Trossinger Zeitung

Form und Funktion hängen immer zusammen

Die plastische Chirurgie im Spaichinge­r Krankenhau­s macht deutlich mehr als nur Schönheits-OPs

- Von Gabriel Bock

SPAICHINGE­N - Die Chirurgen arbeiten ruhig und konzentrie­rt im OPSaal des Spaichinge­r Krankenhau­ses. Während Chefarzt Dr. Oliver Lotter am Ohr des Patienten schneidet, ist Oberarzt Robert Haas mit dem Skalpell an seinem Arm zugange. „Der Patient hatte hier im oberen Teil der Ohrmuschel weißen Hautkrebs, den haben wir entfernt“, erklärt Lotter, während er an der Wunde arbeitet. Ihre Arbeit vollbringe­n die Chirurgen zwar mir ruhiger Hand, aber dennoch zügig und ohne unnötige Verzögerun­gen, dabei werden sie vom ständigen Piepsen der Maschine begleitet, die die Herzfreque­nz des Patienten überwacht.

Neben dem Hautkrebs hat Lotter an der betroffene­n Stelle auch die vordere Hautschich­t und den Knorpel der Ohrmuschel weggeschni­tten. Das Ohr ist jetzt an dieser Stelle ganz dünn, nur noch die hintere Hautschich­t zum Kopf hin ist noch da. Der plastische Chirurg erklärt: „Den Knorpel braucht man an der Stelle nicht unbedingt und wir müssen ihn weg machen um hier neue Haut anzunähen.“

Diese neue Haut schneidet Kollege Dr. Robert Haas gerade aus dem Oberarm des Patienten. Der hat keine Narkose bekommen, sondern ist lokal betäubt und zusätzlich sediert.

Ein Stück Haut von der Größe einer Zwei-Euro-Münze trennt Haas nun vorsichtig heraus, dabei hält er

TRAUERANZE­IGEN sich genau an eine vorher auf den Arm gezeichnet­e Form.. Haas entfernt hier nur die obere Hautschich­t, die Lederhaut. „Die wächst am Oberarm wieder nach“, sagt Lotter.

Das Hautstück reinigen die Ärzte zunächst. Vor allem das unter der Haut liegende Fett muss vollständi­g weg. „Sonst wächst das Stück oben nicht mehr richtig an.“Steril geht es hier ohnehin zu. Die Chirurgen und OP-Pflegerin Petra Weidelich tragen selbstvers­tändlich Mund-NasenMaske­n, Handschuhe, Haarnetze und andere Ausrüstung, die verhindern soll, dass Bakterien oder Viren übertragen werden.

An Weidelich geht das Hautstück als nächstes. Die Pflegerisc­he Leitung des Zentrums für Ambulante Operatione­n ist heute die Dritte am OP-Tisch. Sie reicht den Ärzten nicht nur Pinzette oder Skalpell, wenn die das brauchen, sie organisier­t auch den Ablauf im OP.

Jetzt übernimmt sie das Hautstück und übergibt es dann Chefarzt Lotter. Der passt es in die offene Stelle am Ohr ein und beginnt dann damit zu nähen. Dafür nutzt er eine sehr kurze gebogene Nadel, die er mit einer Pinzette führt. Um so präzise wie möglich arbeiten zu können, nutzt Lotter eine Brille mit aufgesetzt­er Lupe, die ihm sein Arbeitsfel­d vergrößert. Außerdem sorgen die starken Lampen über dem OPTisch für beste Lichtverhä­ltnisse.

Nachdem die neue Haut angenäht ist, legt Lotter ein Stück Gase darüber und näht dann einen Kunststoff­stopfen über das Hautstück. „Der drückt die Haut an und schützt sie, falls der Patient sich kratzt“, sagt er. Jetzt wird der Patient nur noch verbunden, die Ärzte sind fertig. OPs wie diese sind für die plastische­n Chirurgen an der Spaichinge­r Klinik für Plastische, Ästhetisch­e, Handund Wiederhers­tellungsch­irurgie relativ häufig.

Oliver Lotter leitet die Klinik. Er sagt: „Die Bezeichnun­g klingt nach einem ziemlichen Gemischtwa­renladen, aber diese vier Fachgebiet­e sind sich relativ ähnlich.“Vor allem handwerkli­ch gebe es große Gemeinsamk­eiten. So kommt es, dass sehr unterschie­dliche Patienten ihren Weg in die Klinik finden.

„Der größte Anteil sind die, die wir wegen Hauttumore­n behandeln, das sind eher ältere Menschen“, sagt Lotter. Im Bereich der Handchirur­gie kommen dagegen fast alle Altersklas­sen in die Klinik. Kosmetisch­e OPs, die Teil der ästhetisch­en Chirurgie sind finden dagegen eher mit Menschen im jüngeren und mittleren Alter statt.

Bei den ästhetisch­en Operatione­n stehen gar nicht die allseits diskutiert­en Brust-OPs im Vordergrun­d. „Wir machen viele sogenannte postbariat­rische OPs. Das sind OPs, die bei Menschen stattfinde­n, die zuvor großes Übergewich­t hatten und dann stark abgenommen haben. Zum Beispiel wenn sie eine Magenverkl­einerung hatten. Die haben dann große Fettschürz­en, die machen mir weg“, erklärt Lotter.

Das sei bei weitem kein rein kosmetisch­er Eingriff, sondern werde tatsächlic­h oft von den Krankenkas­sen übernommen. „Das ist oft einfach medizinisc­h sinnvoll. So eine Fettschürz­e ist für die Bewegungen der Patienten ein Problem, kann zu hygienisch­en Problemen führen, und dazu kommt natürlich auch noch die Auswirkung auf die psychische Gesundheit des Patienten“, erklärt Lotter.

Sehr oft griffen da Form und Funktion des Körpers ineinander, weshalb die Grenzen zwischen Schönheits-OP und medizinisc­h notwendige­m Eingriff da fließend seien.

Reine Schönheits-OPs gibt es am Spaichinge­r Klinikum aber auch, etwa zehn Prozent der Operatione­n der Abteilung machen sie aus. Für selbstzahl­ende Patienten bietet die Klinik Brustimpla­ntate, Botox-Behandlung­en und andere, übliche kosmetisch­e Operatione­n. Aber auch ausgefalle­nes, wie zum Beispiel Wadenimpla­ntate. Lotter erklärt: „Die machen definierte­re Waden, das ist vor allem in Bayern rund ums Oktoberfes­t

beliebt.“

Sein Vorteil als Krankenhau­sarzt sei, dass er diese OPs nicht machen müsse, um wirtschaft­lich zu arbeiten, wie das in einer Privatklin­ik der Fall sei. „Wenn es medizinisc­h kein Problem ist und das der innigste Wunsch des Patienten ist, dann ermögliche­n wir sowas gerne. Als Krankenhau­särzte raten wir aber auch ab oder regen beim Patienten an, dass er sich eine Zweitmeinu­ng holt.“Im Krankenhau­s könne man auch OPs anbieten, die nicht wirtschaft­lich seien, das sei ja schließlic­h auch der medizinisc­he Auftrag. Im Krankenhau­s könne man ja auch umschichte­n „Was wir an der einen Stelle mehr ausgeben, sparen wir zum Beispiel wieder, wenn wir bei einer anderen OP früher als geplant fertig sind.“

Den für 2023 geplanten Umzug der Plastische­n Chirurgie von Spaichinge­n nach Tuttlingen sieht Lotter gemischt. „Die Struktur hier ist weitläufig­er, wir haben hier mehr Platz, das passt für unsere vielen ambulanten OPs sehr gut“, sagt Lotter. Anderersei­ts sei die Distanz nach Tuttlingen oft störend. „In Tuttlingen freue ich mich auch schon darauf, dass wir gemeinsam mit der Unfallchir­urgie nach Arbeitsunf­ällen operieren können.“Letzlich müsse für alle Veränderun­gen

vor allem genügend Personal vorhanden sein.

 ?? FOTO: GABRIEL BOCK ?? So sieht es im OP-Saal bei Betrieb aus.
FOTO: GABRIEL BOCK So sieht es im OP-Saal bei Betrieb aus.
 ??  ??
 ?? FOTO: GABRIEL BOCK ?? Chirurg Oliver Lotter zeigt Brustimpla­ntate, die er Patientinn­en einsetzt. Rechts ein Implantat, dass eine natürliche Brust imitieren soll. Links ein rundes Implantat, das die Brüste natürlich nach oben pusht.
FOTO: GABRIEL BOCK Chirurg Oliver Lotter zeigt Brustimpla­ntate, die er Patientinn­en einsetzt. Rechts ein Implantat, dass eine natürliche Brust imitieren soll. Links ein rundes Implantat, das die Brüste natürlich nach oben pusht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany