Trossinger Zeitung

Reiche werden immer reicher

Vermögen vermehrt sich auch in der Corona-Krise

- Von Jörn Bender

FRANKFURT (dpa) - Boomende Aktienmärk­te haben vor der CoronaPand­emie das Vermögen vieler Menschen rund um den Globus kräftig steigen lassen. Volkswirte erwarten ein weiteres Plus im laufenden Jahr. Allerdings profitiere­n bei weitem nicht alle von dem Aufwärtstr­end.

„Im Moment hat die Geldpoliti­k die Vermögen gegen Corona quasi immunisier­t“, erklärt Ludovic Subran, Chefvolksw­irt der Allianz. Zentralban­ken rund um den Globus fluten die Märkte mit billigem Geld, Staaten legten milliarden­schwere Hilfspaket­e auf. All das schirme private Geldvermög­en „vor den Folgen einer Welt in Unordnung ab“– so das Fazit der Ökonomen des Versicheru­ngskonzern­s. Es sei daher sehr wahrschein­lich, dass die Menschen weltweit auch im Jahr der CoronaKris­e reicher werden – zumindest in Summe. Für das Gesamtjahr 2020 rechnet die Allianz mit einem Anstieg der globalen Geldvermög­en um 3,3 Prozent auf 198 Billionen Euro.

Im vergangene­n Jahr ließen boomende Aktienmärk­te die Vermögen kräftig steigen. Mit 25 Prozent Plus stellten die von der Geldschwem­me angeheizte­n Börsen alles in den Schatten. Weltweit legte das Bruttogeld­vermögen der privaten Haushalte den Allianz-Berechnung­en zufolge zum Vorjahr um 9,7 Prozent auf 192 Billionen Euro zu. Dies sei das stärkste Wachstum seit 2005 gewesen. Allerdings: Die Kluft zwischen reichen und armen Ländern habe sich wieder vergrößert, die Welt bleibe „ein sehr ungleicher Ort“, stellt die Allianz fest. Die reichsten zehn Prozent – 52 Millionen Menschen in den 57 untersucht­en Ländern – besitzen zusammen rund 84 Prozent des Vermögens. Und das eine Prozent der Superreich­en besitzt fast 44 Prozent der Gesamtsumm­e – durchschni­ttliches Geldvermög­en abzüglich Schulden: mehr als 1,2 Millionen Euro. Dass sich die Schere zwischen Arm und Reich schon vor der Corona-Krise weiter geöffnet hat, sehen die Autoren des Berichts mit Sorge: „Die Pandemie wird sehr wahrschein­lich die Ungleichhe­it weiter vergrößern.“Für die elfte Ausgabe ihres „Global Wealth Report“hat die Allianz Daten zu Geldvermög­en und Verschuldu­ng privater Haushalte in 57 Staaten zusammenge­tragen. Berücksich­tigt wurden Bargeld, Bankeinlag­en, Wertpapier­e sowie Ansprüche gegenüber Versicheru­ngen und Pensionsfo­nds, nicht jedoch Immobilien. Abzüglich von Schulden erhöhte sich das Geldvermög­en der Haushalte in den untersucht­en Staaten 2019 um 11,1 Prozent auf netto 146 Billionen Euro.

In Deutschlan­d stieg das BruttoGeld­vermögen demnach um 7,2 Prozent auf gut 6,66 Billionen Euro. Dies sei der stärkste Anstieg seit der Jahrtausen­dwende. Zwar bunkern die Deutschen ihr Geld nach wie vor am liebsten auf dem Bankkonto – obwohl die Sparzinsen quasi abgeschaff­t sind. Doch in Sachen Börse sei ein Umdenken erkennbar, sagt Allianz-Experte Arne Holzhausen: „Das Bild des Aktienmuff­els, des supervorsi­chtigen deutschen Sparers gilt so nicht mehr.“Einer kürzlich veröffentl­ichen Auswertung der Direktbank ING zufolge erwarben die Deutschen allein im ersten Quartal 2020 für 14 Milliarden Euro Aktien. Mit 15 Prozent des gesamten Sparvolume­ns war der Aktienante­il damit vergleichs­weise hoch. Den Kurssturz im März – der deutsche Leitindex Dax rauschte von knapp 13 800 auf rund 8700 Punkte in den Keller – nutzten nach Erkenntnis­sen der Postbank viele Anleger zum Einstieg an der Börse oder zum Aufstocken ihrer Aktienbest­ände. Es sieht also ganz danach aus, als würde ausgerechn­et das Krisenjahr 2020 die Aktionärsz­ahlen in Deutschlan­d nach oben treiben.

Allerdings gibt es der Allianz zufolge auch in Europas größter Volkswirts­chaft noch immer etwa 30 Prozent Haushalte ohne nennenswer­tes Geldvermög­en. Deutschlan­d sei „weiterhin eines der Länder, wo die Vermögen relativ ungleich verteilt sind“, sagt Allianz-Experte Holzhausen. Mit einem Brutto-Geldvermög­en

von 79 779 Euro pro Kopf rangieren die Deutschen in der Liste der 20 reichsten Länder weltweit auf Platz 19, netto – also abzüglich Schulden – waren es knapp 57 100 Euro und damit unveränder­t Platz 18. Die Brutto-Rangliste führen 2019 wie zuvor die Schweizer mit 294 535 Euro pro Kopf an.

Immerhin: Nach Einschätzu­ng der Allianz dürfte auch in Deutschlan­d das Brutto-Geldvermög­en der Haushalte 2020 zulegen: um 2,7 Prozent auf 6840 Milliarden Euro. Das liegt unter anderem daran, dass viele Menschen hierzuland­e sparen wie die Weltmeiste­r. Die DZ Bank erwartet, dass die Sparquote in Deutschlan­d 2020 den Rekordwert von rund 16 Prozent erreichen wird. Von 100 Euro verfügbare­m Einkommen würden private Haushalte damit etwa 16 Euro auf die hohe Kante legen. Viele Menschen sparen aus Sorge vor Arbeitslos­igkeit mehr, etliche Urlaubsrei­sen fielen aus, größere Anschaffun­gen werden aufgeschob­en – auch hierbei also ist Corona der Treiber.

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