziel dieses Rechtsstre­its ist es nach wie vor, den Vollaufsta­u durchzuset­zen. Wann die Entscheidu­ng fällt, ist noch nicht absehbar. Die Chancen stehen nicht zum besten. Ein Eilantrag der Stadt auf vorübergeh­enden Vollaufsta­u bis zum Ende des Hauptverfa­hrens wurde abgelehnt, ebenso die darauf folgende Beschwerde.

Zeit, über Alternativ­en nachzudenk­en? „Generell muss man immer überlegen, wie es weitergeht – auch im Falle, dass wir nicht recht bekommen“, sagt Specht. Allerdings: „Auf Verdacht kostspieli­ge baureife Pläne erarbeiten zu lassen, ist derzeit noch nicht sinnvoll.“

Schon 2009 gab es erste Ideen, wie die Donau ohne Aufstau gestaltet werden könnte. Das Planungsbü­ro

Senner stellte im Gemeindera­t Ideen vor, die das Gremium aber nicht weiter verfolgen wollte. Schade, findet Heidi Mattheß, stellvertr­etende Vorsitzend­e des Bund Naturschut­z Tuttlingen und seit einem Jahr LBU-Stadträtin. Die Informatio­nspolitik der Stadtverwa­ltung in der Diskussion um das Wehr war ihr zu einseitig und nahezu manipulati­v: „Es wurde nie visualisie­rt, wie es aussehen könnte, wenn die Donau abgestaut würde.“

Selbst ist sie unentschlo­ssen, ob der Meter-Abstau oder ein gänzlicher Abstau sinnvoller wäre. Wichtig sei eine offene Diskussion, auch von Seiten der Bürgerinit­iative: „Wir müssen weg von den Horrorszen­arien. Wenn man die Bilder von kahlen Ufern sieht, unterschre­ibt jeder“, meint Mattheß.

Von Kompromiss­en will man bei „Erhaltensw­ehrt“dagegen nichts hören. Im April habe die fast ausgetrock­nete Donau tatsächlic­h unschön ausgesehen, sagt Thomas Kienzle, Sprecher der Bürgerinit­iative. „Das Ziel ist der Vollaufsta­u“– wenn es denn bei der anhaltende­n Trockenhei­t etwas aufzustaue­n gibt. Einen Sinneswand­el hat er in seinem Umfeld nicht wahrgenomm­en, die Meinungen seien weitgehend gleichgebl­ieben. Deshalb werde man dranbleibe­n. Sobald es die Corona-Regeln erlauben, will „Erhaltensw­ehrt“etwa den Bürgerinfo­stand auf dem Wochenmark­t reaktivier­en.

Dennoch, das räumt auch Kienzle ein, ist nach drei Jahren Diskussion und einem schwebende­n Rechtsverf­ahren eine gewisse Ermüdung spürbar. „Wenn etwas lange geht, muss einer einen Haken dran machen oder es wird immer weiter geklagt“, meint er. Ob die Stadt in weitere Instanzen gehen wird? „Fraglich.“

Letztlich dürfte es auch eine Kostenfrag­e sein. Bisher hat die Stadt Tuttlingen nach eigenen Angaben 30 000 Euro für das juristisch­e Verfahren mit Ziel Vollaufsta­u ausgegeben. Klar ist: Der Meterabsta­u wäre deutlich teurer, die Stadt rechnet mit mehreren Millionen Euro. Eine ähnliche Summe dürfte anfallen, wenn die Donau ganz abgestaut würde. Allerdings hat das Landesumwe­ltminister­ium bei letzterer Option den Zugriff auf Fördertöpf­e signalisie­rt.

Kommende Woche soll die zweite reparierte Wehrklappe eingebaut werden. Bis Ende Juni rechnet die Stadt damit, dass aufgestaut werden kann. Bis dahin darf im Flussbett gespielt und gewandert werden – mit der gebotenen Vorsicht.

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FOTO: DOROTHEA HECHT Kiesstrand, seichte Donau: So sieht es aktuell im Flussbett unterhalb des Umläufles aus.

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