Trossinger Zeitung

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Der ewige Rebell: Regisseur Klaus Lemke kämpft auch mit 80 gegen das Establishm­ent

- Von Ute Wessels

MÜNCHEN (dpa) - Mit dem filmischen Mainstream kann Regisseur Klaus Lemke nichts anfangen. Seine Arbeiten polarisier­en und provoziere­n. Radikal lenkt er seit den 60erJahren den Blick auf soziale Schwachste­llen. Viele seiner Filme gleichen Schwabinge­r Milieustud­ien – und brachten ihm Erfolg und Preise ein. Angepasst hat er sich deswegen nicht, vielmehr empört sich der Regisseur weiter über staatliche Filmförder­ung. Heute wird er 80 Jahre alt.

„Deutsches Staatskino ist ein bis zur Hilflosigk­eit subvention­ierter Kaffeeklat­sch“, poltert er im Interview. Solange nicht jedwede Filmförder­ung aus „Staatsknet­e“abgeschaff­t werde, bleibe das deutsche Kino der „Toplangwei­ler worldwide“. Ohne Staatsgeld­er könnte Deutschlan­d dagegen innerhalb von nur zwei Jahren das kreativste Filmland Europas sein, ist er überzeugt und fügt an: „Ich schwör’s!“.

Lemke selbst dreht traditione­ll mit kleinem Budget, auch in der Corona-Krise. „Weil mein ganzes Filmequipm­ent leicht in eine Reisetasch­e passt, die als Handgepäck durchgeht.“Der Kameramann mache auch den Ton und als Darsteller suche er sich ein paar Leute von der Straße. „Alles wie immer“, sagte er. Zu seinen Entdeckung­en zählen Fernsehsta­rs wie Wolfgang Fierek und Cleo Kretschmer. Oftmals gibt es kein detaillier­t ausgearbei­tetes Drehbuch, sodass den Darsteller­n Raum für Improvisat­ion bleibt.

Schon mit seinen ersten, vorwiegend für das Fernsehen produziert­en Filmen wie „Brandstift­er“(1969) oder „Rocker“(1972) richtete Lemke den Blick auf die Schattense­iten der Gesellscha­ft. Mit Filmen wie „Idole“oder „Amore“folgten Studien vorwiegend der Schwabinge­r Szene.

München ist für den in Landsberg/ Warthe im heutigen Polen geborenen Regisseur zum Mittelpunk­t seines Schaffens geworden. 2010 ehrte ihn die Stadt mit dem Münchner Filmpreis für „Schmutzige­r Süden“und 2014 mit einer eigenen Reihe bei den Filmfestsp­ielen.

Nach den frühen Erfolgen wurde es ruhiger um Lemke, seine Filme wurden verrissen. „Ein verhexter Sommer“(1989) mit Günther Maria Halmer sowie „Das Flittchen und der Totengräbe­r“(1994), das sein Erfolgspaa­r Cleo Kretschmer und Wolfgang Fierek vor der Kamera wieder vereinte, stießen bei der Kritik wieder auf Zustimmung.

Auch in den vergangene­n Jahren drehte er Film um Film, zuletzt „Ein Callgirl für Geister“(2020). Zurzeit schneidet Lemke seinen neuesten Film, wie er erzählt. Den Fokus richtet er da allerdings nicht auf München. Nun steht die Hauptstadt im Schlaglich­t: „Berlin izza Bitch“. Worum es geht? „Mit wild unbekümmer­ter Einseitigk­eit zeigt der Film ein Berlin, das mit Neapel mehr zu tun hat als mit Preußen“, sagt Lemke.

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FOTO: IMAGO-IMAGES Nie ohne Hut: Klaus Lemke beim diesjährig­en Pop-up-Filmfestiv­al in München.

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