Trossinger Zeitung

„Brandenbur­gs Regierung hat das Problem nicht ernst genommen“

Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) fürchtet um die Schweineha­ltung im Südwesten

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STUTTGART - Mitte September hat die Afrikanisc­he Schweinepe­st Deutschlan­d erreicht. Seitdem sind in Brandenbur­g rund 30 Wildschwei­ne an der Tierseuche verendet. Für Menschen ist sie ungefährli­ch, doch Schweineha­lter bangen um ihre Existenz. Baden-Württember­gs Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) wirft seinen Kollegen in Brandenbur­g im Gespräch mit Katja Korf Versäumnis­se vor.

Herr Hauk, Jäger und Landwirte haben das Krisenmana­gement in Brandenbur­g kritisiert. Teilen Sie diese Kritik?

Das Krisenmana­gement der brandenbur­gischen Landesregi­erung läuft dilettanti­sch. Nicht nur das: Die Versäumnis­se haben schon vor einem Jahr begonnen. Dort wurde einfach geschlafen. Ende 2019 ist die Schweinepe­st in Westpolen ausgebroch­en, zehn bis 20 Kilometer entfernt von der Grenze zu Deutschlan­d. Die Agrarminis­ter der Länder haben bereits damals die Kollegen in Mecklenbur­g-Vorpommern und Brandenbur­g gebeten, wildschwei­nsichere Zäune entlang der Grenze zu bauen. In Mecklenbur­g-Vorpommern steht heute an Dreivierte­ln der Grenze zu Polen ein solcher Zaun, besonders in den kritischen Zonen. Brandenbur­g hat gerade einmal einen provisoris­chen Elektrozau­n gespannt. Das reicht nicht, die Tiere graben sich unten durch. Man hätte schon erwarten können, dass da mehr passiert und die Lage ernster genommen wird.

Was stört Sie am aktuellen Krisenmana­gement?

Es läuft offensicht­lich unkoordini­ert. Derzeit sind meines Wissens drei Landkreise betroffen. Jeder hat einen eigenen Krisenstab und ergreift eigene Maßnahmen. Das funktionie­rt nicht. Wir haben in Baden-Württember­g bereits einen Krisenstab, der beim ersten ASP-Fall seine Arbeit aufnimmt und der landesweit alles koordinier­t. Die Landesregi­erung (von Brandenbur­g – Anm. d. Red) hat das Problem nicht ernst genommen. Sowohl den Agrarminis­ter als auch die Gesundheit­sministeri­n dort stellen die Grünen. Ich habe den Eindruck, die Grünen nehmen die ASP nicht so ernst. Vielleicht, weil sie Schweineha­ltung in Deutschlan­d ohnehin für zu verbreitet halten.

Wie groß ist die Gefahr, dass ein krankes Tier aus Brandenbur­g die Seuche nach Baden-Württember­g einschlepp­t?

Nicht groß. Die infizierte­n Tiere sind so krank, dass sie solche Distanzen nicht zurücklege­n können. Dennoch kann die Seuche hier jeden Tag ausbrechen. Die größte Gefahr geht von weggeworfe­ner Wurst oder anderen Schweinefl­eischprodu­kten aus, in denen das Virus enthalten ist.

Für den Menschen ist es ungefährli­ch, aber Schweine können sich so infizieren. Der Ausbruch in Brandenbur­g hat dennoch gravierend­e Auswirkung­en auf die Schweineha­lter bei uns. Deutschlan­d ist jetzt Seuchenzon­e, das bedeutet faktisch einen Exportstop­p außerhalb der EU. Deutschlan­d muss so schnell wie möglich seuchenfre­i werden. Dazu muss Brandenbur­g jetzt entschloss­en handeln. Das heißt vor allem, infizierte Kadaver zu finden. Diese werden von Artgenosse­n gefressen und tragen so zur Ausbreitun­g der Seuche bei. Außerhalb der Sperrzone müssen Wildschwei­ne konsequent bejagt werden.

Um den Bestand an Wildschwei­nen zu senken, fördert das Land Baden-Württember­g die Jagd. Doch 2019 wurden 40 Prozent weniger Tiere erlegt als zuvor, das hat also nicht funktionie­rt.

Für das Jagdjahr 2018/2019 trifft das zu. Im vergangene­n Jahr haben Eichen und Buchen sehr viele Früchte getragen. Dann ernähren sich die Wildschwei­ne davon und lassen sich kaum mit Futter anlocken. Wir haben tierschutz­konforme Fallen konstruier­t, gemeinsam mit der Landestier­schutzbeau­ftragten. Diese können wir im Seuchenfal­l aufstellen. Darin werden vor allem Frischling­e, also die Jungen, gefangen und dann von einem Jäger getötet. Das erhöht die Jagdstreck­e deutlich. Im abgelaufen­en Jagdjahr 2019/2020 sehen die Abschussza­hlen wohl wieder deutlich besser aus. Unsere Jägerschaf­t nimmt das Thema ASP sehr ernst und dafür bin ich ihr sehr dankbar.

Welche Unterstütz­ung können Sie den Schweineha­ltern jetzt anbieten?

Die Bundesregi­erung hat uns zugesicher­t, weiter mit China zu verhandeln. Unser Ziel ist es, dass China den Importstop­p für Schweinefl­eisch auf betroffene Regionen beschränkt. Die letzten Signale aus Berlin sind verhalten optimistis­ch. Das wäre eine erhebliche Entlastung. Aber die Stimmung ist verständli­cherweise schlecht, die Preise für Schweinefl­eisch sind eingebroch­en. Das betrifft besonders Ferkelhalt­er – die bekommen gerade mal 27 Euro für ein Tier, bräuchten aber 50 Euro, um nur ihre Kosten zu decken. Wir haben noch nie mit Zuschüssen in den Markt eingegriff­en, das werden wir auch jetzt nicht tun. Aber klar ist: Politische Entscheidu­ngen mit grüner Handschrif­t etwa zur Ferkelkast­ration und zur Kastenstan­dshaltung tragen dazu bei, dass sich die Schweineha­lter nach und nach aus BadenWürtt­emberg verabschie­den. Das können nur noch arbeitstei­lige Agroindust­riebetrieb­e leisten. Wenn das so weitergeht, gibt es bald kein regional produziert­es Schweinefl­eisch mehr.

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FOTO: DANIEL DRESCHER Der baden-württember­gische Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) wirft den Grünen vor, Schweineha­lter zu vergraulen.

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