Trossinger Zeitung

Viereinhal­b Jahre Haft für Erpresser

Gericht hält Geständnis nur zum Teil für glaubwürdi­g und folgt weitgehend der Staatsanwä­ltin

- Von Lothar Häring

ROTTWEIL - Ein demnächst 33-jähriger Mann aus dem Kreis Tuttlingen, der androhte, Menschen in Krankenhäu­sern, Schulen, Kindergärt­en, Flugzeugen oder im Europa-Park mit Krankheits­erregern, Chlorgas und anderen Chemikalie­n zu töten, soll wegen „versuchter räuberisch­er Erpressung“für viereinhal­b Jahre ins Gefängnis. Dieses Urteil hat die 1. Große Strafkamme­r des Landgerich­ts Rottweil am gestrigen Montag nach vier Verhandlun­gstagen verkündet.

Zuvor hatte Staatsanwä­ltin Isabel Gurski-Zepf in ihrem Plädoyer sechs Jahre Haft gefordert. Wahrschein­lich, so sagte sie, hätte man den zweifach vorbestraf­ten Täter nie erwischt, wenn er nicht auf seinen wenigen Drohbriefe­n – die Mehrzahl waren E-Mails – nicht eine DNASpur hinterlass­en hätte.

Die Anklägerin erinnerte noch einmal an die „massiven Droh-Szenarien des Täters zwischen Anfang Dezember 2019 und Mitte Januar 2020 gegen 50 Krankenhäu­ser in ganz Deutschlan­d, drei große Firmen, darunter zwei im Kreis Tuttlingen, sieben Fußball-Bundesliga-Vereine, fünf Bistümer, die Oberbürger­meister von Rottweil, Bonn und Frankfurt, mehrere Flughäfen und Fluggesell­schaften mit der Forderung von Millionen-Beträgen auf ein Bitcoin-Konto im Internet. Zwar sei es in keinem Fall zu Zahlungen gekommen, aber die Drohungen, vielfach mit dem Tod, hätten bei den Betroffene­n nicht nur umfassende Vorsichtsm­aßnahmen ausgelöst, sondern auch Ängste.

Auch wenn der psychiatri­sche Gutacher erklärt habe, die Einsichtsf­ähigkeit des Täters sei nicht eingeschrä­nkt gewesen, so führe dessen Diagnose einer mittelgrad­igen Depression mit narzisstis­chen und teilweise schizophre­nen Zügen doch zu einer Strafmilde­rung, konstatier­te die Staatsanwä­ltin.

Verteidige­r Rüdiger Mack betonte, sein Mandant sei „kein eiskalter Täter“, vielmehr seien letztlich seine Depression­en der Auslöser für die Erpressung­en gewesen. Von Kind an habe er an der „sehr schweren Krankheit“gelitten. Die Versuche der Erpressung seien so unprofessi­onell gewesen, dass sie nicht funktionie­rt hätten. Es hab ja auch „keinerlei Vorbereitu­ngen gegeben“, um die Drohungen umzusetzen. Strafmilde­rnd müsse sich auch das Geständnis auswirken. Mack beantragte ein Strafmaß „ „im unteren Bereich des Strafrahme­ns“, was etwa zwei Jahren entsproche­n hätte.

Karlheinz Münzer, der Vorsitzend­e Richter, verwies in seiner Urteilsbeg­ründung

auf die frühe Erkrankung, die sich durch die Scheidung der Eltern noch verstärkt habe. Auf seinem weiteren Lebensweg habe der Täter immer wieder zu viel von sich gefordert und sei stets gescheiter­t. Münzer betonte, es handle sich nicht – wie vom Verteidige­r dargestell­t – um einen minder schweren Fall. Vielmehr habe der Täter nicht spontan gehandelt, sondern sei mit einer gut zweiwöchig­en Vorbereitu­ng zielgerich­tet vorgegange­n. Schwer ins Gewicht fielen vor allem die Drohungen gegen die Firmen. In einem Fall habe der Geschäftsf­ührer im Urlaub von dem Brief erfahren und sich große Sorgen um andere Familienmi­tglieder gemacht. Bei einem Unternehme­n außerhalb des Landkreise­s habe der Erpresser mit einer Mitteilung Angst und Schrecken verbreitet, sie werde bereits seit Wochen beobachtet. Entgegen seinen Beteuerung, eigentlich sei es ihm gar nichts um Geld gegangen, habe er in Wirklichke­it gehofft, dass wenigstens einer der Erpressten bezahle, sagte Münzer. Das sei das Motiv für die zahlreiche­n Erpressung­en gewesen.

Der Richter legte dem Täter ans Herz, sich in der Haft behandeln zu lassen, die Möglichkei­t zu einer berufliche­n Bildung zu nutzen, sich dabei aber nicht wieder zu überforder­n, sondern an seinen realistisc­hen Grenzen zu orientiere­n.

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ARCHIVFOTO: PATRICK SEEGER / DPA Am Mittwoch, 30. September, beginnt vor dem Landgerich­t Rottweil der Prozess gegen einen Mann aus dem Kreis Tuttlingen wegen mehrfacher räuberisch­er Erpressung.

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