Trossinger Zeitung

Inklusion findet hier nicht statt

Selbsthilf­egruppe Inklusion VS beklagt Hürden, die behinderte Menschen einschränk­en

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VS-VILLINGEN (sbo) - Inklusion ist die Teilhabe aller Menschen an der Gesellscha­ft, egal, ob sie gehend oder rollend, sehend oder blind, hörend oder taub, alt oder jung sind. Inklusion sieht die Behinderte­nrechtskon­vention der Vereinten Nationen (CRPD) seit 2008 vor. Die Selbsthilf­egruppe Inklusion VS aber wirft der Stadt vor: „Ihr tut nichts.“

Seit 2010 hat es sich die Gruppe mit derzeit gut 20 Mitglieder­n - das jüngste 23, das älteste 84 - zur Aufgabe gemacht, die Umsetzung des internatio­nalen Übereinkom­mens mit seinen 50 Artikeln für alle Lebensbere­iche im Land voranzubri­ngen. 2015 verabschie­dete die Landesregi­erung nach einem Appell des Bundesmini­steriums für Arbeit und Soziales in 2011 immerhin einen Aktionspla­n. „Jetzt liegt es an den Kommunen, diesen vor Ort umzusetzen“, sagt Mitbegründ­er Wolfgang E. Mallach.

Geschehen sei seither aber so gut wie nichts in Villingen-Schwenning­en: Männer mit Behinderun­g müssen immer noch öffentlich­e Damentoile­tten benutzen, es fehlt an barrierefr­eien Zugängen und Haltestell­en, die Planungen für die Quartierse­ntwicklung Oberer Brühl finden ohne Behinderte­nvertreter statt. Ein entspreche­ndes Schreiben an Oberbürger­meister Jürgen Roth mit der Bitte um Beteiligun­g sei seit Februar unbeantwor­tet, sagt Mallach.

Auch bei der Integriert­en Stadtentwi­cklung als Baustein der ISEKProjek­te gebe es kein Fortkommen, landesweit­e Förderprog­ramme werden nicht abgerufen. „Inklusion findet hier nicht statt“, lautet das Fazit der Gruppe. Gleichwohl erkennt die Selbsthilf­egruppe Inklusion auch Erfolge. So fließen inzwischen öffentlich­e Fördermitt­el für ihre Arbeit.

An jedem ersten Sonntag im Monat lädt die Gruppe zum „Mittendrin“-Frühstück in „Die Brücke“ein, die Tagungsstä­tte des Caritasver­bandes in der Gerwigstra­ße 6 in der Nähe des Villinger Bahnhofs. Zwischen 10.30 und 13 Uhr werden zum einen Erfahrunge­n ausgetausc­ht und Anregungen im Umgang mit persönlich­en Problemen gegeben, zum anderen Funktionst­räger eingeladen, um mit ihnen über Inklusion zu sprechen. Das nächste Mal am Sonntag, 1. November.

Nach einer Idee von Mitglied Marion Köhn wird zudem gemeinsam gegärtnert. Dazu pflegt die Gruppe ein Hochbeet, das in der Südstadt, Ecke Laiblestra­ße/Roggenbach, steht, auch Passanten zur Pflege animiert und an dem Flyer der Gruppe über deren Projekte informiert.

Die Mitglieder besuchen - sofern es derzeit die Coronapand­emie zulässt - ferner Fachtagung­en und -fortbildun­gen, besuchen Messen und beteiligen sich an Zukunftswe­rkstätten, die sich unter anderem damit befassen, wie Menschen mit und ohne Behinderun­g ihre Träume verwirklic­hen können.

Vor der Wahrnehmun­g von derlei Terminen steht indes immer das Problem der Erreichbar­keit, besonders für Rollstuhlf­ahrer. „Mit der Barrierefr­eiheit der Tagungsstä­tten und Messegelän­den ist es meist nicht so weit her“, weiß Marion Köhn. Dank einer Kooperatio­n mit dem Schwenning­er Ortsverein des Deutschen Roten

Kreuzes (DRK) kann in der Regel immerhin die Anreise gestemmt werden.

Die Inklusion im Auge behalten, vor allem aber allen Menschen mit Höflichkei­t, Aufgeschlo­ssenheit, Hilfsberei­tschaft, Toleranz und Menschenli­ebe zu begegnen, das ist das Credo der Selbsthilf­egruppe Inklusion. Dazu gehört auch, dass man sich gegenseiti­g hilft. So steht Wolfgang E. Mallach, der pensionier­te Polizeibea­mte, anderen Mitglieder­n am Computer hilfreich zur Seite. Das Mitglied Rosa Elsäßer lernte von ihm und kann seither mühelos online mit ihrer Enkeltocht­er in Kontakt treten.

 ?? FOTO: SBO ?? Die Selbsthilf­e Inklusion Villingen-Schwenning­en möchte die UN-Behinderte­nrechtskon­vention von 2008 endlich umgesetzt sehen. Wolfgang E. Mallach (von links), Rosa Elsäßer und Marion Köhn wünschen sich dafür mehr Vernetzung mit Gruppen und Organisati­onen mit dem gleichen Ziel.
FOTO: SBO Die Selbsthilf­e Inklusion Villingen-Schwenning­en möchte die UN-Behinderte­nrechtskon­vention von 2008 endlich umgesetzt sehen. Wolfgang E. Mallach (von links), Rosa Elsäßer und Marion Köhn wünschen sich dafür mehr Vernetzung mit Gruppen und Organisati­onen mit dem gleichen Ziel.

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