Trossinger Zeitung

Wie Corona das Kaufverhal­ten verändert

Modehändle­r in Toplagen trifft es besonders hart – Wirtschaft­sberater halten ein Comeback von Fußgängerz­onen für wahrschein­lich

- Von Erich Reimann

DÜSSELDORF (dpa) - Die CoronaPand­emie verändert den deutschen Einzelhand­el wie keine andere Krise der vergangene­n Jahrzehnte. Der Internetha­ndel boomt, viele Fußgängerz­onen und Shoppingce­nter sind dagegen deutlich leerer als vor einem Jahr. Während Lebensmitt­elhandel und Baumärkte Umsatzreko­rde verzeichne­n, bleiben in Modegeschä­ften die Kunden aus. Für den Geschäftsf­ührer der Handelsber­atung BBE, Joachim Stumpf, steht deshalb fest: „Corona ist ein großer Beschleuni­ger des Strukturwa­ndels im Einzelhand­el.“

Beispiel Textilien: Dem Modehandel in den Fußgängerz­onen ging es schon vor der Pandemie nicht gut. In den Corona-Krise gehörte er dann zu den ganz großen Verlierern. Die Branche habe seit dem Shutdown im März „mit den größten wirtschaft­lichen Herausford­erungen seit Bestehen der Bundesrepu­blik zu kämpfen“, urteilt das Branchenfa­chblatt „Textilwirt­schaft“. Die Umsätze der stationäre­n Händler lägen auch im September noch um 18 Prozent unter dem Vorjahresw­ert. „Es wird noch über 2021 hinaus dauern, bis das Vorkrisenn­iveau wieder erreicht wird“, glaubt Stumpf.

Und mit den Textilhänd­lern leiden die Innenstädt­e. Das Verblüffen­de dabei: Besonders hart trifft es zurzeit die sonst sehr gut frequentie­rten Toplagen in den Metropolen und die Shoppingce­nter. Einkaufsst­raßen in kleineren Städten und Fachmarktz­entren haben sich dagegen viel besser von der Krise erholt.

„Corona hat in den Innenstädt­en alles durcheinan­dergewirbe­lt“, meint Stumpf. Das Erfolgsrez­ept der Toplagen, die in normalen Zeiten Kunden von weit her anlocken und einen großen Teil der Umsätze mit Touristen machen, funktionie­re aktuell nicht mehr. Dagegen hätten sich vermeintli­che Problemsta­ndorte in kleineren

Städten, die in den vergangene­n Jahren regelmäßig zu den Verlierern gehörten, rasch vom Corona-Schock erholt. Sie profitiert­en davon, dass die Verbrauche­r das Getümmel mieden.

Auch viele Shoppingce­nter gehören zu den Opfern der Krise, wie Joachim Will, Inhaber des Wiesbadene­r Beratungsu­nternehmen­s Ecostra, betont. „Ihnen macht die Maskenpfli­cht zu schaffen – und die Tatsache, dass viele Verbrauche­r deshalb den Aufenthalt in geschlosse­nen Räume möglichst kurz halten.“Einige Shoppingce­nter werden die Krise nicht überleben, ist Will überzeugt.

Zu den Gewinnern im CoronaDurc­heinander gehört dagegen der stationäre Lebensmitt­elhandel. Edeka, Rewe und Co. profitiert­en nicht nur davon, dass ihre Geschäfte während des Shutdowns geöffnet blieben, sondern auch davon, dass wegen Homeoffice, Kurzarbeit und Ansteckung­sangst auch danach mehr zu Hause gegessen wurde. Insgesamt lagen die Umsätze im Lebensmitt­elhandel nach Berechnung­en der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung (GfK) in den ersten acht Monaten um rund zwölf Prozent über dem Vorjahresn­iveau. Allerdings scheint sich die Situation hier allmählich zu normalisie­ren. Nach den zweistelli­gen Wachstumsr­aten der Vormonate lag das Umsatzplus im August nur noch bei vergleichs­weise bescheiden­en zwei Prozent. „Das Raumschiff ist gelandet, die Erde hat den Lebensmitt­elhandel wieder“, beschrieb der GfKHandels­experte Robert Kecskes in einer aktuellen Marktstudi­e den Trend.

Keine Ende des Corona-Rückenwind­es ist dagegen bislang im Onlinehand­el zu bemerken. Er boomt noch mehr als vor der Krise. Im dritten Quartal lagen die E-CommerceUm­sätze in Deutschlan­d mit 19,3 Milliarden Euro um satte 13,3 Prozent über dem Vorjahresn­iveau. „Obwohl seit Juli alle Läden wieder geöffnet haben, verlassen sich viele Verbrauche­r weiter auf die belastbare­n Lieferstru­kturen des Online- und Versandhan­dels“, sagt der Hauptgesch­äftsführer des E-Commerce-Verbandes bevh, Christoph WenkFische­r. Wachstumst­reiber sind der Onlinehand­el mit Lebensmitt­eln mit einem Plus von gut 50 Prozent und das Geschäft mit Gütern des täglichen Bedarfs mit einem Zuwachs von 34 Prozent. Video- und MusikDownl­oads dienten als Ersatz für Kinound Konzertbes­uche und legten um 18,7 Prozent zu. Der Bekleidung­shandel via Internet wuchs um 13,9 Prozent.

Bitter für den stationäre­n Handel: Er konnte von dem Onlineboom mit den eigenen Onlineshop­s nur vergleichs­weise wenig profitiere­n. Onlinemark­tplätze wie Amazon, klassische Versandhän­dler und reine Onlineanbi­eter wuchsen deutlich stärker.

Für Branchenke­nner Stump ist es aber trotz des anhaltende­n Erfolgs des Internets zu früh für einen Abgesang auf die Innenstädt­e. „In den vergangene­n Jahren sind die Verbrauche­r nach Krisen immer wieder zu ihren alten Verhaltens­mustern zurückgeke­hrt“, betont er. Auch nach der Corona-Pandemie werde das nicht anders sein. „Es wird zwar in Zukunft mehr online eingekauft werden als vor der Krise, aber auch die großen Einkaufsst­raßen werden wieder ihren Glanz entfalten und die Menschen anlocken.“

Auch Ecostra-Chef Will rechnet mit einem Comeback der Fußgängerz­onen. Allerdings nur dort, wo die Innenstädt­e attraktiv genug sind. Ein gutes Warenangeb­ot allein reiche nicht aus. „Wichtig ist eine gute Aufenthalt­squalität in der Innenstadt: die Gastronomi­e, die Plätze, der Städtebau. Die Innenstadt muss ein attraktive­s Ziel sein, wenn die Menschen überlegen: Was mache ich heute?“

 ?? FOTO: MICHAEL REICHEL/DPA ?? Ein Schild an einem Geschäft weist darauf hin, dass es auf Anordnung der Landesregi­erung zur Eindämmung des Coronaviru­s geschlosse­n ist. Dem Modehandel in den Fußgängerz­onen ging es schon vor der Pandemie nicht gut. In der Corona-Krise gehörte er dann zu den großen Verlierern.
FOTO: MICHAEL REICHEL/DPA Ein Schild an einem Geschäft weist darauf hin, dass es auf Anordnung der Landesregi­erung zur Eindämmung des Coronaviru­s geschlosse­n ist. Dem Modehandel in den Fußgängerz­onen ging es schon vor der Pandemie nicht gut. In der Corona-Krise gehörte er dann zu den großen Verlierern.

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