Seit 75 Tagen Mut machen mit dem Dudelsack
Die Psychologin Tanja Köhler gibt dazu Impulse rund um das vielschichtige Thema „Corona“
DENKINGEN/SPAICHINGEN - 75 Mal nun hat die aus Spaichingen stammende und in Denkingen lebende selbstständige Rednerin, Autorin und Beraterin, die Diplom-Psychologin Tanja Köhler pünktlich um 18 Uhr „Amazing Grace“mit dem Dudelsack gespielt. Ein Lied, das von tiefem Gottvertrauen spricht, und von einem später zum Geistlichen konvertierten Kapitän eines Sklavenschiffs stammt, das durch „erstaunliche Gnade“aus Seenot gerettet wurde. Jedes Mal gibt es Gedanken und Impulse dazu. Manche fachlich inspiriert, meist sind es aber vor allem Gedanken über diejenigen, denen an diesem speziellen Abend das Coronazeiten-Ständchen gewidmet ist.
Und es sind eben nicht allein Pfleger und Ärztinnen, sondern auch Steuerberater, Polizisten, Beamte, Journalisten, Forscher, Tierschützer, die Leisen, sondern auch Eigenschaften und Phänomene wie Glaube, Jobverlust oder auch Anlässe wie der Tag der Arbeit. Das besondere ist, dass Köhler damit die Geste des weltweiten Musizierens verknüpft mit Anregungen, über etwas nachzudenken, was man vielleicht nicht im Blick gehabt hat.
Das Ganze findet analog statt – meist zuhause in Denkingen, wo Köhler am Ortsrand lebt und die ganze schöne Landschaft um sich herum hat. Und es findet online statt, vor allem auf Facebook. Aufgerufen zum Mitmusizieren hatte sie mit Beginn 15. März, als die Coronaverordnungen in Kraft traten. „Ein Lied für Mut, gegen Corona“, so hatte sie das allabendliche „Lied der Verbundenheit“in ihrem Aufruf genannt, und man hat den Eindruck gehabt, dass es auch ein Lied gegen die Angst gewesen ist.
Es beteiligen sich in verschiedenen Gruppen Dudelsackspieler-Kollegen weltweit, manche kennt Köhler auch. Köhler überlegt sich als Initiatorin morgens die Zielgruppe und notiert die Gedanken, meistens wird beides dann geteilt zum eigenen Spiel. Vieles habe sich verselbstständigt.
Dass sie einen Perspektivwechsel bei den Menschen jenseits derer, die sich wirklich interessierten, erreicht, das glaubt sie nicht, sagt Köhler. Im Vordergrund stehe, durch die verschiedenen Zielgruppen oder auch Gedanken zu zeigen, wie vielschichtig das Thema sei. Und Angehörige der Zielgruppen gäben oft Rückmeldung, dass sie sich freuten, dass an sie gedacht werde.
Die Beiträge in ihrem Blog auf der Homepage sind allerdings über die vor allem als Impulse zu verstehenden Gedanken auf Facebook fachlich tiefer gehend und höchst lesenswert.
So zum Beispiel der Beitrag „Warum glauben eigentlich immer alle, dass sie Recht haben?“Oder „Bitte vergesst sie nicht schon wieder! Die Alten von heute sind die Kinder von damals“über die Kriegsgeneration oder „Was steckt eigentlich hinter Hamsterkäufen?“und mehr.
Dass Menschen miteinander respektvoll sprechen, sich nicht abwerten – und vielleicht auch verstehen, wie der andere „tickt“, ist ein großes Anliegen Köhlers mit ihren Beiträgen. Und sie erklärt denen, die nicht in der Welt der Wissenschaft zuhause sind, wie Wissenschaft an Themen herangeht.
Motiviert werde sie, so sagt sie, durch die Dankeschöns, die jeder Beitrag bekommt. Und Überraschungen gab es auch schon, zum Beispiel duftende Seife von einer Frau.
Das 75. Dudelsackspiel am Mittwochabend war übrigens dem „Durchhaltevermögen“gewidmet.