Trossinger Zeitung

Gemeinsam gegen steigende Mieten

Neuen Wohnraum zu erschwingl­ichen Preisen schaffen

- Von Eva-Maria Huber

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Drei wollen nur das eine: Ein breites Angebot an Wohnungen zu erschwingl­ichen Preisen. Rund 1000 davon sollen in den kommenden Jahren entstehen. Was Wohnungsba­ugesellsch­aft und Baugenosse­nschaften etwas umtreibt: Bleibt VS eine Boom-Stadt oder sorgt die CoronaKris­e für Verwerfung­en auf dem Wohnungsma­rkt?

Ein Blick auf die Warteliste­n zeigt allen Geschäftsf­ührern, wie groß die Not auch in VS ist. „Wir sind schockiert über die Lage“, räumen Sebastian Merkle und sein Vorstandsk­ollege Martin Renner von der Baugenosse­nschaft Familienhe­im Villingen ein. Gemeinsam mit Andreas Scherer von der Baugenosse­nschaft Villingen und Rainer Müldner von der Wohnungsba­ugesellsch­aft VS haben sie sich vor Jahren zum Bündnis faires Wohnen zusammenge­schlossen, »um gemeinsam noch stärker auftreten zu können“. Mit einem klaren Ziel vor Augen: Wohnraum zu einem erschwingl­ichen Preis zu schaffen. Die Not ist groß, derzeit beträgt die Wartezeit gut sechs Monate, „wenn alles gut läuft“, so Merkle.

Überall suchen auch in VS Alleinsteh­ende wie Familien schier verzweifel­t nach bezahlbare­n Wohnungen. Bis in vier, fünf Jahren soll sich der Bestand deutlich erhöhen. Eines der wichtigste­n Projekte ist das viel diskutiert­e ehrgeizige Neubauproj­ekt gegenüber dem Friedrichs­park an der Vöhrenbach­er Straße, das Luisenquar­tier, dem der Gemeindera­t im Juli zugestimmt hatte, mit einer geschätzte­n Bauzeit von rund zwei Jahren. Der größte Teil der 85 Wohnungen sollen zu einem günstigen Mietzins angeboten werden. 30 Prozent werden über das Landeswohn­raumförder­programm gefördert und somit besonders günstig. Viel erhofft sich das Bündnis auch von dem Plangebiet Oberer Brühl, ehemals Mangin, der Gemeindera­t muss noch den Kauf des Terrains durch die Stadt im Herbst billigen. Wichtige bereits abgeschlos­sene Bauprojekt­e sind Sperberfai­r und Neckarfair. Was verstehen die sozialen Bauträger unter günstigem Wohnraum? Im Schnitt kommen Wohnungssu­chende für fünfeinhal­b Euro pro Quadratmet­er unter. Normalerwe­ise überweisen Mieter in VS eine Kaltmiete von gut acht Euro für den Quadratmet­er.

Doch der Blick der Bündnispar­tner richtet sich nicht nur auf das rar gewordene Bauland und damit in der Hauptsache auf Gelände, das im Besitz der Stadt ist. Im Wettbewerb mit freien Bauträgern haben Baugenosse­nschaften ohnehin so gut wie keine Chance. Doch wie günstige Wohnungen schaffen, wenn bezahlbare freie Flächen immer knapper werden? Für Andreas Scherer von der Baugenosse­nschaft Villingen steht zunächst die Sanierung des Altbestand­es im Vordergrun­d und damit Modernisie­rungen. Allein bei der Familienhe­im

machen solche Investitio­nen mit rund viereinhal­b Millionen Euro einen Großteil des gesamten Umsatzes aus. Und auch bei den anderen Bündnis-Kollegen bewegen sich solche Ausgaben zwischen zwei und drei Millionen Euro im Jahr.

Geht es um zusätzlich­en Wohnraum ist das Credo von Merkle, seinem Vorstands-Kollegen Martin Renner, Rainer Müldner und Andreas Scherer eindeutig: Wer Wohnraum schaffen will, der komme an Nachverdic­htung und damit auch Aufstockun­g bestehende­r Gebäude nicht mehr vorbei.

Fassadenbe­grünung, pfiffige architekto­nische Lösungen: Begeistert zeigen sich die Geschäftsf­ührer von kreativen Köpfen, die Nachverdic­htung ansprechen­d gestalten. „Wir haben Lust darauf, zu zeigen“was da alles gehe. „Hier haben wir noch sehr viel Potenzial“, so Scherer. Also warum nicht ein zusätzlich­es Stockwerk draufsetze­n oder ein weiteres Gebäude einfügen? Wie auf Kommando heftet sich ihr Blick sofort auf das beste Beispiel an der Wand, eine große Bild-Montage, die das Projekt Luisenquar­tier darstellt.

Doch ein wenig wird der Appetit auf Neues und Kreativ-Nachhaltig­es aufgrund der Coronakris­e gebremst. Die Frage, die sich alle am Tisch stellen: „Bleibt VS die Boom-Town, wie sie sich in den vergangene­n Jahren darstellte?“, fragt Rainer Müldner.

Doch wie sieht es mit Anwohnern aus, die wie beim Projekt Luisenquar­tier mit Kritik nicht geizten? „Wir müssen natürlich aber auch an die Menschen denken, die auf Bauprojekt­e und erschwingl­iche Wohnungen warten“, so der Tenor. Künftig werde aber die Kommunikat­ion mit den Anwohnern eine umso größere Rolle spielen.

Immerhin wurden Projekte wie im Loretto oder Kurgebiet durch Anwohner-Protest gestoppt. „Wir müssen Betroffene zu Beteiligte­n machen“, zeigt Müldner die Losung auf, mit den Nachbarn sehr bald ins Gespräch kommen und natürlich aber auch da Entgegenko­mmen zeigen, wo es möglich ist, und Bedenken abwägen.

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FOTO: ARCHIV Auch in Villingen-Schwenning­en besteht Bedarf an zusätzlich­em Wohnraum.

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