Die Wiederkehr des Europa-Zuges
Verkehrsminister Scheuer will Bahnverbindungen zwischen EU-Metropolen neu auflegen
BERLIN - Noch klingt die Vorstellung nach Zukunftsmusik. Reisende steigen in Berlin in den Zug und fahren über das südfranzösische Lyon nach Barcelona. 13 Stunden später sind sie da. Süd- und Westdeutsche können von Basel oder Köln aus in wenigen Stunden nach Amsterdam oder in der anderen Richtung nach Rom fahren. Und zwischen Warschau und Paris verkehren ebenfalls durchgängige Züge. „Das kann bis 2025 stehen“, versicherte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Davon hat er auf einer Verkehrsministerkonferenz an diesem Montag auch seine europäischen Amtskollegen überzeugen wollen. Bis Ende des Jahres strebt Scheuer eine gemeinsame Absichtserklärung für den Ausbau des europäischen Netzes zwischen den Metropolen an. Eine europäische Buchungsplattform für Bahnreisen wird es zukünftig nach den Plänen des Ministers auch geben.
„TEE 2.0“heißt das Projekt. Die Abkürzung steht für den TransEurop-Express, den es zwischen den 1950er- und 1980er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts schon einmal als Luxuszug gab. 1987 wurde er eingemottet. Nun ist die Idee wieder salonfähig. „Wir wollen klimafreundliches Reisen und sauberen Güterverkehr“, sagt Scheuer. Auch
Nachtzüge will der Minister wieder beleben. Die Deutsche Bahn hat ihr Angebot an Liege- und Schlafwagen eingestellt und überlässt dieses Geschäft der Österreichischen Staatsbahn. Mit der Renaissance des TEE könnte das Angebot insbesondere auf sehr langen europäischen Strecken wieder wachsen.
Ein paar Haken haben die Träume vom grenzüberschreitenden Zugverkehr allerdings. Es kostet viel Geld, aufseiten der Infrastruktur die Strecken so ertüchtigen oder neu zu bauen. „Wir reden da von vielen Milliarden“, räumt Scheuer ein. Allein die Digitalisierung der Stellwerke und des Güterverkehrs dürfte einen zweistelligen Milliardenbetrag verschlingen. Scheuer fordert dafür EUFörderprogramme.
Vor allem im Güterverkehr gibt es reichlich zu tun. Automatische digitale Kupplungen sollen die Sparte revolutionieren. Noch immer kuppeln Bahnarbeiter die Waggons mit Handarbeit aneinander. Das ist eine schwere und lange dauernde Arbeit. „Mit automatisch und digital verbundenen Waggons steigert die Schiene ihre Kapazität und kann mit längeren und schwereren Güterzügen mehr Verkehr übernehmen“, lobt der Verband Allianz pro Schiene das Vorhaben. Scheuer hat schon einen großen Teil seiner europäischen Amtskollegen davon überzeugt. In den nächsten zwei Jahren wollen sie sich auf eine Gesamtstrategie und die Verteilung der Lasten einigen.
Der bahnpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Gastel, findet die Ziele der Bundesregierung zwar gut, bezweifelt aber die Ernsthaftigkeit Scheuers. „Der Schienenverkehr ist mit attraktiven Verbindungen der Problemlöser in der Klimakrise schlechthin“, sagt Gastel. Dafür müssten jedoch neben einem massiven Ausbau der Infrastruktur auch die Wettbewerbsbedingungen fair gestaltet werden. So fordert der Grüne eine Mehrwertsteuer auf innereuropäische Flüge wie auf Bahnfahrten.
Auch gehe der Ausbau den Netzes in Deutschland viel zu langsam voran. Die Regierungen in Schweden und Dänemark würden mit einer Anschubfinanzierung die Netzverbindung bis nach Brüssel vorantreiben. Scheuer lehne die Unterstützung der Projekte ab. Und während die Schweiz den Ausbau der Gotthardachse in diesem Jahre vollende, werde die Strecke entlang des Oberrheins auf deutscher Seite erst 2035 fertig, kritisiert Gaste.