Form und Funktion hängen immer zusammen
Die plastische Chirurgie im Spaichinger Krankenhaus macht deutlich mehr als nur Schönheits-OPs
SPAICHINGEN - Die Chirurgen arbeiten ruhig und konzentriert im OPSaal des Spaichinger Krankenhauses. Während Chefarzt Dr. Oliver Lotter am Ohr des Patienten schneidet, ist Oberarzt Robert Haas mit dem Skalpell an seinem Arm zugange. „Der Patient hatte hier im oberen Teil der Ohrmuschel weißen Hautkrebs, den haben wir entfernt“, erklärt Lotter, während er an der Wunde arbeitet. Ihre Arbeit vollbringen die Chirurgen zwar mir ruhiger Hand, aber dennoch zügig und ohne unnötige Verzögerungen, dabei werden sie vom ständigen Piepsen der Maschine begleitet, die die Herzfrequenz des Patienten überwacht.
Neben dem Hautkrebs hat Lotter an der betroffenen Stelle auch die vordere Hautschicht und den Knorpel der Ohrmuschel weggeschnitten. Das Ohr ist jetzt an dieser Stelle ganz dünn, nur noch die hintere Hautschicht zum Kopf hin ist noch da. Der plastische Chirurg erklärt: „Den Knorpel braucht man an der Stelle nicht unbedingt und wir müssen ihn weg machen um hier neue Haut anzunähen.“
Diese neue Haut schneidet Kollege Dr. Robert Haas gerade aus dem Oberarm des Patienten. Der hat keine Narkose bekommen, sondern ist lokal betäubt und zusätzlich sediert.
Ein Stück Haut von der Größe einer Zwei-Euro-Münze trennt Haas nun vorsichtig heraus, dabei hält er
TRAUERANZEIGEN sich genau an eine vorher auf den Arm gezeichnete Form.. Haas entfernt hier nur die obere Hautschicht, die Lederhaut. „Die wächst am Oberarm wieder nach“, sagt Lotter.
Das Hautstück reinigen die Ärzte zunächst. Vor allem das unter der Haut liegende Fett muss vollständig weg. „Sonst wächst das Stück oben nicht mehr richtig an.“Steril geht es hier ohnehin zu. Die Chirurgen und OP-Pflegerin Petra Weidelich tragen selbstverständlich Mund-NasenMasken, Handschuhe, Haarnetze und andere Ausrüstung, die verhindern soll, dass Bakterien oder Viren übertragen werden.
An Weidelich geht das Hautstück als nächstes. Die Pflegerische Leitung des Zentrums für Ambulante Operationen ist heute die Dritte am OP-Tisch. Sie reicht den Ärzten nicht nur Pinzette oder Skalpell, wenn die das brauchen, sie organisiert auch den Ablauf im OP.
Jetzt übernimmt sie das Hautstück und übergibt es dann Chefarzt Lotter. Der passt es in die offene Stelle am Ohr ein und beginnt dann damit zu nähen. Dafür nutzt er eine sehr kurze gebogene Nadel, die er mit einer Pinzette führt. Um so präzise wie möglich arbeiten zu können, nutzt Lotter eine Brille mit aufgesetzter Lupe, die ihm sein Arbeitsfeld vergrößert. Außerdem sorgen die starken Lampen über dem OPTisch für beste Lichtverhältnisse.
Nachdem die neue Haut angenäht ist, legt Lotter ein Stück Gase darüber und näht dann einen Kunststoffstopfen über das Hautstück. „Der drückt die Haut an und schützt sie, falls der Patient sich kratzt“, sagt er. Jetzt wird der Patient nur noch verbunden, die Ärzte sind fertig. OPs wie diese sind für die plastischen Chirurgen an der Spaichinger Klinik für Plastische, Ästhetische, Handund Wiederherstellungschirurgie relativ häufig.
Oliver Lotter leitet die Klinik. Er sagt: „Die Bezeichnung klingt nach einem ziemlichen Gemischtwarenladen, aber diese vier Fachgebiete sind sich relativ ähnlich.“Vor allem handwerklich gebe es große Gemeinsamkeiten. So kommt es, dass sehr unterschiedliche Patienten ihren Weg in die Klinik finden.
„Der größte Anteil sind die, die wir wegen Hauttumoren behandeln, das sind eher ältere Menschen“, sagt Lotter. Im Bereich der Handchirurgie kommen dagegen fast alle Altersklassen in die Klinik. Kosmetische OPs, die Teil der ästhetischen Chirurgie sind finden dagegen eher mit Menschen im jüngeren und mittleren Alter statt.
Bei den ästhetischen Operationen stehen gar nicht die allseits diskutierten Brust-OPs im Vordergrund. „Wir machen viele sogenannte postbariatrische OPs. Das sind OPs, die bei Menschen stattfinden, die zuvor großes Übergewicht hatten und dann stark abgenommen haben. Zum Beispiel wenn sie eine Magenverkleinerung hatten. Die haben dann große Fettschürzen, die machen mir weg“, erklärt Lotter.
Das sei bei weitem kein rein kosmetischer Eingriff, sondern werde tatsächlich oft von den Krankenkassen übernommen. „Das ist oft einfach medizinisch sinnvoll. So eine Fettschürze ist für die Bewegungen der Patienten ein Problem, kann zu hygienischen Problemen führen, und dazu kommt natürlich auch noch die Auswirkung auf die psychische Gesundheit des Patienten“, erklärt Lotter.
Sehr oft griffen da Form und Funktion des Körpers ineinander, weshalb die Grenzen zwischen Schönheits-OP und medizinisch notwendigem Eingriff da fließend seien.
Reine Schönheits-OPs gibt es am Spaichinger Klinikum aber auch, etwa zehn Prozent der Operationen der Abteilung machen sie aus. Für selbstzahlende Patienten bietet die Klinik Brustimplantate, Botox-Behandlungen und andere, übliche kosmetische Operationen. Aber auch ausgefallenes, wie zum Beispiel Wadenimplantate. Lotter erklärt: „Die machen definiertere Waden, das ist vor allem in Bayern rund ums Oktoberfest
beliebt.“
Sein Vorteil als Krankenhausarzt sei, dass er diese OPs nicht machen müsse, um wirtschaftlich zu arbeiten, wie das in einer Privatklinik der Fall sei. „Wenn es medizinisch kein Problem ist und das der innigste Wunsch des Patienten ist, dann ermöglichen wir sowas gerne. Als Krankenhausärzte raten wir aber auch ab oder regen beim Patienten an, dass er sich eine Zweitmeinung holt.“Im Krankenhaus könne man auch OPs anbieten, die nicht wirtschaftlich seien, das sei ja schließlich auch der medizinische Auftrag. Im Krankenhaus könne man ja auch umschichten „Was wir an der einen Stelle mehr ausgeben, sparen wir zum Beispiel wieder, wenn wir bei einer anderen OP früher als geplant fertig sind.“
Den für 2023 geplanten Umzug der Plastischen Chirurgie von Spaichingen nach Tuttlingen sieht Lotter gemischt. „Die Struktur hier ist weitläufiger, wir haben hier mehr Platz, das passt für unsere vielen ambulanten OPs sehr gut“, sagt Lotter. Andererseits sei die Distanz nach Tuttlingen oft störend. „In Tuttlingen freue ich mich auch schon darauf, dass wir gemeinsam mit der Unfallchirurgie nach Arbeitsunfällen operieren können.“Letzlich müsse für alle Veränderungen
vor allem genügend Personal vorhanden sein.