US-Firmen finden Deutschland attraktiv
Amerikanische Unternehmen setzen hierzulande aktuell 182 Milliarden Euro um
FRANKFURT - Der Wirtschaftsstandort Deutschland bleibt attraktiv für Unternehmen aus den USA. Mit der Note 1,8 bewerten sie ihn in diesem Jahr sogar noch besser als ein Jahr zuvor, da reichte es nur für eine 2,0. Auch wenn die Unternehmen nicht unbedingt mit der IT-Infrastruktur in Deutschland zufrieden sind oder auch den Fachkräftemangel beklagen – in diesem Jahr sei etwas anderes wichtiger, sagt Frank Riemensperger, Vizepräsident der AmCham, der amerikanischen Handelskammer in Deutschland, die Tatsache nämlich, dass der Standort in der Lage sei, auch in Krisenzeiten die Wirtschaft in Betrieb zu halten: „Die Maßnahmen, die wir getroffen haben wie Kurzarbeitergeld, Rettungsschirm für Selbstständige und Mittelständler und vieles andere führen zu einer größeren Attraktivität.“Die Hälfte der amerikanischen Top 50 Unternehmen hätten in der Krise ihr Investitionsvolumen nicht verringert, 31 Prozent investierten sogar mehr in Deutschland als zuvor, sagt AmCham-Präsident Frank Sportolari.
182 Milliarden Euro und damit drei Milliarden mehr als ein Jahr zuvor haben die amerikanischen Unternehmen in Deutschland umgesetzt, die Zahl der Beschäftigten sank jedoch leicht auf 306 000. Größter Arbeitgeber bleibt die Fast-FoodKette McDonalds mit etwa 61 000 Mitarbeitern vor Ford mit 22 500.
Schon 2019 ist in Deutschland der Onlinehändler Amazon zum umsatzstärksten amerikanischen Unternehmen aufgestiegen und hat sich mit einem Umsatz von fast 20 Milliarden Euro knapp vor den langjährigen Spitzenreiter, den Autobauer Ford, geschoben. Dahinter folgen mit einigem Abstand die Mineralölkonzerne Exxon Mobil (Esso) und Jet. Digitale Dienstleistungen und Handel haben sich auch seither weiter gut entwickelt. Die Industrie aber, die schon vor der Krise Schwächen gezeigt habe, sei nochmals signifikant eingebrochen: Das gelte vor allem für die Automobilindustrie, aber auch Rohstoffe und Maschinenbau, sagt AmCham-Vizepräsident Riemensperger.
Die amerikanischen Unternehmen rechneten für 2021 mit einer weiteren Erholung der deutschen Wirtschaft, gaben die Top 50 in einer AmCham-Umfrage zu Protokoll. Das hängt aber davon ab, wie stark sich eine zweite Corona-Welle auf die Wirtschaft auswirkt. So rechne nun nur noch gut ein Fünftel der amerikanischen Unternehmen mit steigenden Umsätzen in Deutschland. Im Frühjahr waren das noch gut vier Fünftel gewesen.
Amerikanische und deutsche Firmen hätten jedenfalls immer noch ununterbrochen Interesse an den jeweiligen Märkten, meint AmChamChef Sportolari. Er verweist auf Übernahmen, auch von deutschen Unternehmen in den USA. So hatte etwa der Spezialchemie- und Pharmakonzern Merck für 6,2 Milliarden Euro in den USA den Spezialchemiehersteller
Versum übernommen. Die Supermarktkette Lidl will in den USA organisch wachsen. Größtes deutsches Unternehmen dort ist Daimler, das gut 45 Milliarden Euro umsetzt vor Volkswagen und T-Mobile. 2019 hätten die deutschen Firmen dort insgesamt 663 000 Menschen beschäftigt, 11 200 mehr als ein Jahr zuvor. Nach BMW und Merck liegt da der Softwarekonzern SAP auf dem dritten Platz, er baute die Zahl seiner Mitarbeiter in den USA um zwölf Prozent aus
„Trotz all der politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen ist das grundlegende transatlantische Geschäftsverhältnis noch stabil“, meint Sportolari. Auch wenn die AmCham eine unpolitische Organisation sei: Für die anstehende Präsidentschaftswahl hoffen die Mitglieder auf einen Wahlsieg des demokratischen Kandidaten Joe Biden, das werde den Dialog miteinander verbessern. Allerdings gebe es auch im Team von Joe Biden stark protektionistische Tendenzen.