Voller Kraft, Farbe und Bewegung
Malereien von Christine Fausel und Skulpturen von P. Ariane Ehinger in der Fähre
BAD SAULGAU - Eine Retrospektive für die fast 95-jährige Christine Fausel hat die Städtische Galerie Fähre in ihrer neuen Ausstellung eingerichtet und setzt zu den 36 Gemälden und Zeichnungen aus der Zeit zwischen 1959 bis 2020 ein gutes Dutzend Holzskulpturen von Petra Ariane Ehinger in einen spannenden Kontrast. „Abbild und Ahnung. Außen und innen“lautet der Untertitel der Schau, für die sich Kurator Uwe Degreif ein Jahr lang mit dem einige Tausend Zeichnungen und Gemälde umfassenden Werk Fausels beschäftigt hat.
Überschaubar groß, aber sehr beeindruckend wirken die vier Räume auf der rechten Seite der Galerie. Vor knapp 30 Jahren gab es die letzte Ausstellung der Malerin in der Fähre zu sehen. Unmittelbar nach dem Krieg hatte die in Wilhelmsdorf als Tochter der Textilunternehmer Heiner und Erna Fausel geborene Christine Fausel ein Studium der Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie begonnen. Dort lernte sie den Grafiker Otto Coester kennen, der ihr Lebensgefährte wurde. Durch den Tod ihres Bruders 1952 früh mit der Leitung des elterlichen Unternehmens betraut, brach sie ihr 1950 aufgenommenes Lehramtstudium an der Uni Tübingen ab und nahm erst 1978, nach der Insolvenz der Firma, eine Stelle als Kunsterzieherin an Ravensburger Gymnasien an. So konnte sie sich ab 1989 voll und ganz der Malerei und
ANZEIGE ihrer 1985 gegründeten Malwerkstatt für geistig behinderte Menschen widmen. Frühe Reisen nach Frankreich und Italien sowie Trips nach Skandinavien, Japan, Russland und auf die Marquesas-Inseln prägten ihren Blick auf die Welt.
Sie habe „immer in Schüben“gemalt, berichtete Christine Fausel ihrem Kurator Uwe Degreif. In vier Schaffensphasen teilt Degreif ihre Arbeiten ein, von denen die großformatigen Beispiele von den 1990erJahren bis 2012 in ihrem pastos undurchdringlichen Farbauftrag oder in ihrer „rauen und verwitterten Oberfläche“am stärksten wirken.
Es ist die aus dem Farbgewebe – meist in Pflanzen-, Wasser- und fahlen Erdfarben gehalten – ephemer herausscheinende Figur in Bewegung, die immer wieder den Blick auf sich zieht und schließlich zum Erkennen von Gegenständen im dunklen Hintergrund führt.
Diese Bewegung in den Gemälden findet sich auch in den Holzskulpturen von Ariane Ehinger (61). Letztere sind alle aus einem Block aus heimischen Hölzern von Nussbaum, Eiche, Ulme, Buche, Kirsche, Kastanie gearbeitet. Ein Grundmotiv ist das Band ohne Anfang und Ende mit nur einer Kante und einer Seite, das sogenannte Möbiusband. Es kann sich wie in der Reihe „Continuum“zu einer Art Violinschlüssel in tizianrot gebeizt und geölt formen. Auf der einen Seite wurde er seidig poliert und auf der anderen mit Beitelspuren strukturiert. Immer aber muss Ehinger, die vier Jahre lang bei Axel Otterbach die Bildhauerschule besucht hat, der dem Holz innewohnenden Spannung nachfühlen, den Kern vorsichtig aushöhlen und der Natur des arbeitenden Holzes nachgehen.
Manchmal birgt ein Eichenblock so große Kraft, dass er im Lauf der Jahre sich stark verformt ohne auseinanderzubrechen. Sprich, er gibt der von der Bilderhauerin gegebenen Form gleichsam nach. Die natürliche Kraft des Materials bleibt in Ehingers Skulpturen immer auf eine irritierend spürbare Weise erhalten. So wird aus dieser Doppelausstellung auch ein außergewöhnlicher Dialog von zwei Künstlerinnen.