Hartz IV: Fallzahlen steigen kaum an
Kreis Tuttlingen verzeichnet bei den Zahlen geringen Zuwachs von 0,4 Prozentpunkten
TUTTLINGEN - Die Zahl der Arbeitslosen ist im Landkreis Tuttlingen deutlich gestiegen. Innerhalb eines Jahres waren 1400 Menschen mehr ohne feste Anstellung. Der Anstieg bei den Beziehern von Hartz IV fällt trotz konjunktureller Eintrübung und dem Coronavirus geringer aus. „Die befürchtete Fallexplosion im Hartz-IV-Bereich ist glücklicherweise vorerst nicht eingetreten“, teilt die Verwaltung des Landkreises mit.
Im Juni 2020 waren 2304 Bedarfsgemeinschaften beim Kommunalen Jobcenter gemeldet. Das waren 195 mehr als noch im Januar diesen Jahres. Insgesamt zählten 4975 Personen (Januar: 4598) zum Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches II. Dies war ein Zuwachs innerhalb eines Jahres bei der Quote von 0,4 Prozentpunkte – von 1,1 auf 1,5. Der Hauptgrund für die geringen Auswirkungen vermutet Bernd Mager, Dezernent für Soziales und Arbeit, in den „großzügigen Kurzarbeiterregelungen“, die bis Dezember 2021 verlängert worden sind. Dadurch wurden weniger Menschen direkt arbeitslos. Frauen und Männer, die mehr als ein Jahr versicherungspflichtig gearbeitet haben, beziehen zunächst ein halbes Jahr Arbeitslosengeld I, bevor sie Hartz IV-Leistungen erhalten.
Das Plus an Unterstützungsbedürftigen führt zu Mehrkosten für den Landkreis. Allerdings hält sich die Belastung des Haushaltes momentan in Grenzen. Die Bundesregierung hat laut Vorlage des Kreisausschusses entschieden, wegen der coronabedingten Mehrkosten und geringeren Steuereinnahmen der Kommunen, die Unterkunftskostenbeteiligung dauerhaft auf 75 Prozent zu erhöhen. Weil die Entlastung rückwirkend auf das ganze Jahr gelten soll – der Bundesrat muss noch zustimmen –, müsste der Landkreis drei Millionen Euro weniger aufbringen.
Generell gilt für die Hartz IV-Leistungen, dass der Bund für die Aufgabenerfüllung die Kosten – weitgehend – erstattet. Vereinfacht verbleiben bei den Kommunen möglicherweise bald nur 40 Prozent der Zahlungen für Leistungen zum Lebensunterhalt, Qualifizierungs- und Sprachkurse (beides 100 Prozent Kostenerstattung Bund), Personal- und Sachausgaben (85 Prozent Kostenerstattung) sowie Unterkunftskosten (aktuell 52,1, vielleicht 75 Prozent). Dennoch werden jährlich rund 40 Millionen Euro für diesen Bereich ausgegeben.
Man müsse konstatieren, schreibt die Verwaltung, dass die Sozialausgaben ohne die Kostenübernahme
des Bundes – darunter fällt auch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – die „Sozialausgaben bei den Stadtund Landkreisen explodiert wären“. Die Tendenz steigender Sozialausgaben
werde sich aber weiter fortsetzen, erwartet die Verwaltung. So sollen sich die Hartz IV-Sätze im kommenden Jahr erhöhen: Alleinstehende Erwachsene erhalten 446 Euro pro Monat (plus 14 Euro), volljährige Partner in einer Bedarfsgemeinschaft 401 Euro (plus 12 Euro), Volljährige in Einrichtungen 357 Euro (plus 12 Euro), Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren 373 Euro (plus 45 Euro), Kinder zwischen sechs und 13 Jahren 309 (plus 1 Euro) und Kinder zwischen null und fünf Jahren 283 Euro (plus 33 Euro).
Im Jahr 2019 sind 957 Personen wieder in Arbeit gekommen. Dies teilt sich in 546 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse (60 Prozent) und 275 geringfügige Beschäftigungen (30 Prozent) auf. 67 Ausbildungsverhältnisse (sieben Prozent) kamen zustande. Außerdem wurden 19 Selbstständigkeiten gefördert.
Die Bezieher waren zu 55,8 Prozent Deutsche. Die zahlenmäßig größte Gruppe aller Bezieher waren die 25 bis 50-Jährigen (63,3 Prozent) gefolgt von den über 50-Jährigen (27,6 Prozent) und den 15 bis 25-Jährigen (9,1 Prozent).