Trossinger Zeitung

Wohl weniger Kinder als erhofft haben einen Platz

Entgegen des Plans wird wohl nicht die Hälfte der Kindergart­enkinder betreut - Keine verlässlic­hen Zahlen

- Von Sabine Felker

TROSSINGEN - Ein bisschen haben einige der Szenen, die sich am Montagmorg­en vor den Kindergärt­en im Landkreis Tuttlingen abgespielt haben, an Margarinen­werbung erinnert: Strahlende Eltern (meist Mütter), die ihre nicht weniger glückliche­n Kinder nach über zwei Monaten endlich wieder in den Kindergart­en bringen durften. Doch für wohl mehr als die Hälfte der Familien mit Kindern im Kindergart­enalter gibt es noch immer keine Lösung - sie müssen sich bis Ende Juni gedulden, dann, so Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU), sollen die Kindergärt­en wieder normal öffnen. Bis dahin sind es noch fünf Wochen. Die Kommunen selbst können nichts tun, sie sind abhängig von den Entscheidu­ngen der Landesregi­erung.

Seit Montag dürfen wieder 50 Prozent der Betreuungs­plätze belegt werden, so die Entscheidu­ng der Landesregi­erung. Für die Einrichtun­gen gibt es strenge Hygiene- und Abstandsre­geln, um mögliche Infektions­ketten so kurz wie möglich zu halten. Doch weil nicht alle gesetzlich­en Regelungen für Kindertage­sstätten an die neue Corona-Realität angepasst wurden, können viele Kindergärt­en nicht die erlaubten 50-Prozent ausschöpfe­n. Jungen und Mädchen unter drei Jahren, die in einer normalen Kindergart­engruppe betreut werden, belegen rechnerisc­h zwei Plätze. In normalen Zeiten soll das dafür sorgen, dass die Jüngsten der Gruppe dort nicht untergehen. Doch diese Regelung gilt auch jetzt und das führt dazu, dass manche Gruppen nicht die 50-Prozent-Belegung erreichen können (siehe Kasten).

Ein weiteres Problem stellt die Tatsache dar, dass in manchen Einrichtun­gen ein signifikan­ter Anteil der Erzieherin­nen zur Risikogrup­pe gehört. Zwar gibt es Betroffene, die trotzdem arbeiten, aber besonders die Mitarbeite­rinnen mit schweren Vorerkrank­ungen können nicht für die Arbeit mit den Kindern eingeteilt werden. Doch wie viele Kindergart­enplätze aus diesen Gründen nicht belegt werden können, weiß für den Landkreis Tuttlingen anscheinen­d niemand. Der Landkreis selbst sagt auf Anfrage unserer Zeitung, dass „ein genereller Rückschlus­s von der genehmigte­n Platzzahl auf ein Angebot im Rahmen der 50-Prozent-Regelung aus unserer Sicht nicht sinnvoll ist. Darüber hinaus ist die 50Prozent-Regelung ein Kann in Abhängigke­it der örtlichen Gegebenhei­ten. Dies bedeutet, dass es durchaus Einrichtun­gen geben kann und wird, die unter einem Angebot von 50 Prozent bleiben müssen, da es anders nicht machbar ist.“

Gelungen sei es aber, Kindern, deren familiäre Situation zu eskalieren droht, einen Platz in ihren jeweiligen Kindergärt­en zu besorgen. „Von unserer Seite sind wir in Konstellat­ionen aktiv geworden, bei welchen wir davon ausgehen, dass ein dringender Bedarf der Kinder zur Aufnahme in der erweiterte­n Notbetreuu­ng besteht, die Eltern jedoch eventuell von sich aus dahingehen­d gar nicht aktiv werden würden. Diese haben wir entspreche­nd beraten und auf eine Antragstel­lung insistiert und eine solche von unserer Seite unterstütz­t. Hierbei handelt es sich nach aktuellem Stand um etwa 35 Kinder“, so Julia Hager, Sprecherin des Landratsam­ts.

Das Kultusmini­sterium BadenWürtt­emberg sieht keinen Anlass, während des eingeschrä­nkten Betriebs die Regelung für Kleinkinde­r in altersgemi­schten Gruppen auszusetze­n. Christine Sattler, Pressespre­cherin des Ministeriu­ms dazu: „ Kinder in diesem Alter sind sehr betreuungs­intensiv. Jeder, der Kinder hat oder Kinder in dieser Altersspan­ne kennt, weiß das und kann es nachvollzi­ehen. Deshalb gibt es diese Regelung, damit die Erzieherin­nen und

Erzieher auch ihren Aufgaben pädagogisc­h gut nachkommen können. Daran hat sich durch das Corona-Virus auch nichts geändert. Die Kinder sind ja jetzt nicht auf einmal 'pflegeleic­hter’. Dazu kommt: Die Erzieherin­nen und Erzieher stoßen aufgrund der aktuellen Sondersitu­ation schon jetzt an ihre Grenzen, es wäre ihnen sicherlich nicht geholfen, wenn sie zusätzlich zu der aktuellen Belastung auch noch mehr Kinder betreuen müssen.“

Auch der KVJS, der Kommunalve­rband für Jugend und Soziales, der für die Betriebser­laubnisse der Kindergärt­en im Land zuständig ist, sieht keine Möglichkei­t, zumindest die erlaubten 50-Prozent in allen Einrichtun­gen auszuschöp­fen: „Aktuell geht es vorrangig darum, das Infektions­geschehen weiter einzudämme­n. Eine Ausweitung des aktuell in der Verordnung formuliert­en Kreises obliegt alleine dem Gesetzgebe­r und somit der baden-württember­gischen Landesregi­erung. Da kann der KVJS nichts aufweichen“, so die Sprecherin des Verbands.

Manche Kindergärt­en schaffen es mit Hilfe eines rolierende­n Systems, dass alle Kinder zumindest tageweise die Einrichtun­g besuchen können. Beispiele dafür sind die Kindertage­sstätten in Seitingen-Oberflacht, Denkingen und ein evangelisc­her Kindergart­en in Trossingen. Viele andere Einrichtun­gen haben die bereits existieren­den Notgruppen aufgestock­t. Vorrang haben hier meist

Kinder mit Förderbeda­rf – dabei kann es sich auch generell um Vorschüler handeln – oder solche, die unter schwierige­n familiären Bedingunge­n leben. Bei dieser Variante bedeutet dies, dass tatsächlic­h nur höchstens die Hälfte der Kinder die Einrichtun­g besuchen kann, die andere Hälfte muss sich bis Juni gedulden.

 ?? ARCHIVFOTO: DPA/BÜTTNER ?? Spätestes Ende Juni sollen die Kindergärt­en wieder voll geöffnet werden.
ARCHIVFOTO: DPA/BÜTTNER Spätestes Ende Juni sollen die Kindergärt­en wieder voll geöffnet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany