Kritik an „Zettelwirtschaft“in Gesundheitsämtern
Landkreise fordern von Ministerpräsident Kretschmann mehr Unterstützung bei Digitalisierung der Behörden
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (lsw) - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat eindringlich dazu aufgerufen, auch weitere Einschränkungen wegen der gestiegenen Corona-Infektionszahlen zu akzeptieren und sich daran zu halten. „Wir müssen unbedingt einen Lockdown für die Wirtschaft und den Bildungsbereich verhindern“, sagte er am Montag bei seiner Rede auf dem 40. Landkreistag in VillingenSchwenningen (Schwarzwald-BaarKreis). Dahinter müsse alles andere zurückstehen. „Man kann auf Partys einfach verzichten“, so Kretschmann.
Außerdem sei es zwingend, die lokalen Infektionsketten zu verfolgen. „Wenn wir die Infektionsketten nicht mehr nachverfolgen können, verlieren wir die Kontrolle über die Pandemie“, warnte er. „Wir sind alle hochgradig alarmiert.“
In Stuttgart war am Wochenende der Warnwert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen überschritten worden; strengere Regeln sollen an diesem Mittwoch
in Kraft treten. Am vergangenen Donnerstag hatte der Kreis Esslingen diesen Wert gerissen. Dort gilt bereits eine verschärfte Maskenpflicht. In der Region liegt derzeit nur Tuttlingen über dem Vorwarnwert von 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen.
Zuvor hatte der Präsident des Landkreistags, Joachim Walter, auf die Leistungen der Gesundheitsämter in der Pandemie verwiesen und dabei auch den Rückstand in der Digitalisierung des Gesundheitswesens thematisiert. Es sei ein wirkliches Ärgernis, dass gerade in den
Monaten der Corona-Krise diesbezüglich kein echter Fortschritt erzielt worden sei, sagte er. Immer wieder entzündet sich Kritik zum Beispiel daran, dass viele Gesundheitsbehörden zum Teil noch per Fax kommunizieren. „Bitte nehmen Sie sich diese s Themas an, es ist mitentscheidend dafür, ob wir die Pandemie meistern“, appellierte er an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). „Die Zettelwirtschaft muss beendet werden.“
Vor allem die örtlichen Betreiber von Busssen und Bahnen litten erheblich unter der Krise, sagte Walter weiter. Auch im kommenden Jahr werde die finanzielle Situation der Branche angespannt bleiben. Es müsse aber verhindert werden, dass hier Strukturen zerstört werden, die auch für das Erreichen von Klimaschutzzielen zwingend notwendig seien.
Der Landkreistag ist der Zusammenschluss der 35 baden-württembergischen Landkreise. Er vertritt ihre Interessen im Land und ist neben dem Städte- und dem Gemeindetag einer der drei kommunalen Landesverbände.