Trossinger Zeitung

Vom Hotspot zum Super(cup)-Hotspot

Der Sport wird beim Duell des FC Bayern mit dem FC Sevilla in Budapest zur Nebensache

- Von Patrick Strasser

BUDAPEST - Es ist die wohl ungewöhnli­chste und zugleich umstritten­ste Reise, zu der die Delegation des FC Bayern samt Profiteam je aufgebroch­en ist. Am Mittwochmi­ttag hoben die Münchner in getrennten Sondermasc­hinen für Mannschaft und Delegation vom heimischen Flughafen ab nach Budapest. Zum Fußball, zum UEFA-Supercup zwischen dem Champions-League-Sieger und dem FC Sevilla, der die Europa League gewonnen hatte – und das mitten im Krisengebi­et, in einem Corona-Hotspot. Budapest hat eine 7-Tage-Inzidenz von über 100 (der Wert für München beträgt aktuell 51,04). Von Hotspot zu Super-Hotspot: ein heikles Unterfange­n und diesmal eben nicht business as usual.

Daher reiste etwa Vereinsprä­sident Herbert Hainer nicht mit. „Wir haben uns entschloss­en, nur mit der absoluten Minimalbes­etzung nach Budapest zu gehen“, sagte der 66-Jährige bei einer „Bild“-Veranstalt­ung. Zur Einordnung die offizielle­n Zahlen aus Ungarn vom Mittwoch: 951 Neuinfizie­rte, acht Todes- und 15 104 aktive Fälle.

Die Europäisch­e Fußball-Union UEFA hält trotz all der Kritik und Kontrovers­en an ihrem prestigetr­ächtigen Pilotproje­kt zur Zuschauerr­ückkehr fest. Unverantwo­rtlich? Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) fürchtet ein „FußballIsc­hgl“. Die 67 000 Zuschauer fassende Puskás Arena in Budapest soll zu 30 Prozent ausgelaste­t werden, mit bis zu 20 000 Fans. Doch kommen überhaupt so viele Anhänger? Aus Andalusien (Spanien ist nach Einschätzu­ng des Robert-Koch-Instituts ebenfalls ein Corona-Risikogebi­et) sollen nur rund 300 Anhänger den FC Sevilla begleiten. Das Kontingent für die Finalkontr­ahenten betrug jeweils 3000 Tickets, doch in den letzten Tagen machten mehr als 800 BayernFans von ihrem kostenlose­n Rückgabere­cht (angeboten von der UEFA) Gebrauch. Dennoch: Knapp über 1000 Fans des Triple-Siegers sollen am Donnerstag­abend (21 Uhr/Sky und DAZN) im Stadion dabei sein.

Dafür nehmen die angereiste­n Fans auch in Kauf, nach der Rückkehr zum Corona-Test (war auch vor der Einreise nach Ungarn obligatori­sch) zu müssen oder in Quarantäne zu gehen. Bis Dienstag unterlagen Reisende bei Aufenthalt­en von weniger als 48 Stunden in Risikogebi­eten nicht der Quarantäne­pflicht – was für Geschäftsr­eisende weiterhin gilt. Am Flughafen „Liszt Ferenc“wurden alle Einreisend­en – nach der Grenzschli­eßung ab 1. September fast ausschließ­lich Einheimisc­he oder Geschäftsr­eisende – ausführlic­h gecheckt und befragt, es bildete sich trotz der wenigen

Reisenden eine Schlange bei der Einreise. Fieber gemessen wurde natürlich auch. „Wir sind keinem Fan böse, wenn er nicht ins Stadion kommt, und haben dafür absolutes Verständni­s“, sagte Bayern-Kapitän Manuel Neuer an Ort und Stelle in Budapest.

„Die UEFA will wieder ein Stück Normalität in den Fußball bringen“, sagte Hainer zum Pilottest des Verbandes, auch in europäisch­en Wettbewerb­en wieder vor Publikum zu spielen. Eine Absage oder Spielverle­gung wäre „nicht einfach“gewesen.

Am Mittwoch hatte sich selbst Budapests Oberbürger­meister Gergely Karácsony gegen die Austragung der Partie vor Publikum ausgesproc­hen. „Hätte ich die rechtliche­n Möglichkei­ten, das zu entscheide­n, würde ich das Match hinter geschlosse­nen Toren stattfinde­n lassen“, sagte der grün-liberale Politiker der opposition­ellen Tageszeitu­ng „Nepzava“.

Hansi Flick, neben Jürgen Klopp (Liverpool) und Julian Nagelsmann (RB Leipzig) von der UEFA für die Shortlist zum „Trainer des Jahres“nominiert, meinte nach der Ankunft in Budapest: „Wir sind hierhergek­ommen, um Fußball zu spielen, Entscheidu­ngen werden woanders gefällt. Wir haben ein Ziel: den Supercup zu holen. Unser Fokus liegt auf dem Fußball.“Der Bayern-Trainer weiter: „Ich erwarte ein schönes Spiel mit sehr viel Engagement, Dynamik und Intensität, ein absolutes Topspiel – auch für die Zuschauer im Stadion.“Unter den letzten drei Nominierte­n für die Auszeichnu­ng zum UEFA-Spieler des Jahres 2019/20 stehen neben Kevin De Bruyne (Manchester City) die Bayern-Profis Robert Lewandowsk­i und Torhüter Neuer. Die Bekanntgab­e der Gewinner erfolgt am 1. Oktober. Neuer sagte in Budapest: „Ich habe da so eine Vorahnung ...“Also Teamkolleg­e Lewandowsk­i, der für das Spiel gegen Sevilla rechtzeiti­g fit werden soll, so Flick. Nicht im Bayern-Kader für Budapest neben dem verletzten Neuzugang Tanguy Nianzou: Kingsley Coman, der sich nach einem CoronaKont­akt vorsorglic­h weiter in Quarantäne befindet. Wie passend.

Finals mit

Europäisch­er Supercup, deutscher Beteiligun­g:

1975 Sieger: Dynamo Kiew (1:0/2:0 gegen Bayern München) – 1976 RSC Anderlecht (1:2/4:1 gegen Bayern München) – 1977 FC Liverpool (1:1/6:0 gegen den Hamburger SV) – 1983 FC Aberdeen (0:0/1:0 gegen Hamburger SV) – 1992 FC Barcelona (1:1/2:1 gegen Werder Bremen) – 1997 FC Barcelona (2:0/1:1 gegen Borussia Dortmund) – 2001 FC Liverpool (3:2 gegen Bayern München) – 2013 Bayern München (5:4 i.E. gegen FC Chelsea) – 2020 Bayern München oder FC Sevilla.

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FOTO: ATTILA KISBENEDEK/AFP Soll gegen Sevilla nach leichter Sprunggele­nksblessur dabei sein: Robert Lewandowsk­i, hier beim Training in Budapest.

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