Rechtsaufsicht und GPA sollen Ungereimtheiten aufklären
Von acht fehlenden Gemeinderats-Protokollen sind digitale Mitschriebe verschwunden
SPAICHINGEN - Um, so Bürgermeister Markus Hugger, „Schaden von der Stadt abzuwenden“, habe er sich an die Rechtsaufsichtsbehörde gewandt, um fehlende Gemeinderatsprotokolle während der Amtszeit seines Vorgängers Hans Georg Schuhmacher zu prüfen, gab Bürgermeister Markus Hugger in der Gemeinderatssitzung am Montag bekannt. Er möchte auch die Gemeindeprüfanstalt einschalten.
Von 1. Juli 2019 nis 17. Februar 2020, so legte Bürgermeister Hugger dem Gemeinderat dar, gab es 21 Sitzungen des Gemeinderats. Davon lägen vier unterzeichnete Protokolle vor, und zwar für die Sitzungen am 15. Juli, 25. November, 9. und 16. Dezember; neun weitere Protokolle lägen im Entwurf vor, seien aber nicht unterzeichnet. Protokolle werden laut Geschäftsordnung vom Vorsitzenden – also in der Regel dem Bürgermeister –, von zwei Gemeinderäten, die an der Verhandlung teilgenommen haben, und vom Schriftführer unterzeichnet. Ist kein besonderer Schriftführer bestellt, unterzeichnet der Vorsitzende als „Vorsitzender und Schriftführer“.
Von weiteren acht Sitzungen lägen bis heute keine Protokolle vor. Von einzelnen Sitzungen seien einzelne Tagesordnungspunkte protokolliert worden.
„Es ist schwierig, wie man mit so einer Situation umgeht“, so Hugger, „und so etwas letztendlich auch heilt“. – „So ein Fall ist mir in meiner kompletten beruflichen Laufbahn noch nie untergekommen“, so der Bürgermeister. Jedenfalls stellten die fehlenden Protokolle „ein schweres Versäumnis“dar.
Deshalb möchte er die Gemeindeprüfanstalt einschalten; er werde sich informieren, was das koste und dem Gemeinderat in einer der nächsten Sitzungen einen entsprechenden Vorschlag machen.
Harald Niemann von Pro Spaichingen stellte ausdrücklich fest: „Seit der Gemeinderatswahl 2019 hat die Fraktion Pro Spaichingen kein einziges Protokoll übermittelt bekommen.“Das gelte auch für die vier unterzeichneten Protokolle. „Wenn wir von der Existenz dieser Protokolle gewusst hätten, hätte ich auch Einsicht genommen“, so Niemann; allein schon um zu sehen, ob die Einwände seiner Fraktion protokolliert worden sind. Er frage sich, „ob das Ganze nicht von vorneherein so geplant war“.
Leopold Grimm (FDP), der die vorliegenden Protokolle zusammen mit Stephan Stitzenberger (CDU) unterzeichnet und dem Vorsitzenden zurückgegeben habe, meinte, Niemann habe ja „einfach mal nachfragen“können. Dagegen verwies Markus Wissmann von Pro Spaichingen auf Paragraph 33 der Geschäftsordnung des Gemeinderats, wonach die Protokolle nicht auf Nachfrage, sondern spätestens innerhalb eines Monats durch Zuleitung je einer Kopie an alle Mitglieder dem Gemeinderat zur Kenntnis gebracht werden sollen.
Zdenko Merkt (Grüne) fragte, was mit den von den Protokollführerinnen während der Sitzungen angefertigten digitalen Niederschriften geschehen sei: „Wo sind diese Dinge hingekommen? Was ist damit passiert?“Marcel Aulila (FDP) schloss sich dieser Nachfrage an. Von neun Sitzungen, so Bürgermeister Hugger, lägen digitale Gesprächsnotizen vor, seien aber nicht zur Unterzeichnung eingereicht worden.
Acht weitere Sitzungen seien dokumentiert, „aber nicht mehr da. Die haben Spaichingen verlassen“, so Hugger. Zdenko Merkt schlug vor zu prüfen, ob digitale Dateien gelöscht worden seien und sich eventuell aus Backups rekonstruieren lassen. „Da sind wir dran“, so Bürgermeister Hugger.
Alexander Efinger (Grüne) sagte, seine Fraktion habe die fehlenden Protokolle immer wieder moniert, sei aber „lächerlich gemacht“und nicht ernst genommen worden. „Diese kriminellen Machenschaften des Ex-Bürgermeisters“, so Efinger, seien von Teilen des Gemeinderats monatelang „toleriert, wenn nicht gedeckt worden“.
Dagegen verwehrte sich Isabella Kustermann (Freie Wähler): „Es ist eine Frechheit zu behaupten, dass einzelne Gemeinderäte kriminelle Machenschaften gedeckt hätten.“
Bürgermeister Hugger versuchte die Wogen wieder zu glätten: Bei allem Verständnis für aufbrandende Emotionen sei es wichtig, gemeinsam „eine Ebene zu finden, wie wir nach vorne schauen können“. Alle seien sich ja einig, dass die fehlenden Protokolle ein schwerer Fehler seien, und dass nun eine externe Prüfung angesagt sei. So könnte das Ganze „neutral und ohne Emotionen beleuchtet“werden.
Das Wichtigste sei jedoch, so betonte Hugger, dass der Haushaltsplan geprüft, genehmigt und rechtskräftig sei.
Richard Wagner (Freie Wähler) berichtete, nachdem er im Januar von den fehlenden Protokollen gehört habe, habe er den damaligen Bürgermeister Schuhmacher darauf angesprochen. „Herr Wagner, ich bin da schon dran“, habe Bürgermeister Schuhmacher ihm damals gesagt. Es gäbe in den Protokollen noch ein paar „umgangssprachliche Redewendungen“, die er, Schuhmacher, so nicht stehen lassen wolle. Er sei zwar „enttäuscht“, so Richard Wagner, dass am Ende von Schuhmachers Amtszeit die Protokolle nach wie vor nicht vorliegen. Es gäbe aber nichts zu vertuschen und zu verstecken, ist Wagner überzeugt.